Kopf an Kopf beim Hirndoping

Die Methoden des cognitive enhancement müssen endlich verglichen werden

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Seit einigen Jahren wird über Hirndoping diskutiert. Dahinter steht die Hoffnung auf Mittel und Wege, dem menschlichen Geist auf die Sprünge zu helfen. Zugleich steht dahinter die Angst vor einer Anpassung an die nie enden wollenden Anforderungen der Leistungs- und Beschleunigungsgesellschaft und vor einer darauf aufbauenden Gesundheitsdiktatur.

In erster Linie wird über Medikamente und Arzneimittel gesprochen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Studie zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer psychoaktiven Hirndoping-Substanz den Weg in die Medien findet. Wie schon im Falle psychotherapeutischer Interventionen ist die Fixierung auf die Pharmakologie frappant. Dort lässt sie sich teilweise noch aus der Abkehr von der psychoanalytischen Tradition erklären, hier aber verwundert sie. Denn zum einen weisen alle vernünftigen Studien darauf hin, dass Konzentrations- oder gar Lerneffekte durch Arzneimittel wie Ritalin oder Modafinil marginal sind – wenn denn überhaupt vorhanden. Zum anderen existieren diverse alternative, nicht-pharmakologische Methoden des "cognitive enhancement", wie die Forschung zu Hirnschrittmachern genannt wird. Um diese Methoden und ihre Einordnung in den Kontext der Diskussion soll es im folgenden gehen.

Magnetische und elektrische Hirnstimulation

Die Stimulation des Gehirns durch magnetische oder elektrische Impulse wird seit langem in der Neurologie und Psychiatrie angewandt, soll aber auch gesunden Mitmenschen helfen. Jüngst berichtete ein Team der Universität Oxford davon, dass ihre per transkranieller Rauschstromstimulation (tRNS) gepimpten Testpersonen Matheaufgaben schneller gelöst hätten als die Kontrollgruppe. Mehr noch, selbst sechs Monate später waren sie immer noch besser als die Placebo-Probanden.

Auch das Ärzteblatt zeigte sich angetan, nachgefragt wurde nicht. Dabei a) bestand die Abschlussgruppe nur noch aus sechs Teilnehmern, b) wählten die Autoren aus unklaren Gründen einen statistischen Test (den 1-seitigen t-test), der aus einem eventuell zufälligen ein signifikantes Ergebnis machte und c) ist nach Tom Stafford unsicher, ob die Verblindung korrekt lief, die Teilnehmer also nicht doch wussten, dass sie behandelt wurden.

Das ist kein Einzelfall. Wie in der Psychopharmakologie sind auch die Studienergebnisse der nicht-pharmakologischen Interventionen oft fehlerbehaftet, präformatiert und werden selten bestätigt. Das wird erst langsam zum Thema der Wissensschaftsorganisation (Arzneimittel - der kontinuierliche Skandal). Dieser Einschränkung muss man sich bewusst sein, wenn im folgenden von den vielen positiven Ergebnissen zu lesen sein wird, die den positiven Effekt verschiedener Hirnstimulationstechniken auf Lernen und Konsolidierung bewiesen haben wollen.

Hoffnung setzt man vor allem in die tDCS (transkranial Direct Current Stimulation). Ross und Kollegen veröffentlichten eine Studie, in der Testpersonen die Namen berühmter Personen besser erinnern konnten, wenn sie mit tDCS behandelt waren. Bei touristischen Sehenswürdigkeiten klappte das allerdings nicht besser als in der Kontrollgruppe. 2011 zeigten Javadi und Walsh, dass Wörter mit tDCS besser erinnert werden können. Gleich eine Reihe von Studien (Fregni 2005, Kuber 2007, Ohn 2008 oder Teo 2011) hat positive Effekte von tDCS auf das Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnis aufgezeigt.

Insgesamt sind die Effekte der verschiedenen Stimulationsarten aber klein und kämpfen oft mit ihrer Signifikanz. Dazu kommt: Um bei Hirnstimulationen optimale und wiederholbare Ergebnisse zu erzielen ist die Zielgenauigkeit der Stimulation entscheidend – und in der Praxis schwer zu erreichen. Einfache Head-Sets und Apparaturen, wie sie auf dem Markt existieren, gelten in dieser Hinsicht als extrem ungenau. Hersteller wie foc.us werben gleichwohl mit "Overclock your head!".