Kohleausstieg: Massenhafter ziviler Ungehorsam

Seite 2: Tagebau stand still

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Das Ziel sei die Kohlebahn am Tagebau gewesen, die schließlich auch blockiert wurde. Einige Aktivisten hatten sich dabei an die Schienen angekettet. Auf dieser wird ausschließlich die Kohle aus den Tagebau in die nahe gelegenen RWE-Kraftwerke geschafft. Diese konnte schließlich länger als 24 Stunden blockiert werden, wodurch der Tagebaubetrieb zum Erliegen kam.

In einer bilanzierende Erklärung spricht die Kampagne von der größten Aktion zivilen Ungehorsams, die es bisher gegen den Braunkohleabbau und -nutzung gegeben habe. Das sei erst der Anfang gewesen so Henneberg gegenüber Telepolis. Im nächsten Jahr werde es weitere Aktionen geben, denn die Zeit dränge.

Die Kohlekommission hält krampfhaft an veralteten Energietechnologien fest. Sie will unsere Zukunft dem Gewinnstreben von Konzernen opfern. Mit unserer Aktion haben wir gezeigt: Damit wird sie nicht durchkommen! Die Mehrheit der Bevölkerung will jetzt sofort Kohlekraftwerke abschalten.

Karolina Drzewo, Sprecherin von Ende Gelände

Die Kampagne bat die Bauern in der Region für die auf ihren Feldern durch die Aktion entstandenen Schäden um Entschuldigung und kündigte an, finanzielle Entschädigung zahlen zu wollen.

Außerdem sei es nicht wahr, dass sich die Aktion gegen RWE-Mitarbeiter gerichtet habe. Vielmehr würden die RWE-Mitarbeiter darunter leiden, dass es die Verantwortlichen in den Landes- und Bundesregierungen seit Jahren versäumt hätten, in den strukturschwachen Kohle-Regionen für zukunftsfähige Alternativen zu sorgen.

Der Polizei warf der Kampagne, das Wochenende resümierend, die Verletzung von Grundrechten vor. Und die Einkesselung am Bahnhof in Düren am Freitag? Anscheinend war sie das Ergebnis einer Anweisung des NRW-Innenministers, die Demonstranten einzuschüchtern.

Alle Reisenden des Sonderzuges auf dem Weg zu einer angemeldeten Versammlung unter Generalverdacht zu stellen, ist eine neue Stufe von polizeilicher Willkür. Leider passen diese Maßnahmen in die Linie der NRW-Regierung. Wenn das geplante Polizeigesetz durchkommt, können wir der Unschuldsvermutung Adé sagen.

Karolina Drzewo

Außerdem sei es sowohl in Düren als auch in den Transporten von Festgenommenen und den für sie vorgesehenen Sammelstellen des öfteren vorgekommen, dass den Eingeschlossenen und Festgenommenen über viele Stunde Wasser verweigert wurde. Aktivisten, die am Sonntagnachmittag in einem Zug Richtung Sammelstelle transportiert wurden, hätten zum Beispiel sieben Stunden lang kein Essen und kein Trinkwasser erhalten.

Pressefreiheit missachtet

Die Nachrichtenplattform Bento berichtet von einem Fall massiver Behinderung der Pressefreiheit. Ihr Mitarbeiter Jannis Große sei zehn Stunden von der Polizei festgehalten worden und habe seinen Fotoapparat und die Speicherkarte abgeben müssen.

Im Interview mit seinem Kollegen erzählt der Betroffene, er habe einen "Finger" der Proteste zu einem Bagger begleitet, diesen selbst aber nicht betreten. Er habe sich dort gegenüber der Polizei mit Presse- und Personalausweis ausgewiesen, worauf ihm das Fotografieren mit der Begründung verboten worden sei, Hausfriedensbruch begangen zu haben.

Danach wurde er zusammen mit den Demonstranten eingekesselt und schließlich in eine Sammelstelle für Festgenommene gebracht. Seine Kamera wurde ihm abgenommen und am Montag, dem Zeitpunkt des Interviews, hatte er sie noch nicht zurück.

Offensichtlich war die Polizei nervös geworden, als er einige Fotos aus dem Kessel auf seinen Twitter-Account hochlud. Als Begründung wurde ihm gegenüber angegeben, Kamera und Bilder seien zur Beweissicherung beschlagnahmt.

Erniedrigender Umgang mit Festgenommenen

In der Sammelstelle sei er fotografiert worden und habe sich vollständig ausziehen müssen. Danach sei er acht Stunden zusammen mit 20 weiteren Personen in einen fünf mal fünf Meter großen Käfig gesperrt worden.

Er habe die Beamten immer wieder, auch bei einem Verhör durch Kripobeamte, darauf hingewiesen, dass er Journalist ist. Trotz mehrfacher Nachfragen sei ihm ein Protokoll über die Vorgänge verweigert worden.

Protest der Deutschen Journalisten Union

Offensichtlich hat es die Polizei in NRW nicht so mit der Pressefreiheit. Aber davon abgesehen, gibt der Vorgang auch einen Einblick, auf welch bewusst erniedrigende Art und Weise mit festgenommenen Menschen umgegangen wird.

Dass die Vergehen, die diesen vorgeworfen wurden, zudem ziemlich belanglos sind, wirft zusätzlich Fragen nach Verhältnismäßigkeit und den Umgang staatlicher Organe mit einem Protest auf, bei dem es um zentrale Weichenstellungen für die Zukunft geht.

Die Deutsche Journalisten Union (dju) in der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das Vorgehen der Polizei kritisiert und den Landesinnenminister dazu aufgefordert, die freie Berichterstattung bei solchen Aktionen zu ermöglichen

Artikel 5 des Grundgesetzes gilt auch im Hambacher Forst. Es ist Aufgabe der Polizei, das Grundrecht auf Presse- und Informationsfreiheit durchzusetzen, nicht, es zu behindern. Wir fordern die Polizei auf, die Kamera mitsamt den Speichermedien zurückzugeben und den Vorfall lückenlos aufzuklären.

Christof Büttner, Landesgeschäftsführer der dju NRW in ver.di

Die Öffentlichkeit müsse sich ein authentisches Bild von der Situation vor Ort machen können. Ohne die Arbeit der Medien sei ein politischer Diskurs nicht möglich. Das Vorgehen gegen Jannis Große sei nicht zu rechtfertigen.