Knapp die Hälfte der 16- bis 18jährigen will weiter Hybrid- oder Fernunterricht
55 Prozent schätzen laut Jugend-Digitalstudie die Zeitersparnis durch Wegfall von Anfahrtswegen. Allerdings gibt es Bedenken wegen der Ablenkung zu Hause. Schlafforscher haben vielleicht eine bessere Idee
Wer sich mit unterschiedlichen Schlaftypen beschäftigt hat, wird nicht überrascht sein, dass fast die Hälfte der Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren es begrüßen würde, auch nach der Corona-Pandemie nicht jeden Werktag um acht Uhr morgens zum Präsenzunterricht antreten zu müssen. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent wäre dafür – das ergab jedenfalls die Jugend-Digitalstudie 2021 der Postbank, die an diesem Montag veröffentlicht wurde. Allerdings sahen auch 55 Prozent der Befragten einen Vorteil in der Zeitersparnis beim Wegfall der Anfahrtswege zur Schule oder Hochschule. Für 51 Prozent überwogen aber Nachteile wie häufige Ablenkung durch PC-Spiele oder Chats beim Digitalunterricht. Den Kontakt zu Mitschülerinnen und Mitschülern vermissten 45 Prozent.
Ausschließlich digital unterrichtet werden will nur eine Minderheit von 14 Prozent – 35 Prozent sprachen sich in der Umfrage für ein Hybridmodell, also den Wechsel zwischen digitalem und analogem Unterricht aus.
Schulsystem nur auf Schlaftyp "Lerche" zugeschnitten
Der frühe Unterrichtsbeginn dürfte ein wesentlicher Grund sein, warum nicht nur Jugendliche mit Mobbing-Erfahrungen weniger Präsenzunterricht wollen. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) fordert in diesem Punkt schon seit Jahren ein Umdenken, wie es zum Beispiel in Finnland stattgefunden hat. Der Kinder- und Jugendarzt Dr. Alfred Wiater vom DGSM-Vorstand hält neun Uhr für einen guten Zeitpunkt. In der Pubertät setze ein "Time-Shifting zum Spät-Typen" ein. Dementsprechend kämen viele Jugendliche unausgeschlafen zur Schule. Eine Studie der Universität Leipzig habe gezeigt, dass schon eine halbe Stunde weniger Schlaf die Leistungsfähigkeit in der Schule um 30 Prozent reduziere.
Jugendliche vom Schlaftyp "Lerche" – also diejenigen, deren Biorhythmus sie zu Frühaufstehern macht – sind daher in der Schule bei etwa gleichem IQ klar im Vorteil. Sie sind aber nicht in der Mehrheit. Es gibt etwa gleich viele "Eulen" – also das Gegenteil. Diese beiden Extreme unter den Schlaftypen sollen nach neueren Studien jeweils etwa 20 Prozent ausmachen – dazwischen gebe es rund 60 Prozent "Tauben“, so die Wissenschaftsautorin Barbara Knab. Sie widerspricht damit der weitverbreiteten Wahrnehmung, dass unter Jugendlichen die "Eulen" mit 70 bis 80 Prozent klar in der Mehrheit seien. Woher diese Wahrnehmung kommt, ist einfach zu erklären: Die Schule beginnt in Deutschland selbst für viele "Tauben" zu früh.
Durch die Postbank-Studie wurde aber auch erneut bestätigt, dass ein Verzicht auf Präsenzunterricht keine gute Idee wäre: Viele Bildungseinrichtungen waren technisch kaum auf den Fernunterricht vorbereitet. Ihre persönliche Ausstattung mit Arbeitsgeräten bewerteten die Jugendlichen im Schnitt mit der Note 2,1 – ihre Schulen und Hochschulen schnitten mit 3,1 eine ganze Schulnote schlechter ab.