Kolumbien gleich Afghanistan?

Im Rahmen ihres vermeintlichen Feldzuges gegen den Terrorismus scheinen es die USA nicht nur auf arabischen und asiatischen Raum abgesehen zu haben

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Während der vergangenen Wochen - im Schatten des Krieges gegen Afghanistan - rückte Kolumbien immer mehr in das Blickfeld der Bush-Regierung. Auf der jüngst veröffentlichten "Terrorliste" der US-Regierung finden sich die beiden kolumbianischen Guerillas FARC und ELN (Spanisch Englisch mehrsprachig, auch deutsch) sowie erstmals die rechtsextremen Paramilitärs der AUC.

Jede dieser Gruppen hat enorme Einnahmen aus dem Drogenhandel. Jüngst haben auch die AUC den gleichen Weg eingeschlagen", begründete Anne Patterson, US-Botschafterin in Kolumbien, das verstärkte US-Engagement. Dabei ist nur die Verwicklung der AUC in den Drogenhandel wiederholt belegt worden, ihre Anführer - allen voran Carlos Castaño - sollen mehr als 70% des gesamten Exports sowie einen Großteil des Anbaus und der Produktion kontrollieren. Doch die unzähligen Massaker gegen die Zivilbevölkerung und die nicht zu übersehenden übelsten Menschenrechtsverletzungen seitens der Paramilitärs haben wohl dazu geführt, dass die US-Regierung ihren ehemaligen geheimen Verbündeten AUC in diesem Jahr in ihre "Terrorliste" aufgenommen haben. Direkte Folgen hatte dies bisher jedoch nicht, in Kolumbien operiert die AUC weiterhin in Abstimmung mit der Armee.

Die ELN hingegen bezieht aus sozialen und ökologischen Gründen eine sehr strikte Haltung gegen den Drogenanbau und -handel und hat nachweislich keinerlei Verbindung zum Drogengeschäft. Die FARC wiederum besteuert die Geschäfte der Händler, schützt die Kleinbauern vor den Narcos und garantiert ihnen Verkaufspreise. Aussagen Pattersons wie: "US-amerikanische Experten haben ausgerechnet, dass allein die FARC jährlich mehrere hundert Millionen Dollar durch den Drogenhandel einnimmt. Im Putumayo, dem operativen Zentrum des Plan Colombia, ist die FARC nichts weiter als eine Organisation des Drogenhandels", sind also dazu gedacht die Aufstandsbekämpfung als "Krieg gegen Drogen" zu tarnen. Im Rahmen des Plan Colombia hatten die USA im laufenden und im vergangenen Jahr nahezu 1,6 Milliarden Dollar für den "Kampf gegen Drogen" in Kolumbien - fast ausschließlich Militärhilfe - beigesteuert. (Vgl.Pastranas Krieg)

Philip Reeker, Sprecher des US State Department, schloss auf Nachfrage zwar eine direkte US-Militärintervention in Kolumbien aus, doch zugleich betonte Francis Taylor, "Anti-Terrorismus-Koordinator" der gleichen Behörde, am 15. Oktober auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier der "Organisation Amerikanischer Staaten" (OAS) in Washington DC, im Anschluss an eine nichtöffentlichen Sitzung des "Interamerikanischen Komitees gegen Terrorismus" (CICTE), dass "terroristische Organisationen" in Kolumbien ebenfalls Ziel der "Antiterrorismus-Kampagne" der USA im Gefolge des 11. September seien würden. In Kolumbien und anderen Ländern Lateinamerikas werde eine ähnliche Strategie zum Tragen kommen, wie von den USA in Afghanistan verfolgt. Bezüglich der Guerillas und der Paramilitärs "werden wir alle in unserer Macht stehenden Ressourcen und wenn notwendig auch militärische Gewalt anwenden, um ihre Aktivitäten zu stoppen". Da die Ernennung eines Staatssekretärs für Lateinamerikafragen durch die Bush-Regierung ausblieb, kam Taylor in den vergangenen Monate eine zentrale Rolle in der Kolumbien-Politik der USA zu.

Fernando Tapias, Generalkommandeur der kolumbianischen Streitkräfte, der auch an dem CITCE-Treffen teilnahm, betonte Kolumbien bräuchte keine Intervention ausländischer Truppen. "Wir bieten unsere Kräfte und fordern Unterstützung in den Bereichen Ausbildung, technischer Beistand und geheimdienstliche Tätigkeiten". Nach weiteren Gesprächen mit Pentagon-Vertretern zeigte Tapias sich zufrieden:

Seit dem 11. September verstehen sie (die US-Amerikaner) uns besser, da sie die Auswirkungen dieser Mischung aus Terrorismus und Drogen, die so schwerwiegende Folgen für die Menschheit hat und unter der wir seit Jahren leiden, selbst erleben.

Noch Anfang 2001 schrieb die rechte Rand Corporation, eine Stiftung des Flugunternehmen Douglas, in einem Bericht über Kolumbien für die US-Airforce im Falle eines Scheiterns der Drogen- oder Aufstandsbekämpfung der Regierung Pastrana müssten sich die USA entscheiden entweder einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust hinzunehmen oder ihr Engagement im Konflikt weiter zu steigern. Dieser Fall scheint nun eingetreten zu sein. Seit kurz nach dem 11. September geben sich Vertreter der kolumbianischen Regierung und des Militärs in Washington die Klinke in die Hand und im November wird der kolumbianische Präsident Pastrana in den USA mit Außenminister Colin Powell zusammen treffen. Dort dürfte ein weitergehendes Engagement der USA in Kolumbien zur Sprache kommen.

Anne Patterson, US-Botschafterin in Kolumbien verstieg sich Ende des Monats sogar in Vergleichen zwischen den Taliban und den bewaffneten Gruppen Kolumbiens. "Im Unterschied zu den Terroristen in Afghanistan haben die kolumbianischen Gruppen zwar keine direkte globale Reichweite. Doch jede dieser Gruppen übt Terrorismus gegenüber den Kolumbianern aus und schwächt die Fundamente der ältesten Demokratie Lateinamerikas", so Patterson. Die Botschafterin erläuterte auch die Möglichkeit dass die Taliban von Kolumbien aus ihre Heroin-Geschäfte weiter führen und sagte eine Erhöhung der us-amerikanischen Militärhilfe zu: "Vor Ende des Jahres werden noch weitere zehn Blackhawk-Hubschrauber nach Kolumbien geliefert und Anfang nächsten Jahres weitere 25." Zudem wurde eine weitere Finanzspritze von 882 Millionen Dollar für die Andenstaaten angekündigt, von denen 440 an Kolumbien gehen sollen.

Die Ankündigungen von Anne Patterson kommen zudem just in einem Moment in dem der Gesprächsprozess zwischen Regierung und Farc in einer Krise steckt. Die von der FARC kontrollierte 42.000 km2 große entmilitarisierte Zone im Süden Kolumbiens wurde Mitte Oktober von der Regierung nur kurz vor Ablauf wieder verlängert, nachdem die Situation zunächst zu eskalieren drohte. Doch schon wenige Tage später geriet der bisher ohnehin ergebnislose Gesprächsprozess erneut in eine Krise, als sich die kolumbianische Regierung weigerte das Überfliegen der Zone mit Militärflugzeugen einzustellen. Aus der kolumbianischen Armee und rechten Kreisen Kolumbiens wurden wieder Stimmen laut, die eine militärische Lösung fordern.

Informationsdienste: www.anncol.com, www.kolumbien-aktuell.ch