Könnte Schwarzwälder Schinken auch aus Timbuktu kommen?

Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller mahnt Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ab

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"Schwarzwälder Schinken" ist eine "geschützte geografische Angabe" (g.g.A.) nach Artikel 2 Absatz 1 b der Verordnung Nr. 510/2006 des EU-Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Dies hat zur Folge, dass nicht jeder Anbieter seinen Schinken "Schwarzwälder Schinken" nennen darf. Allerdings sind die Kriterien dafür deutlich weniger streng als bei der "geschützten Ursprungsbezeichnung" (g.U.), bei der die komplette Produktion des Produkts in der namensgebenden Region vorgeschrieben ist.

Der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sind die Bedingungen für die g.g.A. zu lax. Sie kritisiert insbesondere, dass es "für den Ort der Tierhaltung und Schlachtung und somit für die Herkunft des Schinken-Fleisches keinerlei Vorgaben" gibt, obwohl die Bezeichnung nach Ansicht der NGO dem Verbraucher etwas anderes "suggeriert". Der Verein fordert deshalb eine "verbindliche Herkunftskennzeichnung für die Hauptzutaten aller Lebensmittel". Bei essbaren Waren, die mit "regionalen Aspekten" wie "Bollenhüten oder Schwarzwald-Trachten" als regionale Produkte beworben werden, sollen darüber hinaus "mindestens bundeslandgenau auch die Herkunftsregion genannt werden".

Roher Schinken unbekannter Herkunft. Foto: Rainer Zenz. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Um diese Forderung zu illustrieren, behauptete Foodwatch in einer Pressemitteilung vom 19. Januar 2013, Schwarzwälder Schinken könne "auch aus Timbuktu" kommen. 46 Tage später flatterte der Verbraucherschutzorganisation eine vom Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller in Auftrag gegebene Unterlassungserklärung ins Haus, in der sich Foodwatch unter Androhung einer Strafe verpflichten sollte, diese Aussage nicht weiter zu verbreiten.

Dass Schwarzwälder Schinken aus Timbuktu kommen könnte, ist insofern unwahrscheinlich, als es in dieser bis vor kurzem von Salafisten beherrschten Stadt seit den ersten Aufzeichnungen aus dem Mittelalter weder Berichte über Schweinezucht noch über den Export des im Islam verbotenen Nahrungsmittels gibt. Foodwatch sah nach Einholung von anwaltlichem Rat trotzdem keinen Anlass, die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Anlässlich des Krieges in Mali wertet man die Aussage zwar als "verunglückt", hält sie aber hinsichtlich der "intransparenten Herkunft des Schinkens" weiterhin für zutreffend.

Die Abmahnung betrachtet man deshalb als "Fortsetzung einer Verbrauchertäuschung mit juristischen Mitteln" und setzt in einer neuen Pressemitteilung noch ein paar Ortschaften drauf: "Anders als viele Verbraucher das erwarten mögen: Der Schinken, den sie am Ende als Schwarzwälder Schinken kaufen, darf von überall her kommen - ob aus Honolulu oder Buxtehude, aus Walla Walla oder Ouagadougou, aus Posemuckel oder aus Fuchs am Buckel" heißt es darin. Außerdem verweist Foodwatch darauf, dass dem der Schwarzwälder Schinkenhersteller unter anderem die Firma Abraham angehört, die das Fleisch für ihren Schwarzwälder Schinken angeblich vor allem aus Niedersachsen bezieht, von wo aus auch ein Teil der Verarbeitung und Vermarktung erfolgen soll.

Der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller war für Stellungnahmen dazu bislang nicht zu erreichen. Bei der Firma Abraham erklärt man, von der Abmahnung des Schutzverbandes keine Kenntnis gehabt zu haben. Hinsichtlich der Herkunft des Fleisches heißt es, der Schwarzwald sei schon seit vielen Jahrzehnten eine stark touristisch geprägte Region, in der die Schweinezucht (aufgrund ihrer Unverträglichkeit damit) nur mehr eine sehr geringe Rolle spiele. Der Bedarf nach Schwarzwälder Schinken könne deshalb sowohl bei Abraham als auch bei anderen Herstellern nicht aus der Region gedeckt werden, aus der nur ein kleiner Teil des verwendeten Fleisches stamme. Den Rest beziehe man aus ganz Deutschland.

Gesalzen, geräuchert und gereift werde der Schinken aber im Schwarzwald. In Niedersachsen erfolge lediglich das Aufschneiden des Produkts in Scheiben, das für die Qualität keine zentrale Rolle spiele und auch bei Stückschinken an der Supermarkttheke vor Ort geschehe.

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