Knüppel im Sack
Ein Porno-Scanner des hessischen Landeskriminalamts hilft Fahndern bei der Arbeit und verunsichert Provider und Rechenzentrenbetreiber.
Nach monatelangen Gerüchten ist es jetzt offiziell: Ein Diplominformatiker der Abteilung "Kommunikation und Information" des hessischen Landeskriminalamtes entwickelte in seiner Freizeit ein Softwareprogramm, das tier- und kinderpornographische Bilder auf Festplatten über einen automatischen Suchlauf unabhängig von deren Formaten anhand von "elektronischen Fingerabdrücken" findet. Angebliche Fehlerquote gleich Null. Der Abgleich von Prüfsummen und mittels des "Fingerabdrucks" eindeutig identifizierten Bildteilen findet mit Hilfe einer ständig aktualisierten BKA-Datenbank statt. In der Datenbank befinden sich bereits mehrere tausend Bilder, die die Fahnder auf ihrer Suche im Internet und auf beschlagnahmten Festplatten gefunden haben. Der "Fingerabdruck" wurden aufgrund von Bildstrukturen entwickelt, so daß auch einzelne Bildteile identifiziert werden können.
Anlaß für die Entwicklung, die jetzt für internationales Aufsehen sorgt: Die tägliche Suche nach Kinderpornographie im Internet war für die Cybercops zu mühsam und frustrierend. Jetzt soll das automatisierte Verfahren eine effiziente Überprüfung großer Datenbestände ermöglichen, die Einzelbildsichtungen sollen sich nun auf die nach dem Verlgeichslauf ausgegebenen Treffer beschränken. Auch Internetprovidern wird nun seitens des hessischen LKA nahegelegt, die Filtersoftware einzusetzen. Mit dem Programm "dürften die bisherigen Hauptargumente der Provider - die nicht verhältnismäßig zu leistende Kontrolle riesiger Datenmengen sowie die "uneingeschränkte Kommunikation" stehe Eingriffen in den Datenbestand entgegen - entkräftet sein", so das LKA in einer Pressemitteilung.
Beim Besitz und der Verbreitung von kinderpornographischen Dartellungen kennt der Gesetzgeber kein Erbarmen. Seit dem 23. Juli 1993 ist gemäß Paragraph 84 Abs. 3 StGB, die Verbreitung pornographischer Schriften, die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Mißbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben, strafbar.
Der LKA-Mitarbeiter hat nun zur kommerziellen Verwendung des Programms mit der Informatik und Consulting GmbH "Compass" eine Kooperation abgeschlossen. Unter dem Namen perkeo filescan (Programm zur Erkennung relevanter kinderpornografischer eindeutiger Objekte) wird die Software in verschiedenen Preiskategorien vermarktet und laufend verbessert. Die Firma erhält Zugang zur BKA-Datenbank, im Gegenzug werden alle mit der Suche nach illegaler Pornographie befaßten deutschen Behörden kostenlos mit dem Programm ausgestattet.
Seitdem Ex-Compuserve-Geschäftsführer Felix Somm wegen Verbreitung pornographischer und gewaltverherrlichender Schriften angeklagt wurde sowie zahlreiche Provider und Hoschulen durchsucht wurden, fürchten Firmenchefs und Webadministratoren mit einem Bein auf der Anklagebank zu stehen. Laut Mediendienste-Staatsvertrag und dem Informations- und Kommunikationsgesetz (§5 Teledienstegesetz) muß ein Provider jedoch nur auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden bzw. sobald er "Kenntnis erlangt" rechtswidrige Inhalte von Newsgroups löschen oder den Zugang zu illegalen Websites sperren - soweit dies "technisch zumutbar" ist.
Eine Marktlücke für das aufstrebende Unternehmen aus dem hessischen Hofheim? Für Compass-Mitarbeiter Peter Bublitz keine Frage: "Wenn das LKA in der Lage ist, Kinderpornographie im Internet zu identifizieren, sollte es auch die private Wirtschaft sein".
Damit steht nun Providern ins Haus, was der Internet Medienrat schon vor Monaten befürchtete. In einer Machbarkeitsstudie für Sperrungen von Web-Adressen waren mehrere Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, daß Sperrungen von inkriminierten Webangeboten technisch "problematisch", datenschutzrechtlich "nicht tragbar" und möglicherweise "rechtswidrig" sind. Die LKA-Software ist zwar keine Blockiersoftware, doch hilft sie immerhin, in einem gesetzlich vorgeschriebenen, "technisch machbaren" Rahmen illegale Inhalte aufzuspüren. Die Konsequenz: Provider müssen den Zugang zu den inkriminierten Seiten sperren, Rechenzentren die Festplatten von Schmuddelkram reinigen. Immerhin sollen sich gerade auf öffentlich zugänglichen Hochschulrechnern illegale Inhalte stapeln. Bei einem Probelauf der Scansoftware in einer hessischen Fachhochschule wurden rund 50 Prozent der Festplatte als illegal identifiziert - für die Betreiber ein Alptraum.
Die Strafverfolgungsbehörden setzen jetzt auf eine freiwillige Selbstkontrolle von Providern und Rechenzentrenbetreibern. Der Einsatz des Porno-Scanners könne unangenehme Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen vorbeugen, empfiehlt ein Mitarbeiter des hessischen Landeskriminalamts den Verunsicherten. Die Provider zeigen sich bereits über die Frage, ob man die Software einsetzen sollte, uneins. Michael Schneider, Anwalt des Electronic Commerce Forum (eco) und Mitglied des Internet Medienrats hält die Rechtslage jedoch für eindeutig: "Provider müssen die Software nicht einsetzen." Wenn die Polizei die Software einsetze, sei dies in Ordnung, nicht jedoch bei den Providern vor Ort. "Die Provider sollten nicht zu Hilfssheriffs werden," so Schneider. Die Deutsche Telekom ließ hingegen verlauten, daß sie ein entsprechendes Angebot sorgfältig prüfen werde. Nach Angaben von Compass-Mitarbeiter Bublitz sind bereits Verhandlungen mit interessierten Providern im Gange, unter anderem mit der Telekom.
Auf großes Interesse stieß das Programm auch bei internationalen Polizeiorganisationen, als es anläßlich der Arbeitstagung "Crime against Minors" in Budapest unter anderen dem FBI, Interpol und Scotland Yard vorgestellt wurde. Der Bedarf an der einschlägigen Scansoftware wächst exponentiell, das Geschäft scheint vielversprechend. Nach Angaben des Wiesbadener LKA stieg in Deutschland die Anzahl der polizeilich bekannt gewordenen Delikte von 32 im Jahre 1996 auf 104 in den ersten drei Quartalen des Jahres 1997. Nicht zuletzt ist dies jedoch auf die Erfolge aufgrund des Software-Einsatzes zurückzuführen. Fast täglich finden daher in Hessen Hausdurchsuchungen statt. Im nächsten Jahr soll die Scansoftware auf jugendschutzrelevante Belange erweitert werden. Spätestens dann sind die Provider mit im Spiel.