Klonen als Mediencoup

Advanced Cell Technology will die ersten, nicht sehr erfolgreichen Versuche des therapeutischen Klonens von menschlichen Embryonen medienwirksam in Szene setzen

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Geschickt als Mediencoup inszeniert war die Meldung des Unternehmens Advanced Cell Technology (ACT) zweifellos. Gerade hatte man eine Vorankündigung eines Artikels in der renommierten Science für den 30.11. lancieren können, in dem es darum geht, dass geklonte Rinder oder zumindest diejenigen, die überlebt haben, durchaus normal zu sein scheinen, als man den nächsten Ballon am letzten Wochenende losgehen ließ: Man habe die ersten menschlichen Embryos klonen können.

Dass ACT nicht nur Tiere klont, sondern auch mit dem Klonen von menschlichen Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen experimentiert, ist schon des längeren bekannt (Ein Durchbruch kommt selten allein). ACT will angesichts der Diskussion über das Klonen von Menschen offenbar Fakten schaffen. Therapeutisches Klonen ist in den USA noch erlaubt, selbst Präsident Bush konnte sich dem Druck der Industrie, der Wissenschaftler und der Lobbygruppen nicht ganz entziehen und hat mit öffentlichen Geldern geförderte Forschung an bereits bestehenden Zelllinien zugelassen. Allerdings ist nicht sicher, ob dies auch so bleiben wird, da die Entscheidung des Senats noch aussteht - dank der Ereignisse vom 11. September.

Totipotente embryonale Stammzellen können sich zu allen Köperzellen entwickeln. Wer in diesem Bereich die entscheidenden ersten Schritte machen wird, darf, sofern sich Erfolg einstellt, auf einen gewaltigen Markt und steil steigende Aktienwerte hoffen. ACT verspricht nicht nur mögliche Therapien für Krankheiten durch Körperzellen, die aus geklonten Stammzellen kommen und daher nicht abgestoßen werden, sondern auch, dass die so gewonnen Zellen auch eine höhere Lebensdauer als die Körperzellen, mit deren Zellkernen sie geklont wurden (Jungbrunnen Klonen?). Die Heilung altersbedingter Krankheiten wäre in einer vergreisenden Gesellschaft natürlich ebenfalls ein vielversprechender Markt.

ACT verließ sich mit der Meldung nicht nur auf den Artikel in der neuen Fachzeitschrift für regenerative Medizin e-biomed, mit der sich die Branche ihre eigene Publikation geschaffen hat. Gleichzeitig veröffentlichte auch Scientific American einen populär geschriebenen Artikel der beteiligten Wissenschaftler. Beide Artikel sind für jeden im Internet frei und kostenlos zugänglich. Das ist dann gut, wenn eine größere Öffentlichkeit geschaffen werden soll.

Liest man etwas genauer, so wird deutlich, dass nur ein erster, wenn auch wahrscheinlich wichtiger Schritt geleistet wurde. Gelungen ist die Herstellung einiger geklonter menschlicher Embryos, aber sie bestanden nur aus wenigen Zellen. Von 71 entkernten Eizellen von 7 Spenderinnen, in die der Kern von Zellen anderer Spender eingeführt wurde, wurde nur ein Embryo 6 Zellen groß, bis er die Teilung nach 48 Stunden einstellte. Dabei handelte es sich um eines von 8 Eizellen, in die Cumuluszellen injiziert wurden. Bei den Versuchen, den Kern von Hautzellen einzuführen, gab es hingegen keine Erfolge. Ronald Green, der Vorsitzende des ethischen Beirats, spricht allerdings nicht gerne von Embryos, sondern bezeichnet diese lieber als "aktivierte Eizellen", um jede Vorstellung eines menschenähnlichen Wesens zu verhindern.

Die Spenderinnen der Eizellen wurden mit Zeitungsannoncen gesucht. Sie sollten anonym bleiben, zwischen 24 und 32 Jahren alt sein, mindestens ein "biologisches" Kind haben, psychologisch und körperlich fit sein und ihre Eizellen für den Dienst der Wissenschaft spenden (dass sie an möglichen Gewinnen beteiligt wurden, scheint eher unwahrscheinlich zu sein). 12 Frauen hatten die Ehre, von ACT auserwählt zu werden, die meisten angeblich auch keinerlei Interesse daran, dass "ihre Eizellen zur Erzeugung eines Kindes benutzt werden, das sie niemals sehen würden". Die Spender der Haut- und Cumuluszellen, aus denen der Zellkern entnommen wurde, waren hingegen unterschiedlichen Alters, manche auch krank, da beispielsweise Zuckerkranke ja zu den Nutznießern dieses Verfahrens zählen sollen.

Allerdings berichten die Wissenschaftler von ACT auch über einen anderen Erfolg, der allerdings nur für Frauen interessant ist. Dabei handelt es sich um Parthenogenese, also um die jungfräuliche Entstehung eines Embryos. Da die Verwendung von Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen wurden, noch sehr umstritten sei, hatte man versucht, auch Eizellen zur Teilung zu veranlassen, ohne dass diese befruchtet oder mit einem Zellkern aus einer anderen Zelle verschmolzen wurde. Eizellen verlieren erst relativ spät in der Entwicklung die Hälfte ihres genetischen Satzes, weswegen sie vor dieser Phase noch alle Gene enthalten. Von drei Spenderinnen wurden insgesamt 22 Eizellen entnommen und bestimmten Substanzen ausgesetzt, um ihre Teilung anzuregen. Sechs Eizellen wuchsen 5 Tage lang bis fast zum Stadium eines Blastozyten heran. Bei einem Blastozyten beginnen sich innere Zellen (Embryoblast) von äußeren Zellen zu unterscheiden. Aus den Embryoblasten können Stammzellen gewonnen werden. Bei den über Parthogenese erzeugten Embryos ließ allerdings kein Embryoblast erkennen, sie "erschienen" nur so, als seien sie Blastozyten, wie der Bericht einräumt. Es konnten also keine Stammzellen entnommen werden.

Zellgewebe, das von solchen jungfräulich erzeugten Embryos stammt, könnte nur Frauen dienen, denen Eizellen entnommen wurden. Allerdings gäbe es vielleicht auch die Möglichkeit, dies für Männer zu erreichen, wenn man zwei Zellkerne aus Samenzellen in eine entkernte Eizelle einfügt. Aber das ist eben noch ein wenig schwieriger.

Natürlich versichert man bei ACT, dass man keineswegs am reproduktiven Klonen interessiert sei. Gegenwärtig sei dies unerwünscht (man will sich also schon ein Tor offen lassen). Einziges Ziel sei es, lebensrettende Therapiemöglichkeiten für eine Vielzahl von Krankheiten zu entwickeln.