Klimakonferenzen - die Konzile des 21. Jahrhunderts

Seite 2: Zivilisationskritik ersetzt Kritik an der kapitalistischen Verwertung

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Der perfekte Ausdruck dieser politischen Regression ist der Erfolg der Grünen in Deutschland aber auch in anderen europäischen Nachbarländern wie in Holland. Wenn man schon Politiker zum Handeln aufruft, dann hat es eine innere Logik, die Fraktion der herrschenden Ordnung stark zu machen, die immer wieder beteuern, sie wären sofort zum Handeln bereit.

So sind die Grünen die parlamentarische Fortsetzung der Deutschen Umwelthilfe. Eine Partei, die den Erhalt des Status Quo mit ökologischer Verpackung verspricht, liegt dann nah am Zeitgeist. Wie stark diese Art des Klimadiskurses sich auf andere Themen ausbreitet und selbst kritischere Geister nicht verschont, zeigt ein Aufsatz des an der Münchner Universität lehrenden Soziologen Stephan Lessenich in der Taz, in dem er die Festung Europa mit Recht kritisiert. Doch schon in der Einleitung wird deutlich, dass sich um eine reine Zivilisationskritik handelt.

"Wir Europäer sind stolz auf unsere Zivilisation. Gleichzeitig tun wir so, als ginge uns das Elend der Welt nichts an und schauen weg!", heißt es in der Einleitung. Da kennt auch der Soziologe Lessenich keine Spaltung in Klassen und Geschlecht, sondern nur noch Europäer. So bleibt nur die Moralpredigt:

Damit wir unsere Ruhe haben. Denn es ist ja so: Wir wollen nicht gestört werden. Wir wollen schlicht so weitermachen wie bisher. Wir wollen, dass in akademischen Diskussionen mit elaboriertem Code über das "gute Leben" räsoniert wird, während in krawalligen Talkshowdebatten Woche für Woche die "Grenzen der Belastung" tiefer gelegt werden.

Derweil wir Neoliberalismusgeplagten über den stetig steigenden Arbeitsstress klagen und ganz widerständig, unter kreativer Nutzung der Brückentage, den wohlverdienten Urlaub planen. Gern in einem jener Länder, in denen diejenigen zurückgehalten werden, die uns daheim, nach unserer Rückkehr in die Alltagsmühle, bitte schön nicht das Leben vermiesen sollen.

Stephan Lessenich

Da gibt es keine Macht- und Klassenverhältnisse mehr, sondern nur noch Menschen, die ihre Ruhe haben wollen und sich das Leben nicht vermiesen lassen wollen. Kapitalismus- und Machtkritik wird ersetzt durch Klagen über Gleichgültigkeit und Beziehungslosigkeit der Menschen.

Selbst wo Lessenich kritisiert, dass für den deutschen Arbeitsmacht Arbeitskräfte aus den gleichen Ländern angeworben werden, in die Migranten abgeschoben werden, kommt er nicht darauf, dass hier nach kapitalistischen Verwertungskriterien agiert wird. Dass der Mensch in einer Wolfsgesellschaft nicht als Lamm leben kann, wusste noch Berthold Brecht.

Daher hielt er wenig von der Klage über einen Moralverfall in der Gesellschaft. Er kritisierte vielmehr die Verfasstheit dieser Gesellschaft. Zumindest durch ihr praktisches Handeln stehen auch die Besetzer des Hambacher Forstes in dieser Tradition. Damit machen sie deutlich, dass es noch Menschen gibt, die weder durch Klimakongresse noch die Deutsche Umwelthilfe gerettet werden wollen, sondern sich an der Devise orientieren, dass für eine Klimaverbesserung die Gesellschaft geändert werden muss.

Peter Nowak