Kobanê: IS-Dschihadisten verjagt
Kurdische YPG kontrollieren die Stadt. Baschar al-Assad beschwört vor den Gesprächen in Moskau die Einheit Syriens und die Legitimität seiner Regierung
Einige IS-Dschihadisten würden noch in den östlichen Außenbezirken Kobanês von kurdischen Kämpfern verfolgt, aber die YPG habe alle IS-Milizen aus der Stadt vertrieben und nun völlige Kontrolle über Kobanê, meldet AFP, gestützt auf Informationen von Rami Abdulrahman von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Kurdische Journalisten bestätigen die Meldung, wichtige strategische Erhebungen seien erobert, es gebe nur mehr kleinere Räumungsaktionen. Bereits gestern Abend veröffentlichte Rudaw ein Video, das die kurdische Flagge auf dem Mischtenur Hügel zeigt.
Der Mythos der Unbesiegbarkeit des IS sei gebrochen, heißt es vonseiten der Partei PYD. Die Kommandantin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), Meryem Kobane, spricht davon, dass in Kobanê die Angst, die der IS verbreitet, überwunden wurde. Sie glaubt, "dass der in Kobane stattfindende Kampf und die in Kobane gemachten Opfer die Renaissance des Nahen Ostens einleiten werden".
Zwar äußern beide Warnungen, dass die Gefahr noch nicht vorbei sei, dass sich IS-Milizen neu sammeln und formieren könnten und erneut angreifen, aber, wie ersichtlich, ist man vom Sieg überzeugt und misst ihm große Bedeutung bei. Die Dschihadisten vom IS antworteten mit Furcht-Propaganda: mit Videos von Enthauptungen von Peschmerga-Kämpfern, die auf sozialen Netzwerkseiten gestreut werden.
Al-Assad: USA nehmen den Kampf gegen den Terrorismus in Syrien nicht ernst
Beobachter, und dazu gehört auch Baschar al-Assad, fragen sich indessen, warum es so viele Monate, seit Herbst letzten Jahres gedauert hat, bis Kobanê von den IS-Milizen befreit wurde - trotz der Luftunterstützung der militärischen Supermacht USA. Mehr als drei Monate seien seit den Angriffen der IS auf Kobanê verstrichen, "und sie haben es noch immer nicht geschafft", sagt der syrische Präsident in einem Interview, das er am 20. Januar dem amerikanischen Magazin Foreign Affairs gegeben hat - das sich in voller Länge auch auf der Seite der syrischen Nachrichtenagentur Sana findet. Eine seiner zentralen Thesen, die er mit den Kämpfen um Kobanê vernanschaulicht, lautet: Die USA meinen es nicht ernst mit dem Kampf gegen den Terrorismus: "they’re not serious about fighting terrorism".
Dazu bräuchte es Bodentruppen, so Assad, und die einzigen, die dafür infrage kommen, wären seine Soldaten. Er wäre für eine solche Kooperation offen, signalisiert der syrische Präsident in einem Gespräch, das die heute beginnenden Gespräche in Moskau zum Anlass hat. Diesem Anlass entsprechend porträtiert sich Assad in allen Streitpunkten als offener Politiker. Obwohl er, was die Moskauer Gespräche anbelangt, nicht gerade optimistisch ist. Er bezeichnet sie lediglich als Vorgespräche.
Was nach den Vorgesprächen kommen soll, bleibt offen; feststeht dagegen, dass Assad sich als legitimer Regierungschef Syriens betrachtet, der keine ernsthaften Pläne von "Freunden der Bevölkerung Syriens" mehr fürchten muss, die eine Interimsregierung ohne seine Person durchsetzen könnten. Sein Hauptpunkt im Gespräch die von ihm bekannte Position: Natürlich ist er offen für Gespräche mit Oppositionellen, wobei er genau unterscheidet zwischen Terroristen, Rebellen und Oppositionellen. Nur müssten die Oppositionellen eine legitime Basis in der Bevölkerung über Abstimmungen vorweisen und politisch im Land tätig sein. Er akzeptiere keine Marionetten, die von außen ins Spiel gebracht werden. Die Unterstützung aus Iran und Russland stünde auf einem anderen Blatt, da gehe es um Zusammenarbeit.
"Warum scheitern Sie in jedem Krieg?"
Bereitschaft zu einer kooperativen, weniger feindseligen Vorgehensweise fordert al-Assad auch von den USA: Deren Regierung sollte ihn künftig fragen, wenn es um Lufteinsätze in Syrien geht, dafür brauche es seine Zustimmung. Sollten die USA tatsächlich eine Truppe von moderaten Milizen zusammenstellen, was Assad für eine "Fantasie" hält, so würden sie, sobald sie auf syrischem Boden operieren, als Kriegspartei abgesehen und angegriffen werden, stellt Assad klar und fügt dem Ganzen hinzu, dass er nicht verstehe, weshalb eine solch große Nation sich militärisch und politisch so schlecht anstelle.
You are the greatest power in the world now; you have too many things to disseminate around the world: knowledge, innovation, IT, with its positive repercussions. How can you be the best in these fields yet the worst in the political field? This is a contradiction. That is what I think the American people should analyze and question. Why do you fail in every war? You can create war, you can create problems, but you cannot solve any problem.
Assad fürchtet nicht um seine Position, dass ist dem Gespräch klar anzumerken, er bietet keine Konzessionen an, geschweige denn konkrete Eingeständnisse von Fehlern, auf die der amerikanische Interviewer vergebens drängt. Assad nennt die seiner Ansicht nach Schuldigen des Krieges, die Unterstützer der Terroristen und Rebellen, besonders auf Erdogan und Katar ist er schlecht zu sprechen, und hat als Antwort, wie der Krieg zu beenden sei, eine Aussage wie sie von einem emeritierten Geschichtsprofessor kommen könnte, der sich über die naive Frage amüsiert: "Alle Kriege irgendwo auf der Welt enden mit einer politischen Lösung, weil Krieg selbst keine Lösung ist."
Die politische Lösung gehe nur mit seiner Regierung, so Baschar al-Assad. Die Mehrheit der Syrer stünden hinter der Einheit des Staates, die mit seiner Regierung verknüpft ist. Damit trifft er einen wichtigen Punkt, den die "Freunde der Bevölkerung Syriens" unter der Führung der USA arrogant übergangen haben, aber der Staatschef könnte sich mit dieser Pauschalannahme auch täuschen - siehe Kobanê. Geht es nach Beobachtern Syriens, so gibt es auch in anderen, nicht von IS-Milizen besetzten, Regionen ebenfalls erstzunehmende Bestrebungen zur Selbstverwaltung. Manche der "Ministaaten", wie sie al-Assad bezeichnet, könnten eine längere Lebensdauer und Substanz haben, als er annimmt. Auch das ist offen.