Kommt bald die Wende in der Agrarpolitik?

Seite 2: Dauerbrenner Glyphosat

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Nach langem Ringen hat Svenja Schulze nun endlich das Aktionsprogramm Insektenschutz auf den Weg gebracht. Um dem Insektensterben entgegenzuwirken, soll es mehr Geld, mehr Schutzräume und langfristig einen Ausstieg aus den Pestiziden geben, lauten die guten Vorsätze.

Konkret kann Glyphosat zwar erst verboten werden, wenn europaweit die Genehmigung hierfür auslaufen, also nicht vor 2023. Doch auf dem Weg dahin soll die Ausbringung von Pflanzengiften verringert werden.

Was die Beweislage zu gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat angeht, so wurden Studien, die den Nutzen und Ungefährlichkeit des Ackergiftes hervorheben, von Monsanto verdeckt mitfinanziert, wie aus kürzlich gefundenen Dokumenten hervorgeht.

So behauptete der wissenschaftliche Autor Michael Schmitz in seiner Veröffentlichung von 2011, ein Verzicht auf Glyphosat bedeute einen Verlust von 1,4 Milliarden US-Dollar für Deutschland. Glyphosat schone den Ackerboden und senke den CO2-Ausstoß, heißt es in einer weiteren Studie von 2015, zu deren Autorenteam Schmitz ebenfalls gehört. Beide Studien schafften es auf die Literaturliste des Bundestages und wurden auch in anderen Publikationen erwähnt.

Wäre Schmitz zum gegenteiligen Ergebnis gekommen, wie hätte dann die Finanzierung durch Monsanto ausgesehen? Vermutlich hätte es keine gegeben. Insofern war von vornherein klar, wie das Ergebnis aussehen würde. Immerhin verdient der multinationale Agrarkonzern an dem Wirkstoff bis heute Milliarden.

Es gibt gute Gründe dafür, warum wissenschafltiche Forschung von Industrie und Konzernen unabhängig sein sollte. Leider gehen die Tendenzen in die entgegengesetzte Richtung: Wissenschaft wird immer mehr von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit

Düngeverordnung differenzierter gestalten

Der Protest der Landwirte richtete sich auch gegen weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. Doch gerade bei der Düngeverordnung gibt es wenig Handlungsspielraum: Die EU fordert von Deutschland strengere Vorgaben für die Düngung der Felder, weil vielerorts der Nitrat-Grenzwert im Grundwasser überschritten ist.

Deutschland droht eine Strafzahlung von 850.000 € pro Tag, wenn es die EU-Nitratrichtlinie nicht konsequent umsetzt und die Gesetze nicht deutlich nachgebessert werden. Die neue Düngeverordnung, die nun im April 2020 in Kraft treten soll, sieht unter anderem vor, die Ausbringung flüssiger organischer Düngemittel auf Grünland im Herbst auf 80 kg N/ha zu beschränken.

Außerdem sind verschieden große Abstände zu Gewässern mit unterschiedlichen Hangneigungen einzuhalten.

Dass die Nitratwerte den europäischen Wasserrahmenrichtlinien nicht genügen, habe man schon lange gewusst, erklärt Hubert Wiggering. Dennoch würden immer wieder "reflexartig undifferenzierte Neuregelungen" aus dem Boden gestampft, kritisiert der Sprecher der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) im Interview mit der ARD.

Bei den Vorschlägen zu längeren Sperrzeiten und das Verbot des Düngens mit Gülle in Gewässernähe müsse man die unterschiedlichen Böden in verschiedenen Regionen berücksichtigen. Das Wissen und die Technik dafür seien da, weiß der Professor für Geoökologie an der Universität Potsdam.

Prinzipiell hält er den Protest der Bauern für gerechtfertigt. Viele Landwirte orientieren sich an der fachlichen Praxis. Dabei reizen sie an Düngern und Pflanzenschutzmitteln alles aus, was erlaubt ist, um wirtschaftlich gut dazustehen. Die Politik habe es verpasst, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen und mit den Landwirten in die richtige Richtung zu gehen.

Dass für viele Bauern die Androhung Glyphosat-Verbotes so völlig überraschend kommt, ist Wiggering allerdings unverständlich. Es sei seit Jahren bekannt, dass Ökosysteme und Biodiversität darunter leiden.

Ob mechanische Bekämpfung oder weite Fruchtfolgen - gerade in der Unkrautbekämpfung gibt es noch ungenutzte Potentiale. Es mag sein, dass die Landwirte darauf nicht genügend vorbereitet sind. Auf Dauer kann das aber kein Argument sein, die Suche nach alternativen Lösungen weiter vor sich herzuschieben.

Allein vor dem Hintergrund zunehmender Klimaveränderungen wird es ein "Weiter so" nicht geben. Es ist an der Zeit, dass die Politik endlich angemessene Rahmenbedingungen für eine längst überfällige Agrarwende schafft.