Klimabewegung in der Lausitz: Es ist kompliziert
Im sächsischen Mühlrose regt sich Protest gegen Klimaschützer:innen. Sie sollen Akzeptanz vor Ort verspielt haben. Aber stimmt das überhaupt? Ein Gastkommentar.
In den vergangenen Wochen gab es rund um den Tagebau Nochten zwei Demonstrationen: Anfang Mai wandten sich Klimaaktivist:innen gegen die Braunkohleverstromung und die damit verbundene Abbaggerung des Dorfes Mühlrose, das auf Sorbisch Miłoraz heißt, im Norden des sächsischen Landkreises Görlitz.
Eine Woche davor protestierten etliche Anwohner:innen von Mühlrose/Miłoraz und umgebenden Dörfern gegen ein geplantes Klimacamp. Das Camp wurde daraufhin von den Klimaaktivist:innen abgesagt.
Zunächst bleibt festzuhalten: Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gilt für alle – auch dann, wenn Anwohner:innen des Versammlungsortes oder örtlich aktive Konzerne etwas dagegen haben. Widerstand von diesen Seiten ist ein bekanntes Phänomen für die Klimabewegung. Die vorwiegend jungen Klimaaktivist:innen haben natürlich das Recht, für Klimaschutz und damit für ihre eigene Zukunftsperspektive zu demonstrieren.
Dennoch haben die Organisator:innen des Camps mit der Absage die richtige Konsequenz daraus gezogen, dass ihnen die notwendige Unterstützung in der lokalen Bevölkerung fehlt. Diese Unterstützung wurde nicht, wie oft vorgeworfen, verspielt – sie war nie gegeben.
Es liegen Welten zwischen den Forderungen der Klimaaktivist:innen und den Vorstellungen vieler Menschen in der Lausitz. Obendrein ist die Leag einer der großen und gut zahlenden Arbeitgeber:innen der Region.
Dennoch gibt es auch unter den Anwohner:innen eine Ablehnung des fortschreitenden Kohlebergbaus. Denn die Gesellschaft von Mühlrose/Miłoraz ist tief gespalten: einerseits in diejenigen, die freiwillig nach Neu-Mühlrose umgezogen sind, und andererseits diejenigen, die bleiben wollen. Dazwischen gibt es jene, die resigniert dem Druck nachgaben und weggezogen sind. Nicht alle unter ihnen sind mit dieser Entscheidung auch heute noch glücklich.
Plädoyer für das Recht auf Heimat
Insbesondere zwei Dinge habe ich bei meinen Kontakten mit Bleibewilligen in Mühlrose/Miłoraz stark wahrgenommen: Erstens, Ohnmacht angesichts der Zerstörung ihrer Heimat. Die Verzweiflung einer älteren Dame, die hilflos zusehen musste, wie der Abbruchbagger hinter das Dach des eigenen Hofes griff, um das Nachbarhaus abzureißen. Emotionen, die man nicht mehr vergisst.
Zweitens und ebenso stark aber ist noch immer die Hoffnung, diese Zerstörung doch noch abwenden oder zumindest den Schaden begrenzen zu können. Das verbindet und solidarisiert sie mit den jungen Aktivist:innen von Fridays for Future.
Bleibewillige und Aktivist:innen der Klimabewegung eint also mindestens eines: der Wunsch zum Erhalt des Dorfes. Eine gute Zusammenarbeit kann dazu beitragen, die Abbaggerung von Mühlrose/Miłoraz stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken. Das wäre eine wichtige Voraussetzung, um Mühlrose/Miłoraz doch noch vor dem kompletten Abriss zu bewahren.
Meine Aufgabe als Energiepolitiker aus Sachsen sehe ich darin, die Belange aller Betroffenen im Blick zu behalten und gemeinsam mit anderen verlässliche Perspektiven für die Lausitz zu erarbeiten; ausdrücklich auch für die Bleibewilligen in Mühlrose/Miłoraz.
Das Recht auf Heimat ist in der Verfassung des Freistaates Sachsen verankert. Daran ändert auch nichts, dass die Grundstücke im Dorf mittlerweile mehrheitlich der Leag gehören. Ohne bergrechtliche Genehmigungen darf die Leag nicht das Lebensumfeld, die Heimat der Dorfbewohner:innen zerstören.
Für diese Genehmigungen zum Abbau der Braunkohle unter Mühlrose/Miłoraz fehlt jedoch inzwischen jegliche energiewirtschaftliche Notwendigkeit. Ferner wäre die Verbrennung der jetzt noch unter dem Dorf lagernden Kohle absolut unvereinbar mit der Einhaltung verbindlich zugesagter Klimaschutzziele.
Und – so durfte ich es vor Ort erleben – auch diese Erkenntnis eint Bleibewillige und Aktivist:innen: Einigkeit im Ringen um Klimaschutz und Gerechtigkeit.