Kommunalwahlen in Polen: Gelbe Karte für die Regierung
Die Nationalkonservativen siegen auf dem Land, viele Städte gehen an Oppositionskandidaten
"Sie sind ein Lügner, wo sind die Brücken, die Sie in Warschau bauen wollten, wo sind sie?", meint ein Herr um die 50 im karierten Hemd aus der hinteren Stuhlreihe zu Oberbürgermeisterkandidat Rafal Trzaskowski, der in der Mitte des Raumes der öffentlichen Bibliothek von Warschau-Targowek steht und kurz mit seiner Beherrschung ringt, während seine Fans, zumeist ältere Leute, zu kochen scheinen. Doch der Politiker der Bürgerplattform (PO) reagiert nicht mit der entsprechenden Wut seines Gegners und legt en Detail die Politik des Rathauses dar, die er mitverantwortete.
Diese Szene, die schon ein paar Wochen zurück liegt, ist vielleicht auch eine gute Erklärung für das wichtigste Ergebnis der Kommunalwahlen in Polen am vergangenen Sonntag. Der 46-Jährige schaffte schon in der ersten Runde 54,1 Prozent. Damit war das wichtigste Ziel der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), auch die Hauptstadt zu gewinnen, gescheitert.
Vorausgegangen war ein monatelanger Wahlkampf, bei dem er sich mit vielen Einwohnern Warschau zu langen Gesprächen traf und so erfolgreich dem Image der "arroganten Elite" entgegentrat, das ihm, dem ehemaligen Stipendiaten in Oxford und Mitarbeiter von EU-Instituten, von der PiS angehaftet wurde.
Deren Kandidat, Patryk Jaki, setzte auf Hip-Hop-Auftritte, überzogene Versprechungen und Anschuldigungen und nutzte in der vergangenen Woche einen Dystopie-Spot, bei dem Polen im Jahre 2020 von Migranten geflutet wird, sollte die PO gewinnen, die von der liberalen Partei "Modernes Polen" (N) gestützt wird. Diese Art von Kampagne brachte nur gerade 30,9 Prozent der Stimmen ein. Auch in anderen Großstädten konnten sich Oppositionskandidaten behaupten. Doch die PiS siegte auf dem Land.
Die nationalkonservative Partei kann als Erfolg verbuchen, von den 16 Wojwodschaften, in die Polen aufgeteilt ist, in neun die meisten Stimmen erhalten zu haben, vor vier Jahren waren es noch fünf.
Polenweit wurde die Leitung der Gemeinden, Kreise und der Wojewodschaften gewählt, das offizielle Ergebnis wird heute bekannt gegeben, am vierten November folgt das Stechen in den Gemeinden. Die Wahlen gelten als Stimmungsbarometer für die Regierungspolitik und als Auftakt einer Reihe von Urnengängen - im Mai 2019 folgen die Europawahlen, dann die Parlamentswahlen im Herbst 2019 sowie die Präsidentschaftswahlen Anfang 2020.
"Arbeit, Demut und Dienst" warte auf Polens Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), sagte Premierminister Mateusz Morawiecki, der innerhalb von zwei Monaten durchs Land gereist war, um für die Politik der Nationalkonservativen zu werben.
Mit im Gepäck hatte er Versprechen und Drohungen: Nur diejenigen Regionalpolitiker, die mit der Regierung zusammen arbeiten, erhalten entsprechende Gelder. Politiker der Bürgerplattform, die bis 2015 das Land acht Jahre regiert hatte, warnten hingegen, dass die konfrontative Politik der PiS gegenüber Brüssel zum Verlust von EU-Subventionen führe.
Die Polen wollen in der EU bleiben, die PiS steht auf Konfrontation
Dies ist ein Argument. Zwar führt die PiS-Regierung derzeit deutlich in den Umfragen landesweit, jedoch wird auf der anderen Seite die EU-Mitgliedschaft von vielen Polen geschätzt, 87 Prozent der Befragten bejahen sie in den letzten Umfragen. Darum kam der Regierung in Warschau eine Entscheidung aus Luxemburg sehr ungelegen. PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, der sich gerne einer unklaren Sprache bedient, warnte im Vorfeld, es dürften im nächsten Wahlkampf keine "Schläge wie diesmal auf die Partei herabfallen".
Gemeint ist wohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vom vergangenen Freitag. Per Anordnung ließ die EU-Behörde die Zwangspensionierung von Richtern im Obersten Gericht in Warschau stoppen. Die Entlassungen sollten die älteren unbequemeren Richter aus der bedeutenden Institution entfernen, die bislang 23 entlassenen Richter wurden durch parteinahe Juristen ersetzt. Die PiS will gegen das Urteil in Berufung gehen. Malgorzota Gersdorf, die Vorsitzende des Obersten Gerichts, forderte nun am Montag alle zwangspensionierten Richter auf, wieder zur Arbeit zu gehen.
Für Aufsehen erregte auch die Initiative von Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro, der in der vergangenen Woche auf den Einfall kam, das polnische Verfassungsgericht einen prekären Auftrag ausführen zu lassen. Die regierungsnahe Institution soll den Artikel 267des EU-Vertrags auf seine Übereinstimmung mit der polnischen Verfassung überprüfen. Konkret geht es darum, dass das Oberste Gericht in Polen aus Protest gegen die Zwangspensionierung seiner Richter durch die Regierung diesen Fall vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg brachte. Ziobro will jedoch, dass polnisches Recht vor EU-Recht gehe, was liberale Kritiker als Schritt in Richtung Polexit sehen. Dies weist Jaroslaw Kaczynski weit von sich. Doch die Taten der Regierung deuten in diese Richtung.