Koalitionsvertrag: Artenschutz für Kohle

Bild: Deutsche Umwelthilfe

Die Energie- und Klimawochenschau: Konservative torpedieren Warschauer Klimaverhandlungen, und die sich anbahnende Einigung zwischen Union und SPD verspricht deutlich mehr Schatten als Licht

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In Warschau ist am Wochenende die diesjährige UN-Klimakonferenz zu Ende gegangen. Wieder einmal wurde reichlich überzogen, weil sich die 195 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention – 194 Staaten und die EU – nicht einigen konnten. Um über 24 Stunden wurde überzogen, was ein neuer Rekord sein dürfte. Heraus kam schließlich ein hauchdünner Kompromiss.

Immerhin soll bis zur nächsten Konferenz in einem Jahr endlich ein Vertragsentwurf vorliegen, heißt es in einer Zusammenfassung der Nachrichtenagentur AFP. Das wird auch Zeit, wenn ein Jahr darauf der Text schon unterschrieben werden soll. Bis März 2015 haben die Parteien Zeit, Vorschläge für ihren Beitrag, das heißt, ihre Reduktionsziele vorzulegen, die dann in den Vertrag einfließen sollen.

Ohne jeden Fortschritt blieben die Verhandlungen über den Klimafonds. Hier gab es nur unverbindliche Appelle an die Industriestaaten, ihren Beitrag zu erhöhen. Faktisch gibt es seit mehreren Jahren die Vorgabe, dass der Fonds ab 2020 mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich gefüllt werden soll. Bisher fließen die Gelder allerdings nur sehr spärlich und es ist vollkommen unklar, wer wann wie viel zahlen wird.

Die Entwicklungsländer hatten in Warschau hartnäckig, aber vergeblich gefordert, dass endlich ein Zeitplan für das Erreichen des Ziels aufgestellt wird. Aus dem Fonds sollen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in Entwicklungsländern sowie eine Unterstützung für die Einführung energiesparender Technik und erneuerbarer Energieträger finanziert werden.

Konservative Blockaden

Ebenfalls wenig Fortschritt gab es in der Frage "Loss and Damage" (Schäden und Verluste). Hier wurde lediglich ein Expertenkreis eingerichtet, der weitere Empfehlungen ausarbeiten soll. Im Prinzip geht es bei diesen Fragen um Entschädigung. Dahinter steckt die Einsicht, gegen die sich einige Regierungen mit Händen und Füßen wehren, dass die größten Schäden – insbesondere relativ zur Wirtschaftsleistung gesehen – durch den Klimawandel oft in den ärmsten Ländern auftreten, die am wenigsten zum Problem beigetragen haben.

Auffällig war, dass sich vor allem einige rechte und konservative Regierungen zum Teil regelrecht destruktiv verhalten haben. Polen lud zum Beispiel die internationale Kohlelobby während der Konferenz nach Warschau ein und ließ sie im Wirtschaftsministerium tagen. Japan widerrief sein Klimaschutzprogramm. Statt die Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 75 Prozent des Niveaus von 1990 zu drücken, strebt man jetzt 103 Prozent an, also eine weitere, wenn auch leichte Steigerung. Und Norwegen und Australien sprengten in der Nacht zum Mittwoch letzter Woche die Verhandlungen über "Loss and Damage", indem sie in letzter Minute einen Text blockierten, der in den anderthalb Wochen zuvor mühsam ausgehandelt worden war.

Allgemeinplätze

Ein derartiges Verhalten war offensichtlich darauf angelegt, die Entwicklungsländer zu provozieren. Denen ist, wie Indiens Umweltministerin Jayanthi Natarajan betonte das Thema "Gerechtigkeit" eine besonders wichtiges Anliegen. Die EU und die USA drängen hingegen darauf, die in der Konvention getroffene Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländer aufzuheben.

Auch der deutsche Umweltminister Peter Altmaier zeigte wenig Interesse daran, die Verhandlungen voran zu bringen. Ihm war Warschau lediglich eine kurze Stippvisite wert. Nicht einmal einen Tag hielt es ihn. Antje von Broock, Klimaexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), beklagte sich im Gespräch mit Telepolis über den Minister. Hätte er in Warschau angekündigt, Deutschland trete für ein 40-Prozent-Ziel der EU bis 2030 ein, hätte er den Gesprächen einen Schub geben können. Der BUND wisse aus Brüssel, dass viele EU-Mitglieder auf ein entsprechendes Zeichen Berlins warten. Doch obwohl sich die künftige Koalition offensichtlich bereits in dieser Frage einig ist (siehe unten), begnügte sich Altmaier nur mit nichtssagenden Allgemeinplätzen.

Union und SPD auf Abwegen

Derweil liegt inzwischen ein Entwurf des Koalitionsvertrages von Union und SPD vor, der zehn von 177 Seiten dem Thema Energiewende widmet. Immerhin wird das bereits von der letzten großen Koalition formulierte Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren, bekräftigt. Allerdings fehlt es bisher an einem Fahrplan, wie diese Reduktion auch tatsächlich erreicht werden kann. In den letzten Jahren hat Deutschland sich, wie die Grafik zeigt, relativ weit von dem Pfad entfernt, der bei stetiger Abnahme zu diesem Ziel führen würde.

In der EU will sich die Koalition in spe dafür einsetzen, dass sich der Staatenbund auf ein gemeinsames "ambitioniertes" Reduktionsziel für 2030 festlegt. Um 40 Prozent soll, so der Vorschlag, der Treibhausgasausstoß gemessen am 1990er Niveau vermindert werden. Das wäre angesichts der sehr schleppenden Fortschritte beim globalen Klimaschutz schon ein recht beachtliches Ziel. Vor allem könnten mit einer solchen Ankündigung die internationalen Verhandlungen einen neuen Schub bekommen, weil dieses Ziel weit über dem läge, was die USA oder Japan bisher angeboten haben.

Langfristziele

Für die Bundesrepublik wollen die künftigen Partner auch bereits für 2050 ein Ziel formulieren. Eine Minderung von 80 bis 95 Prozent wird vorgeschlagen. Das entspräche Emissionen von 60 bis 240 Millionen Tonnen CO2 oder 0,75 bis 3 Tonnen CO2, wenn man von 80 Millionen Einwohnern ausgeht. Wenn das globale Klima stabilisiert werden soll und man allen Menschen das gleiche Recht auf Emissionen zugesteht, sind drei Tonnen pro Person allerdings noch immer deutlich zu viel. Damit würde nämlich die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre noch immer weiter ansteigen.

Derzeit liegt der für die Atmosphäre verträgliche Wert bei etwa zwei Tonnen pro Person. So viel landet nämlich von den aktuellen Emissionen in der Biosphäre und den Ozeanen. Da aber einerseits die Weltbevölkerung weiter wächst und andererseits auch die CO2-Aufnahme durch die Weltmeere gravierende Folgen haben wird, nämlich deren Versauerung und damit die Bedrohung der Fischbestände, wird der verträgliche Emissionswert in den nächsten Jahrzehnten weiter absinken. Mit anderen Worten: Wenn Deutschland wirklich seinen Beitrag zur Stabilisierung des globalen Klimas beitragen will, sollte schon eher eine Reduktion von 95 Prozent bis 2050 angestrebt werden.

Und wie kommt man dahin? Von verschiedenen Umweltverbänden und auch Parteien wurde in letzter Zeit des Öfteren ein Klimaschutzgesetz gefordert, das die Ziele festschreibt. Auch ein Maßnahmenkatalog könnte gesetzlich verankert werden. Besonders interessant wäre etwa ein gesetzlich fixierter Ausstieg aus der Kohle, wie ihn die Linkspartei für 2040 fordert und die letzte Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen sogar bis 2030. Derlei kam der sozialdemokratischen Verhandlungsdelegation natürlich nicht über die Lippen, aber immerhin besteht sie auf einem Klimaschutzgesetz, das von der Union abgelehnt wird. Der Punkt gehört im Vertragsentwurf noch zu den offenen Punkten, in dem die unterschiedlichen Positionen mit eckigen Klammern markiert sind.

Artenschutz für Kohle

Dafür sind sich die Fast-Koalitionäre einig, dass konventionelle Kraftwerke geschützt werden müssen: "(...) muss zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland der wirtschaftliche Betrieb notwendiger Kapazitäten konventioneller und flexibel einsetzbarer Kraftwerke in bezahlbarer Weise möglich bleiben", heißt es im Vertragsentwurf.

Das lässt natürlich noch einigen Interpretationsspielraum zu. Was ist ein flexibel einsatzbares Kraftwerk? Eigentlich insbesondere die Gaskraftwerke und sicherlich nicht die Braunkohlekraftwerke. Aber man muss wohl leider davon ausgehen, dass sowohl die Union als auch wichtige Landesverbände der SPD diese besonders klimaschädliche Industrie weiter protegieren wollen. Immerhin werden Braunkohlekraftwerke an anderer Stelle des Entwurfs neben Steinkohle- und Gaskraftwerken als unverzichtbar bezeichnet.

Auch für die industriellen Großverbraucher sind Braunkohlekraftwerke besonders interessant. Denn solange alle Folgekosten sozialisiert und der der Allgemeinheit gehörenden Rohstoff praktisch abgabenfrei privatisiert werden kann, ist der Braunkohlestrom fast konkurrenzlos billig. Nur die abgeschriebenen AKW können noch billiger liefern, denn auch deren tatsächliche und potenzielle Folgekosten – siehe Fukushima – werden sozialisiert.