Klimakleber, Friedensfreunde und Co.: Protest zwischen Aufruhr, Ohnmacht und Anpassung
Seite 2: Fünf Erfolgskriterien – erstens: Aufmerksamkeit erregen
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- Fünf Erfolgskriterien – erstens: Aufmerksamkeit erregen
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Dennoch lassen sich fünf Erfolgskriterien feststellen, die über die Wirkungsmacht von Aktionen und Kampagnen entscheiden. Das erste dürfte dabei wenig überraschen: Eine Aktion muss Aufmerksamkeit erzielen. Es nützt der beste Inhalt oder die präziseste Vorbereitung nichts, wenn kein Mensch von der Aktion erfährt oder sie wahrnimmt.
Es braucht also eine oder mehrere Interventionen in gesellschaftliche Abläufe, die auffallen. Der "Letzten Generation" – im Volksmund "Klimakleber" – ist das in den letzten Monaten vielfach gelungen. Und auch in der Vergangenheit wurde das vielfach geschafft. Dennoch erscheint dieser Punkt nur selbstverständlich. Tatsächlich verzichten politische Akteur:innen seltsam oft auf öffentliche Wahrnehmung.
Manch nächtliche Sabotage blieb das Geheimnis der Ausführenden und der direkt Getroffenen. Viele "Latschdemos" in menschenleeren Industriegebieten oder am Wochenende vor Regierungsgebäuden zeugen von mangelndem Interesse, außerhalb der eigenen Blase und geladener Medien überhaupt wahrgenommen zu werden.
Gute Vermittelbarkeit der Argumente
Andererseits hilft eine deutlich wahrgenommene Aktion wenig, wenn sich mit ihr keine oder nur zurückhaltende Inhalte verknüpfen. Eine gute Vermittlung von anspruchsvollen Inhalten, also von Kritik, Forderungen oder Zielen, ist daher der zweite wichtige Punkt bei Planung und Durchführung von Kampagnen insgesamt und provokanten Aktionen im Speziellen.
Die Argumentation darf nicht zu akademisch und abgehoben wirken; die Angesprochenen müssen verstehen, was die jeweilige Forderung mit ihrer Lebensrealität oder in absehbarer Zeit zu tun haben könnte.
Zielgenaue Auswahl von Ort und Methode
Die wiederum, das ist die dritte Anforderung an niveauvolle Aktionen, fällt leichter, wenn die Intervention zielgenau erfolgt, also die Auswahl von Ort und Methodik zum Ziel passt. In beiden Punkten hat, um beim Beispiel zu bleiben, die "Letzte Generation" viele Chancen liegen gelassen und letztlich vor allem dadurch den eigenen Erfolg selbst verhindert.
Straßen vollständig zu blockieren, erzeugte fraglos hohe Aufmerksamkeit. Dann aber einen nebulösen Gesellschaftsrat und damit eine zur selbst ständig beschworenen Klimakatastrophe seltsam kontrastrierende Verschiebung konkreter Handlungen zu fordern, passt einfach nicht.
Die Aktionen der "Letzten Generation" waren meist von der Aktionsform her stark, vom Inhalt her aber schwach. Genau das macht sie wenig anschlussfähig. Da der Inhalt fehlt oder nicht überzeugt, wird über die Aktionsform geredet – ein gefundenes Fressen für alle, die die Letzte Generation diffamieren wollen.
Die anfänglichen Straßenblockaden für den Stopp der Lebensmittelverschwendung waren zudem wenig zielgenau, so dass auch kein positiver Effekt durch die Verknüpfung von Aktionsort und Forderung entstand.
Vermittlung von Zusammenhängen
Das vierte Qualitätskriterium für gelungene Aktionen und Kampagnen ist nicht immer zu erreichen, wäre aber wertvoll. Denn fast immer ranken sich politische Auseinandersetzungen um konkrete Missstände oder Einzelforderungen, obwohl allen Beteiligten klar ist, dass diese nur Ausdrucksformen grundsätzlicherer Fehlentwicklungen sind – meist der einseitigen Orientierung auf den Ausbau von Profit oder Macht.
Es würde Aktionen wertvoller machen, wenn es gelingt, diesen Hintergrund mit zu vermitteln, ohne die konkreten Forderungen damit zu überdecken, weil sonst wiederum die Anschlussfähigkeit der Aktion verringert würde.
Einbettung in eine politische Kampagne
Bleibt das fünfte Kriterium: Kaum eine Aktion erzeugt allein so viel politischen Druck oder gesellschaftliche Akzeptanz, dass dadurch ein Wandel erfolgt. Es braucht in der Regel einer Kampagne aus verschiedenen Aktionen unterschiedlicher Methodik.
Provokante Aktionen brauchen die Einbettung in weitere und andere Aktionsformen, um ihre Wirkung zu entfalten. Oder anders gesagt: Provokante Aktion ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.
Soweit die Qualitätskriterien für die Aktion selbst. Hinzu kommen organisatorische Qualitäten, die vor allem die langfristige Handlungsfähigkeit politischer Gruppen und Bewegungen sichern. Die Beteiligten sollen gestärkt aus der Aktion herausgehen, eigenes Wissen und Erfahrung sammeln, zudem Kompetenz für eigene Projekte aufbauen.
Dann können aus wellenförmigen Kampagnen, die groß werden und wieder verschwinden, langfristige Engagements wachsen.
Schließlich kommt noch der Frage eine Bedeutung zu, was aus einer druckvollen Bewegung denn wird, wenn sie an ihr Ende kommt – sei es, weil sie ihre Forderungen durchsetzen kann, oder weil sie realisiert, dass sie es nicht schaffen wird. Leider sterben die meisten Kampagnen, Gruppen oder Bewegungen einfach lautlos ab, mitunter bleibt ein abgehobener, spenden- oder fördermittelfinanzierter Hauptamtlichen-Apparat übrig.
Damit das schöpferische und vorantreibende Potential politischen Engagements nicht einfach verschwindet, macht es Sinn, politische Projekte bewusst zu beenden und zu transformieren in neue Organisierungsformen und Themenkampagnen. Das gilt auch für formalisierte Strukturen mit ihren oft bürokratischen Gremien und Strukturen.
Was hingegen keine wichtige Rolle spielte, sind die Gewalt- und die Legalitätsfrage. Dabei sind es diese beiden Themen, über die in politischen Bewegungen am meisten diskutiert und gestritten wird. Diese Bedeutung steht ihnen offensichtlich aber nicht zu.
Aktionen und Kampagnen können wirkungsvoll sein unabhängig davon, ob auch illegale oder auch militante Aktionsformen Bestandteil der Vielfalt ihrer Handlungsformen sind.