Kohlekompromiss aufgekündigt
- Kohlekompromiss aufgekündigt
- Divestment als Hebel im Klimaschutz?
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Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Kohleausstiegsgesetz und Entschädigungen für fast nichts, den Sorgen der Offshore-Windenergiebranche und gesellschaftlichen Hebeln beim Klimaschutz
Am Mittwoch soll nun endlich das Kohleausstiegsgesetz im Bundeskabinett beschlossen werden. Dieses sollte auf dem in der "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" (auch Kohlekommission genannt) gefundenen Kompromiss beruhen. Doch der Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium sorgt nicht nur in der Klimabewegung, die den Kompromiss stets für unzureichend hielt, sondern auch bei ehemaligen Mitgliedern der Kommission selbst für Unmut.
"Mit der Bund-Kohleländer-Einigung zum Kohleausstieg vom 15. Januar 2020 sehen wir Buchstaben und Geist der in den Empfehlungen der KWSB erzielten Kompromisse vor allem mit Blick auf den Klimaschutz sowie den Umgang mit den vom Braunkohletagebau betroffenen Men-schen grob verletzt", schreiben sieben ehemalige Mitglieder der Kohlekommission in einer Stellungnahme vom 21. Januar. Sollte es keine Korrekturen geben, betrachteten sie den Kompromiss von Seiten von Bund und Ländern für aufgekündigt, heißt es in dem Schreiben der ehemaligen Vorsitzenden der Kommission Barbara Praetorius, sowie der Vertreter von Umweltverbänden und Inititaven Olaf Bandt, Antje Grothus, Martin Kaiser, Kai Niebert, Rainer Priggen und der Wissenschaftler Felix Christian Matthes und Hans-Joachim Schellnhuber.
Kritisiert wird der im Gesetz vorgesehene Ausstiegspfad, der nicht, wie im Kohlekompromiss vorgesehen stetig nach unten verläuft, sondern in mehreren Stufen, wobei die Abschaltung der Kraftwerke jeweils zum Ende, vor allem in den Jahren 2028/29 sowie 2038 erfolgt. Hätte der Pfad aus klimapolitischer Sicht ohnehin unterhalb des vereinbarten Werts liegen müssen, würden nach dem jetzigen Abschaltfahrplan 40 Millionen Tonnen zusätzlich emittiert.
Auch die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 verstößt klar gegen den Kompromiss, demzufolge keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz gehen sollen. Weiterhin wird kritisiert, dass weitere Dörfer abgebaggert werden sollen und dass kein Fahrplan für das Erreichen eines Erneuerbare-Energien-Anteils von 65 Prozent bis zum Jahr 2030 festgelegt wird.
Ein letzte Woche durch (soziale) Medien geisternder Plan, nach dem der Hambacher Forst quasi als Insel inmitten der Tagebaugrube Hambach erhalten bliebe, wurde von RWE dementiert. Allerdings heißt es in der Presseerklärung auch, dass durchaus östlich und westlich des Hambacher Forstes weitergebaggert werden müsse, um genügend Abraum für die Stabilisierung der Böschungen der Grube zu gewinnen. Auch der Ort Morschenich werde "nicht bergbaulich in Anspruch genommen". Sowohl die mögliche Insellage des Hambacher Forsts als auch das geplante Abbaggern von Morschenich und Manheim war in der Stellungnahme der Kohlekommissionsmitglieder kritisiert worden.
Milliardenentschädigung für geringe Einsparungen
Vorgesehen sind außerdem Entschädigungen in Höhe von 4,35 Milliarden Euro für die Kraftwerksbetreiber. 1,75 Milliarden würden auf die Betreiber der Braunkohlekraftwerke im Osten Deutschlands entfallen. Vor allem die Entschädigungen für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken der in der Lausitz operierenden LEAG erscheinen nach einer Analyse des Öko-Instituts als reines Geschenk.
Energieexperte Felix Matthes vom Öko-Institut, der auch in der Kohlekommission mitgearbeitet hat, hat in der Analyse die Stilllegungspfade der Kraftwerke in der Lausitz laut Kohleausstiegsgesetz mit dem ursprünglichen Businessplan der LEAG für diese Kraftwerke verglichen. Festzustellen ist, dass es zwar zu leichten Verschiebungen kommt - einige Kraftwerke würden nun ein paar Jahre früher stillgelegt, während andere sogar länger liefen, als im Businessplan vorgesehen -, dass sich aber die Gesamtmenge von CO2, die von den Lausitzer Kraftwerken noch ausgestoßen würde, kaum signifikant verringern würde. Statt wie geplant noch 867 Millionen Tonnen Braunkohle zu verbrennen, würden nach der Bund-Länder-Einigung noch 854 Millionen Tonnen Braunkohle verstromt, nur knapp 14 Millionen Tonnen würde also gespart.
"Für die Einordnung der Klimaschutzeffekte durch die Stilllegungen von Braunkohlekraftwerken im Lausitzer Revier, insbesondere aber für die möglichen (und vorgeblich nur für vorgezogene Außerbetriebnahmen bis 2030 vorgesehen) Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes von 1,75 Mrd. € sollten die genannten Sachverhalte dringend berücksichtigt werden", schreibt Matthes abschließend.
Anders als die ehemaligen Mitglieder der Kohlekommission sehen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Gewerkschaft verdi und die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) den Kohlekompromiss nicht für aufgekündigt an. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: "Die geplante Umsetzung des Berichtes durch die Bundesregierung entspricht in den wesentlichen Punkten den Ergebnissen der Kommission." Wohl in Bezug auf die Umweltverbände wird gesagt, der für die Versorgungssicherheit notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien würde "in vielen Fällen vor Ort auch von den Organisationen mit blockiert, die einen schnelleren Abschaltplan einfordern". Diese Einschätzung kann im Hinblick darauf, dass die Vorschläge zu neuen Abstandsregeln für die Windkraft von Seiten der Bundesregierung kamen, fragwürdig erscheinen.
Wenn davon die Rede ist, "dass das Kraftwerk Datteln nach einer Reparaturphase seinen Betrieb wiederaufnehmen soll", dann entspricht das jedoch keinesfalls den Tatsachen, da Datteln 4 sich bislang nie in regulärem Betrieb befand, dieser soll erst im Sommer 2020 aufgenommen werden.
Neue Ausbauziele für Offshore-Wind gefordert
Nach dem Einbruch der Ausbauzahlen der Windenergie an Land warnen Branchenverbände nun vor einer ähnlichen Entwicklung bei der Offshore-Windenergie. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 160 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 1111 Megawatt in Betrieb genommen. Die installierte Offshore-Gesamtkapazität beläuft sich damit auf 7512 Megawatt. Damit ist die gesetzlich vorgegebene Ausbaugrenze von 7,7 Gigawatt bis Ende 2020 fast erreicht.
Die Verbände (BWE, BWO, Stiftung Offshore-Windenergie, VDMA Power Systems und WAB) fordern nun eine Anhebung des Offshore-Ausbauziels für 2030 von derzeit 15 Gigawatt auf mindestens 20 Gigawatt, sowie langfristig auf 30 bis 35 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und über 50 Gigawatt bis 2050. In einem ersten Schritt solle die Bundesregierung freie Kapazitäten von 2 Gigawatt erneut vergeben, "um die Folgen der Ausbaulücke für die heimische Industrie abzufedern". Aufgrund langer Projektzyklen sei es außerdem schon jetzt notwendig, den Ausbau der Offshore-Windenergie für die Jahre 2035 bis 2050 zu planen.