Kontenabfragemöglichkeiten, Bargeldabschaffung und Registrierkassenzwang
Der "Kampf gegen die Steuerhinterziehung" ist ein gerne genutztes Argument
Seit April 2003 sind Banken in Deutschland verpflichtet, Kontenevidenzzentralen aufzubauen - offiziell, um gegen Terrorismus und dessen Geldquellen sowie gegen Geldwäsche vorgehen zu können. Diese Kontenevidenzzentralen bestehen aus Servern, auf denen die Stammdaten (Name und Geburtsdatum des Konteninhabers sowie Kontoart und -nummer) eingespeist werden, so dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) jederzeit auf diese Daten zugreifen kann.
Im Dezember 2003 wurde durch den damaligen Minister Hans Eichel im Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit eine Möglichkeit für die Finanzbehörden geschaffen, auf diese Daten Zugriff zu erhalten. Damit nicht genug: Auch die Ämter, die mit der Gewährung von Transferleistungen zu tun hatten, erhielten diese Möglichkeit, so dass die Software, die zunächst auf 2.000 Abfragen täglich durch die Polizei ausgerichtet war, mit mehr als 50.000 Abfragen täglich schnell an ihre Grenzen stieß. Wie bereits der Name des Gesetzes sagt, diente die Bekämpfung der Steuerhinterziehung als Argument für die neuen Befugnisse.
Doch noch immer gibt es nach Ansicht der Politik und der entsprechenden "Experten" zu viele Möglichkeiten für Steuerhinterziehung. Hier sind jedoch nicht die legalen Methoden der Steuervermeidung gemeint (die der Gesetzgeber absichtlich oder versehentlich belassen hat) sondern die illegalen Praktiken. Dabei steht zunehmend die Nutzung von Bargeld im Fokus - gibt sie doch die Möglichkeiten, (Ver-)käufe, Schenkungen und dergleichen mehr ohne das wachsame Auge der Steuer-, Finanz- und sonstigen Behörden zu tätigen.
Die Idee, Bargeld abzuschaffen, ist nicht neu. Sie wird seit Jahren immer wieder aufgebracht. Die Vorgehensweise in Deutschland erinnert dabei an die Strategie, die in Schweden gefahren wurde: Der durch die Musikgruppe ABBA dort sehr prominente Björn Ulveaus plädierte dafür, Bargeld nicht mehr zu nutzen, da es unhygienisch sei, die Kriminalität fördere und hohe Transaktionskosten verursache.
Das ABBA-Museum gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits zu den Institutionen, die Bargeld ablehnten. Andere zogen nach oder erhoben Gebühren, wenn jemand Bargeld als Zahlungsmittel nutzen wollte. Hotels argumentierten damit, dass Bargeld einen hohen Verwaltungaufwand und ein Sicherheitsrisiko bedeute.
2014 erweiterte der US-amerikanische Ökonom Larry Summers den Katalog um einen weiteren angeblichen Vorteil: Würde nicht nur das Bargeld abgeschafft, sondern zeitgleich auch noch der Zinssatz für Erspartes unter Null sinken, dann würde das seiner Ansicht nach die Konjunktur ankurbeln, weil Sparer den Negativzinsen nicht mehr durch Bargeldhortung ausweichen könnten.
Wolfgang Münchau hat diese Debatte in seiner Kolumne auf Spiegel Online als "schräg" bezeichnet. Er kann insbesondere der Freiheitsaspekt, den die Befürworter des Bargeldes anführen, nicht wirklich nachvollziehen. "Die Gründe für das Bargeld sind praktischer Natur. Mit Freiheit haben sie nichts zu tun, lautet sein Fazit - doch in den Kommentaren wird deutlich, dass der Spiegel-Kolumnist anders tickt als viele Bürger, die die Freiheit schätzen, von anderen unbeobachtet, Transaktionen zu tätigen. Die sogenannten "Wirtschaftsweisen" oder "Top-Ökonomen" lassen diese Ansicht traditionell unter den Tisch fallen. Oder sie argumentierten ähnlich wie bei den Sicherheitsgesetzen: Wer Transaktionen nicht transparent haben möchte, der hätte etwas (Kriminelles, Unlauteres) zu verbergen.
Seit den Enthüllungen Edward Snowdens sehen mehr Bürger als zuvor solche Argumentationsmuster kritisch. Was Snowden offenbarte, belegte, dass etliches, was noch vor einigen Jahren als typische Verschwörungstheorie von "Aluhütchenträgern" abgetan wurde, durchaus der Realität entsprach. Die in Deutschland noch lange nicht aufgeklärten und als Skandale oder Affären bezeichneten Vorgänge rund um die National Security Agency (NSA) und den Bundesnachrichtendienst (BND) haben das Misstrauen gegenüber der Regierung und deren Versprechungen zusätzlich geschürt. Dazu trug auch die Täuschung bezüglich eines zu erwartenden No-Spy Abkommens bei. Das "zu erwartende" No-Spy-Abkommen, so hieß es damals seitens etlicher SPD-Politiker, sei Voraussetzung für die von vielen kritisierte Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP).
Es ist daher wenig verwunderlich, dass der Wunsch, unbeobachtet reden, mailen, telefonieren, sich bewegen oder Transaktionen tätigen zu können, eher stärker als schwächer wird. Hinzu kommt beim Wegfall des Bargeldes die (für Geschichtskenner nicht ganz unberechtigte) Angst davor, die als übermächtig empfundenen Banken könnten das Geld nach Belieben entwerten oder gar einziehen. Das, was beispielsweise Larry Summers als Vorteil sieht (nämlich die Bestrafung der Sparer) kann in Deutschland unter anderem von Transferleistungsempfängern nicht nachvollzogen werden, bei denen ja beim Arbeitslosengeld II sogar eine monatliche Ansparsumme vorausgesetzt wird. Auch würde die Bestrafung des Sparens dem, was seitens der Politik gerne propagiert wird, zuwiderlaufen: Der vorausschauenden eigenverantwortliche Absicherung.
Nichtsdestotrotz wird seit Jahren unentwegt für die Abschaffung des Bargeldes und die komplette Umstellung auf elektronisches Geld getrommelt, als sei das Vertrauen in Politik und Banken ungebrochen und als wären die Befürchtungen der Kritiker aus der Luft gegriffen. Doch das Trommeln allein reicht nicht - schleichend verabschieden sich die Länder vom Bargeld, ohne dies so direkt mitzuteilen. Als jüngstes Beispiel sei Dänemark erwähnt. Aber auch in den romanischen Ländern wurden bereits Obergrenzen für das Bezahlen von Bargeld eingeführt.
Auch in Deutschland ist z.B. bei der Begleichung von Steuerschulden bereits eine Abkehr vom Bargeld zu sehen. Auf den Steuerbescheiden ist vermerkt, dass Barzahlung nicht akzeptiert wird. Eine Regelung, deren Vereinbarkeit mit dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank nicht ganz klar ist. Dort heißt es in §14:
(1) Die Deutsche Bundesbank hat unbeschadet des Artikels 128 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union das ausschließliche Recht, Banknoten im Geltungsbereich dieses Gesetzes auszugeben. Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Die Deutsche Bundesbank hat die Stückelung und die Unterscheidungsmerkmale der von ihr ausgegebenen Noten öffentlich bekannt zu machen.
(2) Die Deutsche Bundesbank kann unbeschadet des Artikels 128 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Noten zur Einziehung aufrufen. Aufgerufene Noten werden nach Ablauf der beim Aufruf bestimmten Umtauschfrist ungültig.
Zur Kassa bitte
In Österreich greift die Politik ebenfalls auf das Argument der Vermeidung von Steuerhinterziehungen zurück, wenn es darum geht, der Bevölkerung unangenehme Regelungen aufzudrücken. Ab 2016 wird es in Österreich eine Registrierkassenpflicht für fast alle geben, die Dienstleistungen oder Waren verkaufen. Ausnahmen soll nur noch in geringem Umfang geben.
Was sich banal anhört, ist für viele Österreicher nicht nur mit Kosten- sondern auch mit Arbeit verbunden - sowohl für die Anbieter als auch die Nachfragenden. Galten bisher noch Ausnahmen für einen Jahresumsatz von bis zu 150.000 Euro, so soll diese Grenze nunmehr auf 30.000 Euro abgesenkt werden.
Die bisherige Grenze wurde von der Barbewegungsverordnung geregelt, erst wenn diese Grenze überschritten wurde, galt die Einzelaufzeichnungspflicht. Die neue Grenze wird als Teil des Paketes zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs festgelegt. Die Registrierkassen müssen deshalb mit einem technischen Schutz vor Manipulationen ausgestattet sein.
Für Märkte wie z.B. den Brunnenmarkt oder den Hannovermarkt greift die obige (als "Regelung der Kalten Hand" bekannte) Ausnahme mit nunmehr 30.000 Euro Jahresumsatz, die auch für Christbaum-, Maroni-, Eis- und sonstige mobile Verkäufer gilt. Doch auch jene Dienstleistunganbieter, die mobil arbeiten (wie z.B. Masseure, Friseure, Tierärzte mit Hausbesuchen und Krankengymnasten) ist es ab 2016 Pflicht, die während der Zeit außerhalb des Betriebes erwirtschafteten Einnahmen nachträglich in die Registrierkasse einzugeben.
Bei Vereinsfesten wird zwischen kleinen und großen Festen unterschieden werden, wobei hier die genauen Details noch nicht festgelegt sind. Um bei den Konsumenten die Akzeptanz von Belegen zu erhöhen, hat die SPÖ die in Kroatien, Malaysia, Portugal oder der Slowakei bereits bekannte Beleglotterie vorgeschlagen. Jeder Beleg, der eine bestimmte Höhe überschreitet, kann als Los an die Lotteriegesellschaft geschickt werden, den Gewinnern winken Sachpreise.
Gerade auch für die vielen Verkäufer von Lebensmittel auf den Märkten bedeuten die neuen Regelungen zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwand,. Zum Teil ist die Anschaffung einer Registrierkasse erstmals notwendig. Doch auch die Umrüstung bestehender Systeme wird kostenintensiv sein. Bisher konnten ca. 75% der Unternehmen in Österreich ihre Abrechnung via "Kassensturz" tätigen, schreibt der Standard. Die Wirtschaftskammer hat sich bereits gegen die neuen Regelungen ausgesprochen und rügt die bereits jetzt teilweise absurden Auswirkungen der neuen Steuergesetze.
Letztendlich sind sowohl die Registrierkassen- und Belegpflicht wie auch die Abschaffung des Bargeldes Mittel zu einer Kontrolle des sozialen Miteinanders. Ob der Marktverkäufer seinen Euro, für den Verkauf seiner Gemüsereste an Entenhalter nur noch gegen Beleg annehmen darf, das Geld für den Obdachlosen nur noch per E-Geld geleistet werden kann, oder der geschenkte Spargroschen "einfach so" unmöglich gemacht wird - es gilt mehr und mehr jene Losung, die der schweizerische Politiker Kurt Wasserfallen einst ausgab: "Es darf keine überwachungsfreien Inseln geben".
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