"Kohle oder Atomkraft" – eine deutsche Geisterdebatte
Nicht einmal die AKW-Betreiber wollen längere Laufzeiten. Kohle? Dann lieber gleich auf den kompletten Umstieg setzen. Ein Kommentar.
Zumindest über eine Laufzeitverlängerung der drei noch bis zum Jahresende laufenden deutschen Atomkraftwerke "müssen wir reden", meinen jetzt auch Teile der Grünen und der SPD. FDP, CDU/CSU und natürlich die AfD plädieren gar grundsätzlich für längere Laufzeiten, sogar für einen Wiederbetrieb schon abgeschalteter AKW.
Bis zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 war auch ich Anhänger der Atomenergie. Danach habe ich gelernt, dass wir sicherere, preiswertere und umweltfreundlichere Alternativen haben, die wir als Geschenke der Natur sehen und nutzen können.
2022 können wir in Deutschland für drei bis vier Cent pro Kilowattstunde Solarstrom produzieren. Der Strom aus der Steckdose kostet inzwischen etwa das Zehnfache. Nichts ist so teuer wie Atomstrom, für dessen Müllentsorgung es auf der ganzen Welt kein einziges Endlager gibt. Aber längere Laufzeiten heißt natürlich auch noch mehr Atommüll. Ein bis jetzt unlösbares Problem, das wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wie so viele andere Probleme auch.
Doch der Umstieg wird noch dauern, meinen die Atomfreunde und empfehlen längere AKW-Übergangslaufzeiten als kleineres Übel zu Putins Gas und längeren Laufzeiten für schädliche Kohlekraft. Also vom Slogan "Atomkraft?– nein danke" zu "Atomkraft? – ja bitte"?
Einspruch: Einer der renommiertesten Solarforscher der Welt und langjähriger Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, Professor Eicke Weber, hat in meiner Zukunftssendung auf "Transparenz TV" gesagt: "Der Umstieg auf 100 Prozent erneuerbaren Strom ist bis 2030 in Deutschland möglich." Man muss es also nur wollen. Auch Eicke Weber sieht in AKWs eher einen Teil des Problems als einen Teil der Lösung.
Die Geisterdebatte um "Kohle oder Atomkraft"
Ich halte die aktuelle Diskussion "Kohle oder Atomkraft?" für eine Geisterdebatte. Selbst die AKW-Betreiber wollen keine längeren Laufzeiten, weil es zu teuer wird und sie sich längst auf den endgültigen Ausstieg eingestellt haben.
Jedes AKW bleibt auch nach dem 31. Dezember 2022 eine Gefahrenquelle, weil es ein "Restrisiko" enthält. "Atomares Restrisiko ist jenes Risiko, das uns jeden Tag den "Rest" geben kann." Das sagte mir der Chef der Aufräumarbeiten in Tschernobyl, Professor Wladimir Tschernousenko, vorher ein glühender Anhänger der Atomenergie in einem Fernsehinterview. Er wurde durch den Unfall verstrahlt und starb danach an Krebs.
In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland darf es bei der Sicherheit keine Kompromisse geben. Die Sicherheit der Bevölkerung vor einem Atomunfall wiegt schwerer als die Sicherheit der Stromversorgung.
Nicht nur Umweltverbände warnen vor längeren Laufzeiten. Das tut auch der Chef des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König. Er erinnert daran, dass seit 2009 keine Sicherheitstests mehr in den drei noch laufenden AKWs durchgeführt wurden und dass durch jeden Tag Weiterbetrieb mehr Atommüll anfällt, für den es noch Jahrzehnte keine Entsorgung gibt, die diesen Namen auch verdient.
Zudem hat Deutschland keine Stromlücke, sondern eine Wärmelücke, die kaum mit Atomstrom zu schließen ist. Auch die Leiterin der Abteilung Nukleare Sicherheit im Bundesamt, Mareike Rüffer, warnt vor einer Zunahme des Atommülls in Deutschland durch längere Laufzeiten.
Atomarer Klimaschutz?
Es ist schlauer, gleich auf den kompletten Umstieg zu setzen. Wir setzen auf unserem Hausdach in Baden-Baden seit 30 Jahren auf den Fusionsreaktor Sonne, der uns aus sicherer Entfernung von etwa 150 Millionen Kilometern preiswert, zuverlässig, sicher und per Speicher mit Strom und zum Teil auch mit Wärme versorgt.
Es reicht auch noch für kostenloses Fahren mit einem E-Auto. Jetzt müsste nur noch ein politischer Aktionsplan her, um diese Art der Energieversorgung größeren Teilen der Bevölkerung zu ermöglichen.
Der Reaktor Sonne schickt uns etwa 15.000 Mal mehr Energie als die gesamte Menschheit heute verbraucht. Es gibt von Natur aus kein Energieproblem, es gibt nur falsches Energieverhalten und vorgestrige Energiepolitik. Leider stehen in Deutschland 2022 noch 90 Prozent der Dächer energetisch völlig umsonst in der Gegend herum.
Aber die Franzosen betreiben doch weiterhin Atomkraftwerke. Leider wahr. Nur: Zurzeit sind zwei Drittel der französischen Kernkraftwerke stillgelegt, aus Sicherheitsgründen und wegen des Hitzesommers. Bei Hitze fehlt das Kühlwasser für die Reaktoren. Deshalb muss Frankreich zurzeit viel Strom aus Deutschland importieren. Unsere westlichen Nachbarn betreiben AKW, weil sie deren Abfall-Stoff zum Bau ihrer Atombomben brauchen. Diesen schrecklichen Zwang haben wir in Deutschland Gott sei Dank nicht.
Ein AKW emittiert zwar kein CO2, aber...
Doch das Kernproblem der Kernenergie ist die nukleare Verstrahlung über zehntausende Jahre oder noch länger. Der US-Atomphysiker Richard L. Garwin vor dem Nuclear Control Institute in Washington: "Ein durchschnittliches Atomkraftwerk produziert täglich so viel Radioaktivität wie vier Hiroshima-Atombomben." Täglich. Das hieße für die drei noch länger laufenden deutschen AKW: So viel Radioaktivität wie zwölf Hiroshima-Atombomben. Täglich.
Energiesparen, Energieeffizienz und rascher Umstieg auf die Erneuerbaren heißt die Lösung. Selbst die Biomasse erzeugte hierzulande in der ersten Hälfte des Jahres 2022 mehr Strom als die Atomenergie. Die Sonne und der Wind sowieso. Allein die Sonne schickt uns 15.000 Mal mehr Energie als die gesamte Menschheit heute verbraucht. Es gibt von Natur aus kein Energieproblem.
Das Problem ist einzig falsches menschliches Energieverhalten. Für mich ist jedes AKW ein Anschlag auf die Schöpfung.
Mehr von Franz Alt auf Sonnenseite.com.
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