Klimakleber, Friedensfreunde und Co.: Protest zwischen Aufruhr, Ohnmacht und Anpassung

Zwei Mütter aus der Klima-Initiative "Letzte Generation" bei einer Protestaktion im Naturkundemuseum. Foto: Stefan Müller / CC-BY-2.0

Soziale und ökologische Bewegungen erleben ein Rollback. Eine friedliche Welt ist ferner denn je. Was bringen provokante Aktionen? Unser Autor nennt Erfolgskriterien.

Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen? Längst nicht mehr einzuhalten. Eine Welt ohne Kriege? So weit entfernt wie schon lange nicht mehr. Die Schere zwischen Arm und Reich? Immer größer.

Neue Autobahnen statt der erhofften Verkehrswende, LNG-Terminals und billiger Industriestrom statt Einschränkung von Zement-, Aluminium- und Chemieproduktion. Und dann noch die Wahlerfolge der Rechtsradikalen. Woher soll noch Hoffnung kommen?

Das Rollback in Wirtschaft und Politik ist unübersehbar. Dabei war das vergangene Jahrzehnt mit neuen, wieder stärkeren Bewegungen und daraus resultierenden politischen Debatten ohnehin kaum von praktischen Fortschritten, sondern von aneinandergereihten Lippenbekenntnissen geprägt.

Letztere haben aber immerhin zu parlamentarischen Beschlüssen und Gerichtsurteilen geführt und es in viele Parteiprogramme geschafft – wenn auch danach wenig passierte. Inzwischen ändert sich aber sogar das propagandistische Klima.

Ganz offen bereitet die Politik die ihnen unterworfene Bevölkerung auf Kriege, stärkere soziale Einschnitte und eine einseitigere Förderung von Industrien mitsamt der ihnen dienenden Infrastruktur vor – selbstverständlich auf Kosten der Allgemeinheit.

Harter Kontrast zwischen Hoffnungen und Nachrichtenlage

Progressive Protestbewegungen, zumindest in Deutschland, aber ersichtlich auch darüber hinaus, verlieren sich derweil im Klein-Klein. Der Kontrast zwischen politischen Hoffnungen und Forderungen einerseits und dramatischen Berichten über Klimaveränderungen, Toten im Mittelmeer, mörderischen Kriegen, Hungersnöten und zunehmender sozialer Ungleichheit andererseits verschärft sich.

Um die immer stärker zu fühlende Ohnmacht zu kaschieren, setzen politisch Aktive, ob in lokalen Gruppen oder in den überregionalen, stark hauptamtlich geprägten Apparaten, auf Minimalforderungen, aktivistische Einzelaktionen und Begleitfolklore des Unabwendbaren in Form von Tagungen, Petitionen und papierfüllender Expertise.

Soweit Medien noch Themen aufgreifen, mutieren sie zu reinen Chronisten des Desasters, während Sorgen um Profite, nationales Interesse oder handlungsfähige Koalitionsregierungen die Hauptschlagzeilen füllen.

Woher können in einer solchen Lage ausreichend starke Impulse kommen, damit sich doch etwas bewegt in eine emanzipatorische, menschenwürdige und umweltverträgliche Zukunft?

Braucht es einen längeren Atem, oder lassen sich aus den vielen Erfahrungen des häufigen Scheiterns und den doch vorhandenen, wenn auch oft kleinen Fortschritten Erfahrungswerte ableiten, wie politische Engagement mehr Wirkung entfalten kann?

Dass Scheitern kein Naturgesetz ist, beweisen solchen Aktionskampagnen, die nicht nur Kleinigkeiten veränderten oder das Tempo der Verschlechterung verringerten. Ein auffälliges Beispiel im beginnenden 21. Jahrhundert war der Kampf gegen die Ausbringung gentechnisch veränderter Organismen in der Landschaft.

In Deutschland kam es zu einer großen Vielfalt sehr unterschiedlicher Aktivitäten, zu denen auch drei jeweils mehrfach praktizierte, provokante Aktionsformen gehörten: Die "Feldbefreiung" als Zerstörung gentechnisch veränderter Pflanzen nach der Aussaat, die Feldbesetzung als Blockade vor oder während der Aussaat und die Störung von Veranstaltungen, zum Beispiel der Konzern-Hauptversammlungen, Lobbytreffen oder von Messen.

Beispiele für wirkungsvolle Kampagnen

Nachdem sich Anzahl und Größe der Felder von 2004 bis 2008 deutlich ausgedehnt hatten, wurden sie danach Stück für Stück zurückgedrängt, bis schließlich im Jahr 2011 die letzten verbliebenen, kommerziellen Felder und im Jahr 2012 sogar ein von der Polizei als Falle angelegter Acker zerstört wurden.

Ein gutes Beispiel ist auch der Kampf gegen die Kohleverstromung mit seinen provokanten Wald-, Dorf- und Baggerbesetzungen. Weitere ließen sich aufzählen, sowohl überregionale bis internationale Aktionen als auch lokale Projekte und Kampagnen. Sie stellen innerhalb politischer Bewegung zwar die Minderheit dar, aber es gibt sie. Sie zeigen, dass politischer Erfolg möglich ist.

Was brachte solchen Kampagnen oder lokalen Projekten diese ungewöhnliche Wirkungsmacht? Eines ist es nicht: Die erfolgreichen Aktionen verfügen selten über große oder gar überlegene Ressourcen.

Eher scheinen Hauptamtlichen-Apparate und hohes Spendenaufkommen einer kreativ-wirkungsvollen Art politischer Intervention im Weg zu stehen. Der Verdacht liegt nahe, dass der Erhalt solcher Privilegien den Mut zum Risiko überwiegt, und sich Organisationen mit großen personellen und materiellen Ressourcen vorsichtiger, damit aber auch wirkungsärmer bewegen.

Eine genauere Betrachtung der Abläufe zeigt: Die Erfolge waren kein Zufallsprodukt, auch wenn glückliche Momente, zufällig erscheinende mediale Effekte und nicht kalkulierbare Fehler der Gegenseite nur sehr begrenzt den Akteur:innen zugerechnet werden können.