Konsens in letzter Sekunde

Der vor einem Jahr gegründete UN-Menschenrechtsrat präsentierte seine Geschäftsordnung

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Am 2. April 2006 wurde die in die Kritik geratene Menschenrechtskommission durch den neu gegründeten UN-Menschenrechtsrat abgelöst. Rund ein Jahr später legte der Rat an seinem Sitz in Genf seine Arbeitsrichtlinien vor. Obwohl bereits jetzt klare Verbesserungen gegenüber dem Vorgängerorgan ersichtlich sind, gibt es doch auch reichlich Anlass zu Kritik. Währenddessen haben die USA ihre finanzielle Unterstützung eingestellt.

Die UN-Menschenrechtskommission, die von 1945 bis 2006 bestand, war in den vergangenen Jahren immer härterer Kritik ausgesetzt gewesen, die ihren Gipfel erreichte, als zuletzt der Vorsitz an Lybien fiel. Jahrelang handelten Staaten, die selbst der massiven Missachtung von Menschenrechten angeklagt sind, so geschickt miteinander, dass sie ernsthafte Verurteilungen stets abwenden konnten. Im Zuge der von Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan angestoßenen umfassenden Reform der Vereinten Nationen, wurde die zur Farce verkommene Kommission durch den neu gegründeten Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf Anfang April vergangenen Jahres abgelöst. Der Rat wurde zunächst als UN-Nebenorgan eingerichtet, mit der Aussicht, später als Hauptorgan gleichberechtigt neben Sicherheitsrat und Generalversammlung aufzutreten.

Der Rat umfasst 47 Mitglieder, die sich aufteilen in Afrika (13 Sitze), Asien (13 Sitze), Lateinamerika und Karibik (8 Sitze), Osteuropa (6 Sitze), sowie Westeuropa (7 Sitze). Die Sitzungszeit wurde von sechs auf zehn Wochen angehoben, außerdem besteht in dringlichen Fällen die Möglichkeit für Sondersitzungen. Ständige Mitglieder, wie etwa von den USA gefordert, die die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat in den Menschenrechtsrat hatten übernehmen wollen, gibt es nicht. Die Mitgliedsländer werden mit einfacher Mehrheit für maximal drei Jahre gewählt. Während dieser Zeit unterliegen sie scharfen Kontrollen bezüglich ihrer eigenen Wahrung der Menschenrechte. Ein Verstoß gegen Resolution 60/251 vom 3. April 2006, in der die Richtlinien des Rates dargelegt sind, kann über eine Zweidrittelmehrheit der Ratsmitglieder zum Ausschluss führen.

Die USA, die neben Israel zu den gerade einmal vier Ländern gehörten, die gegen die Resolution gestimmt hatten, hatten dieses Vorgehen bemängelt. Es sei zu leicht, Mitglied zu werden, die Hürde für einen Ausschluss hingegen sei zu hoch. Des Weiteren bemängelte der damalige amerikanische UN-Vertreter John Bolton, dass den Vereinigten Staaten die Ansätze nicht weit genug gingen und der Rat hinter seinem Potential zurückbleibe. Mit dieser Begründung stellten sich die USA auch gar nicht erst zur Wahl. Diplomaten, sowie Vertreter von Nichtregierungsorganisationen vermuteten hingegen, dass die Verbrechen der US-Regierung gegen die Menschenrechte, etwa im Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba, im Irak, sowie in zahlreichen Geheimgefängnissen der CIA in Osteuropa, der eigentliche Grund der Verweigerung waren. Als Mitglied hätten sich die USA höchstwahrscheinlich sehr schnell für ihr Vorgehen verantworten müssen.

Die UN-Generalversammlung hatte dem Gremium eine Einjahresfrist gesetzt, um sich über zentrale Fragen des Arbeitsverfahrens einig zu werden. Diese Frist, die am 18. Juni 2007 ablief, wurde mit knapper Not eingehalten. Um Mitternacht erklärte Ratspräsident Luis Alfonso de Alba die Beschlüsse für angenommen. In der Endphase der Verhandlungen gerieten China und die EU über einige nicht unerhebliche Detailfragen aneinander. Während China forderte, dass für die Verabschiedung von Resolutionen und die Einleitung eines Sonderverfahrens eine Zweidrittelmehrheit aufgewendet werden müsse, lehnten die europäischen Vertreter dies ab. Schlussendlich einigte man sich auf mindestens fünfzehn Stimmen, nachdem China offenbar in letzter Minute eingelenkt und sich zu Zugeständnissen bereit erklärt hatte.

Im Gegenzug aber wurden die Sonderberichterstatter für Kuba und Weißrussland, zwei Länder, die immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben, entlassen, was nun für heftige Kritik sorgt. Die Berichterstatter sollen für die unabhängige Beurteilung der Lage in den jeweiligen Ländern Sorge tragen. Der stellvertretende Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Holger Haibach (CDU) nannte die Einigung "ein positives Signal", sparte aber auch die Kritik am Kompromiss nicht aus. Obwohl er den Kompromiss für "akzeptabel" hält, stellte der Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, Christoph Strässer, doch klar: "Ein von der kubanischen oder saudi-arabischen Regierung in Eigenregie erstellter Menschenrechtsbericht wäre jedoch reine Papierverschwendung."

Man kann hinzufügen, dass dies wohl für die allermeisten Mitgliedsländer gilt. Denn wenn auch sie im Rat vertreten und somit aufgerufen sind, die Situation bei sich selbst bestmöglich zu gestalten, so ist dennoch kaum zu erwarten, dass es Regierungen gibt, die ein ernsthaftes Interesse an einer Selbstanklage haben.

Zwar ist die Verpflichtung für alle Mitgliedsstaaten, sowie für die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, ihre Menschenrechtslage regelmäßigen Überprüfungen zu unterziehen, ein klarer Fortschritt. Einer der Hauptkritikpunkte an der Vorgängerkommission, dass Staaten, die es mit den Menschenrechten nicht zu genau nehmen, der Kommission angehören, besteht weiter durch Mitglieder wie Saudi-Arabien, China oder Russland. Insbesondere die Meinungsfreiheit ist weiterhin in vielen Mitgliedsländern bedroht.

"Statt Menschenrechten steht Blockdenken im Vordergrund"

Am 22. April stimmte nun das US-Abgeordnetenhaus bei der Verabschiedung des Haushalts gegen weitere Zahlungen an den Menschenrechtsrat. Noch ein Jahr zuvor hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice in einem Gespräch mit Kofi Annan Unterstützung zugesichert. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass der Rat zu viel Gewicht auf Beobachtung und Verurteilung Israels legen und andere Staaten, wie beispielsweise Kuba, Weißrussland oder Nordkorea vernachlässigen würde. Das mag auch daran liegen, dass die USA mit ihrem Veto im Sicherheitsrat Verurteilungen der israelischen Besatzungspolitik immer wieder verhindert haben, und nun Israels Kritiker im neu gegründeten Gremium ihre Chance gekommen sahen, ihre Forderungen ohne die Gefahr einer amerikanischen Blockade durchsetzen zu können. Im Juni 2006 war eine von den islamischen Staaten eingebrachte Resolution zur Verurteilung des israelischen Angriffs auf den Libanon mit einer Mehrheit von 27 Stimmen angenommen worden.

Hingegen beklagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker eben dies. Der Rat beschäftige sich zu sehr mit sich selbst, sei zu fixiert auf die Palästinaproblematik. "Kein Wort über die dramatische Lage in Sri Lanka und Afghanistan, über die Vertreibung irakischer Christen oder über die schwierige Lage in Somalia und im Kongo."

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die in der Arbeit des Rates offiziell weiterhin eine zentrale Rolle spielen sollen, bemängeln, dass ein solches Gremium kaum unabhängig sein kann und dass es aufgrund seiner bisherigen Arbeitsweise die eigene Glaubwürdigkeit bereits beschädigt. Delius weiter:

Auch fehlt es dem Menschenrechtsrat an jeder Konsequenz. So erörtert er zwar die Lage in Darfur, kann sich aber aufgrund einer Verweigerungsfront von China und vielen afrikanischen und asiatischen Staaten nicht zu einer klaren Position durchringen. Stattdessen wird erneut eine Untersuchungsmission in den Sudan entsandt, um allseits bekannte Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Statt Menschenrechten steht Blockdenken im Vordergrund. Auch sind die Mitwirkungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen weiter beschränkt worden. Statt einer Reform beobachten wir einen Prozess der Aushöhlung der Menschenrechtsarbeit in den Vereinten Nationen, der von China und anderen gleichgesinnten Staaten unter dem Deckmantel der Reform vorangetrieben wird.

Die Reform, die zur Gründung des Rates führte, hatte Kofi Annan damals als "historischen Schritt" bezeichnet, Amnesty International würdigte sie als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Die Resolution solle "einen historischen Neubeginn der Arbeit der Vereinten Nationen für die Menschenrechte" sein, hatte Annan gesagt. Gleichzeitig hatte er aber auch bereits gemahnt: "Ob sie dies tut, hängt davon ab, ob die Mitgliedstaaten der UN Gebrauch von ihr machen."