Klimaschutz, adé! Wie Großbritannien sich erneut dem Erdöl zuwendet
Die britische Regierung vollzieht beim Klimaschutz eine Kehrtwende. Bevölkerung soll vor inakzeptablen Kosten bewahrt werden. Warum das ein Trugschluss sein könnte.
Für die Bundesregierung in Berlin ist der Klimaschutz eine Herzensangelegenheit. Knapp 1.100 Kilometer weiter westlich, in London, hat man nun beschlossen, beim Klimaschutz einen Gang herunterzuschalten.
Ausdruck dieser Politik ist, dass die britische Regierung am Mittwoch grünes Licht für eines der größten neuen Öl- und Gasprojekte seit Jahren gegeben hat. Es geht um das Rosebank-Feld westlich der Shetlandinseln. Der norwegische Energiekonzern Equinor will es 2026/27 in Betrieb nehmen.
Klimaschutz spielt bei diesem Projekt nur an einer Stelle eine Rolle: bei der Förderung. Diese soll elektrifiziert werden, was laut Equinor frühestens ab 2030 möglich ist. Die britische Ministerin für Energiesicherheit, Claire Coutinho, lobte dies laut Reuters und betonte: Rosebank wird weniger emissionsintensiv sein als ältere Öl- und Gasprojekte.
Es versteht sich von selbst, dass dieses Projekt bei Umweltschützern Entsetzen auslöste. Dabei hatte der britische Premierminister Rishi Sunak erst kürzlich betont, dass er in seinem Land noch eine Zukunft für fossile Energieträger sehe. Noch im Jahr 2050 würden Öl und Gas zum heimischen Energiemix gehören, sagte er.
Offiziell hält er zwar an dem Ziel fest, Großbritannien bis 2050 klimaneutral zu machen. Das Land könne es sich aber leisten, auf dem Weg dorthin langsamer zu werden. Schließlich sei man "anderen Ländern in der Welt so weit voraus", erklärte er vergangene Woche.
Im Jahr 2021 betrug der Ausstoß von Kohlendioxid pro Kopf 5,15 Tonnen. Damit schnitt Großbritannien deutlich besser als Deutschland ab, wo der CO₂-Ausstoß pro Kopf bei 8,1 Tonnen lag. Aber der Ausstoß die Briten lag noch immer über dem weltweiten Durchschnittswert.
Im März hatte Carbon Brief lobend hervorgehoben, dass der Kohleverbrauch in Großbritannien deutlich zurückgehe. Die Nachfrage sei 2022 erstmals niedriger gewesen als 1757.
Dagegen stiegen die Emissionen aus Erdöl wieder an. Der Straßenverkehr sei wieder so stark wie vor der Coronapandemie. Und der Flugverkehr habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.
Der Rückgang der Gesamtemissionen sei jedoch auf das warme Wetter zurückzuführen. Sie wären 2022 angestiegen, wenn die Temperaturen nicht 0,9 °C über dem Durchschnitt gelegen hätten – und wenn nicht auch Wind- und Solarenergie stark zugenommen hätten.
Die Analyse von Carbon Brief hält schließlich fest, "dass nur ein Bruchteil der Emissionssenkungen des letzten Jahres auf bewusste Maßnahmen zurückzuführen ist". Wenn das Klimaziel für 2050 eingehalten werden soll, müssten die Emissionen von Gebäuden, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft weiter reduziert werden.
Doch Sunak schreckt davor zurück und nennt soziale Gründe. Er wolle die "inakzeptablen Kosten" der Energiewende für die britischen Haushalte mildern. Deshalb verschob er das Aus für Benzin- und Dieselautos von 2030 auf 2035. Er wolle auch keinen Haushalt zwingen, seine Isolierung zu verbessern, sagte er. Wärmepumpen wolle er aber weiter fördern.
Frühere Regierungen hätten sich auf das Netto-Null-Ziel festgelegt, ohne sich die Unterstützung der Öffentlichkeit zu sichern. Wenn man diesen Weg fortsetze, riskiere man, die britische Bevölkerung zu verlieren. Und deren Gegenreaktion könnte sich "gegen die allgemeine Mission selbst" richten.
Letztlich dürfte Sunaks Politik die Probleme nur in die Zukunft verschieben. Davor hatte laut Reuters auch ein Klimaberater der britischen Regierung im Juni gewarnt. Großbritannien tue zu wenig, um seine Ziele zu erreichen. Und das Rosebank-Feld zu erschließen, könnte das Land noch weiter davon entfernen, seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen.
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