Konsumenten lassen US-Wirtschaft im Stich

In den USA gibt es wenig Hoffnung auf ein Konjunkturwunder

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Nachdem die US-Unternehmen gerade sehr gute Gewinne präsentieren konnten, bleibt offen, woher künftige Gewinne und das mit 3,1 Prozent erwartete BIP-Jahreswachstum kommen sollen, wenn die US-Konsumenten den Gürtel enger schnallen und Einkommen und Konsum wie im Juni stagnieren.

Wenn sogar ein hauptamtlicher Berufsoptimist wie Notenbankchef Ben Bernanke von "ungewöhnlich unsicheren Aussichten" für die US-Wirtschaft spricht, erscheint der frische Optimismus an den westlichen Aktienmärkten ein wenig übertrieben. Immerhin hat der Wall Street Leitindex S&P 500 im Juli gut zehn Prozent zugelegt und notiert jetzt wieder ungefähr auf dem Stand vom Jahresanfang. Die Sorgen um allfällige Staatsbankrotte oder einen Rückfall der USA in eine Rezession scheinen überwunden und so ließen die am Freitag veröffentlichten Zahlen zum US-BIP im 2. Quartal die Wall Street dann auch völlig unbeeindruckt.

Zwar war die offiziell ausgewiesene Wachstumszahl mit 2,4 Prozent um 0,1 Prozentpunkte niedriger ausgefallen, als von den Wall-Street-Analysten im Schnitt erwartet, blieb damit aber noch immer weit vom befürchteten "Double-Dip", dem nochmaligen Rückfall in die Rezession entfernt, während die Wachstumszahlen für das erste Quartal von vorläufigen 2,7 Prozent auf nunmehr 3,7 Prozent korrigiert wurden. Aber das war's dann auch schon mit den guten Nachrichten. Mit 1,05 Prozentpunkten war fast die Hälfte des jüngsten BIP-Zuwachses nicht auf Umsätze mit Endkunden, sondern auf eine Aufstockung der Läger im Volumen von 75,7 Mrd. USD entfallen, die effektive Endnachfrage hatte nur um 1,3 Prozent zugelegt. Damit war die Endnachfrage gegenüber dem Vorquartal zwar geringfügig angestiegen, nur dürften die Händler inzwischen wieder ausreichend Lager aufgebaut haben, um dem seit Juni wieder stagnierenden Konsum gewachsen zu sein. Zumindest dürfte der jüngste Lageraufbau im nun laufenden Quartal schwerlich übertreffen werden, so dass davon im nächsten Quartal kein positiver Konjunktureffekt mehr zu erwarten sein dürfte.

Grafik: CEPR

Würde man auch noch den Zuwachs des öffentlichen Konsums um 9,2 Prozent (Verteidigungsausgaben: plus 7,4 Prozent) abziehen, wäre also bereits im 2. Quartal eine negative Wachstumsrate verzeichnet worden. Mittlerweile leistet aber auch der Außenhandel, der in den Vorquartalen noch für Zuwächse gesorgt hatte, bereits wieder einen negativen Beitrag zur US-Konjunktur. So haben die US-Exporte zuletzt zwar um 10,3 Prozent zugenommen – was einen positiven Beitrag zum BIP von 1,3 Prozent bedeutet -, die Importe stiegen jedoch um satte 28,8 Prozent, und das ausgehend von einer fast doppelt so hohen Basis. Dadurch hat sich das BIP-Wachstum durch den Außenhandel letztendlich um 2,1 Prozentpunkte reduziert.

Bedenklich erscheinen auch die Investitionen in Eigenheimimmobilien, die im 2. Quartal um 27,9 Prozent zulegten und somit 0,59 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum beitrugen. Allerdings war mit Ende des Quartals die öffentliche Förderung für erstmalige Hauskäufer ausgelaufen, woraufhin die Eigenheimkäufe umgehend um rund ein Drittel eingebrochen waren. Wie es aussieht fallen die Eigenheimpreise weiter und es besteht wenig Aussicht, dass sich die Umsätz6e schnell wieder erholen, so dass im 3. Quartal mit einem stark negativen Beitrag des Eigenheimbereichs gerechnet werden sollte.

Der Unternehmenssektor hat indes nicht nur Lager aufgebaut, sondern auch die Investitionen um beachtliche 17 Prozent angehoben, wobei auch die zuvor massiv eingebrochenen Investitionen in Immobilien um 5,2 Prozent angezogen hatten. So deutet der am Montag veröffentlichte Einkaufsmanager-Index des ISM (Institute für Supply Management) für Juli zwar noch auf ein weiteres Ansteigen der industriellen Produktion, ein genauerer Blick auf die Zahlen macht aber auch hier wenig Hoffnung auf ein Konjunkturwunder. So ging der Subindex, der den Auftragseingang abbildet, um fünf Punkte (auf 53,5) zurück, während der Index der Lagerbestände um 4,4 Punkte anzog – was darauf schließen lässt, dass die Unternehmen ihre Absatzziele zuletzt nicht mehr erreicht und vermehrt auf Halde produzieren haben. Trifft dies zu, ist absehbar, dass die Unternehmen ihre Produktion zurückfahren werden. Sollten sie auch ihre Investitionen zurückfahren, ist die Rezession dann kaum mehr zu vermeiden, immerhin stiegen diese zuletzt um 17 Prozent an und steuerten damit 1,5 Prozentpunkte zum Quartalswachstum bei.

An den Finanzmärkten scheint man die Aussichten für den Unternehmenssektor dennoch durchaus rosig einzuschätzen. So sank laut einem Index von Bank of America/Merrill Lynch der Risikoaufschlag von Unternehmensanleihen gegenüber US-Staatsanleihen im Schnitt um 0,38 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent, wobei klaut Bloomberg mit 90,1 Milliarden Dollar mehr Unternehmensschulden emittiert wurden als je zuvor in einem Juli. Tatsächlich konnten laut Bloomberg bislang 77 Prozent der US-Unternehmen die Gewinnschätzungen übertroffen, was die Wall Street-Analysten nun für das Gesamtjahr eine Gewinnsteigerung um 35 Prozent erwarten lässt und zuletzt 1988 geschafft wurde.

Allerdings geben nicht nur hohe Gewinne und Anleihezinsen von im Schnitt weniger als fünf Prozent den Unternehmen einigen Spielraum für Investitionen, laut Bloomberg sitzen die im S&P 500 notierten Unternehmen derzeit auf 1,24 Billionen Dollar in Cash. Ob sie es nun verstärkt ins eigene Geschäft investieren dürfte stark von der Beschäftigungsentwicklung abhängen, und hier verheißen die am Freitag anstehenden Zahlen nichts Gutes.

Immerhin waren laut BEA die persönlichen Einkommen im 2. Quartal mit 4,1 Prozent noch deutlich stärker angestiegen als die Ausgaben (+ 1,3 %), so dass die US-Sparquote von zuvor 5,5 auf nunmehr 6,2 Prozent angestiegen ist und sich für die Konsumenten also einiger Spielraum ergibt. Nur zeigt die am Dienstag veröffentlichte Einkommensstatistik, dass die zuvor seit September langsam aber stetig steigenden persönlichen Einkommen im Juni ebenso stagniert hatten wie die Konsumausgaben. Die von der Privatwirtschaft bezahlten Löhne und Gehälter, die im Mai gegenüber dem Vormonat noch um 19,2 Mrd. USD gestiegen sind, waren im Juni dann sogar um 5,2 Mrd. Dollar gesunken. Finanzminister Tim Geithner warnt dann auch bereits vor einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit, was verständlich macht, dass der Index des Konsumentenvertrauens des Conference Board, dessen langjähriger Schnitt bei 94 liegt, im Juli auf knapp 50 Zähler zurückgefallen ist.

Aber selbst wenn die Konsumenten ihre Sparquoten nun überraschend verringern und die Unternehmen ihre Investitionen weiter ausbauen könnten, bleibt rätselhaft, wie die von Bloomberg befragten Analysten für das heurige Jahr im Schnitt auf eine Wachstumserwartung von 3,1 Prozent kommen. Denn es scheint derzeit auch der Motor der einzigen globalen Konjunkturlokomotive China ins Stottern zu geraten, wodurch die USA sich wohl auch von der Außenbilanz kaum viele Wachstumsimpulse erwarten sollten.

Immerhin war die Kern-Inflationsrate, die Nahrungsmittel und Energie ausschließt, im Juni auf Jahresbasis von zuvor 2,1 Prozent auf 1,4 Prozent zurückgegangen. Wenn die somit mit mehr als einem Prozent negativen Kurzfristzinsen der Fed also schon die Spendierfreudigkeit der Konsumenten nicht besonders stimulieren, treiben sie immerhin die Aktienkurse.