Klima, Wetter, Springer-Presse: Alles nur Panikmache?
Mediensplitter (21): Leugnung der Klimakrise ist keine Spezialität von "Parallelmedien". Auch der Springer-Verlag bietet dafür eine Plattform. Ein Kolumnist glaubt an absurde Allianzen.
Muss man Boulevard-Blätter ernst nehmen, zu deren Geschäft es gehört, Menschen gegeneinander aufzuhetzen und missliebige politische Bewegungen mit Diffamierungen wie "Terroristen", "Chaoten" oder auch "Putin-Versteher" zu belegen? Wohl eher nicht.
Dennoch wollen wir einen kurzen Blick auf einen kleinen Meinungsbeitrag des Kolumnisten Gunnar Schupelius im Berliner Springer-Blatt BZ, das sich selbst als "Stimme Berlins" bezeichnet, werfen. Hier wird über Klimaschützer und den Bundeswirtschaftsminister gleichermaßen hergezogen.
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Robert Habeck, der quasi über Nacht Terminals für besonders klimaschädliches Fracking-Gas aus den USA auf den Weg bringt, dafür mal eben Umweltverträglichkeitsprüfungen aussetzen lässt und sich auch nicht weiter an mit Chlor versetzten Abwässern im Weltkulturerbe Wattenmeer stört, soll mit den Klimaschützern, die mit ihren Straßenblockaden Verkehrswende, Neun-Euro-Ticket und einen schnellen Ausstieg aus Kohle und Gas einfordern, sozusagen unter einer Decke stecken?
Um diese intellektuelle Meisterleistung hinzubekommen, muss man zunächst die Augen ganz fest vor den Realitäten der sich entfaltenden Klimakrise verschließen. Zum Beispiel, in dem man einfach behauptet, es gebe sie gar nicht. Die katastrophalen Überschwemmungen im Ahrtal und im angrenzenden Rheinland, bei denen im Juli 2021 183 Menschen ums Leben kamen, seien zum Beispiel nur Wetter gewesen.
"Die Meteorologen" sind wohl nicht der Deutsche Wetterdienst
Der erstaunte BZ-Leser erfährt in seinem Blatt, dass diese Flut "von den Meteorologen" nicht als Phänomen des Klimawandels eingestuft werde, sondern als meteorologisches, "denn einen ähnlichen Starkregen hatte es auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben". Komischerweise hat man beim Deutschen Wetterdienst (DWD) von dieser spannenden Interpretation der Ereignisse noch nichts gehört.
Dort heißt es: "Vom 12. bis 15. Juli 2021 war es in verschiedenen Teilen Westeuropas zu extremen Regenfällen gekommen. So fielen zum Beispiel in der Region um die Flüsse Ahr und Erft in Deutschland an einem einzigen Tag mehr als 90 Liter Regen pro Quadratmeter. Das ist deutlich mehr als jemals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen wurde."
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu derart extremen Regenfällen wie jenen kommt, die seinerzeit die schweren Überschwemmungen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg verursacht haben, habe sich durch den Klimawandel um das 1,2- bis Neunfache erhöht. Das hatte bereits im August 2021 eine sogenannte Zuordnungsstudie ergeben und hätte auch im Hause Springer gelesen werden können.
Auch sonst offenbart der BZ-Autor große Unkenntnis. Bei den Kipp-Punkten im Klimasystem handelt es sich für ihn offenbar um eine Glaubensfrage. Dass sich viele Dinge nicht werden zurückdrehen lassen, ist offenbar jenseits seiner Vorstellungswelt. Doch auch hier gibt es inzwischen eine sehr umfangreiche wissenschaftliche Literatur, die zeigt, dass sich viele Prozesse im System Erde nichtlinear entwickeln und vor allem, dass sie irreversibel sind.
Das Aussterben von Arten lässt sich nicht rückgängig machen. Ebenso haben zum Beispiel die großen Eismassen auf Grönland und in der Antarktis Punkte, ab denen ihr weitgehendes oder vollständiges Verschwinden nicht mehr aufzuhalten sein wird.
Die Konsequenzen können beängstigen, aber genau das wirft der BZ-Autor den Klimaschützern vor. Sie wollten Angst machen, um "extreme Forderungen" zu stellen. Das "Verbrenner-Verbot" sei so eine "extreme Forderung", was einer gewissen Komik nicht entbehrt.
Schließlich sind die Weichen auf dem mit Abstand größten Kraftfahrzeugmarkt der Welt, in China, längst in die entsprechende Richtung gestellt, und wer davor bis zuletzt die Augen verschließt, könnte quasi über Nacht ohne ein ausreichendes Tankstellennetz und mit wertlosem Gebrauchtwagen dastehen. Ein gesetzlich geregelter Ausstieg aus der Verbrennerproduktion könnte da eventuell Schutz gegen größere Verwerfungen bieten.
Wozu Vorbereitung auf den Worst Case, wenn es anders kommen kann?
Schließlich wirft der BZ-Autor auch noch dem Umweltbundesamt vor, dass es Worst-Case-Szenarien für den Klimawandel durchrechnet, und "von einem maximalen Erwärmungstrend" ausgegangen sei, "den es derzeit so nicht gibt". Das ist zum einen falsch. Die bisherige Erwärmung bewegt sich tatsächlich eher am oberen Ende der Projektionen der Klimamodelle.
Zum anderen ist der Vorwurf an eine Bundesbehörde, sich mit Worst-Case-Szenarien zu beschäftigen, erstaunlich. Genau das sollte man doch von Behörden erwarten: dass sie die Gesellschaft und die Infrastruktur auf den schlimmsten Fall vorbereiten. Was würden wir zum Beispiel vom Küstenschutz halten, wenn er die Deiche nur für einen Meter Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auslegen würde, obwohl er weiß, dass es schlimmsten Falls auch zwei Meter werden können?
Was es bedeutet, wenn eben nicht mit dem Schlimmsten gerechnet wird, konnte man im Juli 2021 erleben, als die Katastrophenwarnsysteme reihenweise versagten, als die Katastrophenstäbe trotz mehreren Tagen Vorlauf vollkommen überfordert waren, als sich zeigte, dass eine von einer RWE-Tochter betriebene Sandgrube im rheinländischen Erftstadt nicht ausreichend gegen Hochwasser abgesichert war.
Letzteres könnte auch damit zu tun gehabt haben, dass der örtliche CDU-Chef neben seiner Tätigkeit im Landtag auch noch auf der Gehaltsliste des Braunkohlekonzerns stand, und zwar keinesfalls am unteren Ende.
Die Angst vor dem Klimawandel kommt eben auch daher, dass er von den maßgeblichen Behörden und Politikern noch immer nicht ernst genug genommen wird – und dass es für manche Medien weiter zum Geschäftsmodell gehört, Unwahrheiten zu verbreiten und damit Stimmung gegen Wissenschaft und Mahner zu machen.