Kostenexplosion online
Seit Wochen verschickt Ebay fehlerhafte Rechnungen
Der Pfeifenhändler "esterval" rieb sich die Augen, als er die Zahl auf seiner Juli-Rechnung entdeckte. Angeblich sollte er an Ebay Gebühren in Höhe von 9.223.372.036.854,78 Euro zahlen. In Worten: neun Billionen zweihundertdreiundzwanzig Milliarden dreihundertzweiundsiebzig Millionen sechsunddreißig Tausend achthundertundvierundfünfzig Euro und achtundsiebzig Cent.
Als Powerseller ist "esterval" zwar daran gewöhnt, stattliche Beträge an Ebay zu überweisen, normalerweise jedoch bewegen sie sich im vierstelligen Bereich. Auch den Betrag von 18.709,22 Euro auf derselben Rechnung konnte er sich nicht erklären. Vielleicht hätte ein Blick in die Einzelaufstellung das Rätsel gelöst, doch leider streikte das System: die Rechnung war einfach zu groß.
Die Kostenexplosion auf dem Verkäuferkonto von "esterval" ist zwar gigantisch, aber kein Einzelfall. Bereits seit Monaten erhitzen fehlerhafte Abrechnungen die Gemüter der Ebay-User. Betroffen sind ausschließlich Verkäufer, denn nur sie müssen Ebay für die Nutzung der Verkaufsplattform bezahlen. Der Einfachkeit halber regelt die Mehrzahl der Verkäufer diese Zahlungen automatisch. Das heißt, Ebay bucht die anfallenden Gebühren per Lastschriftverfahren oder via Kreditkarte ab.
Problematisch wird das Ganze, wenn die Beträge nicht stimmen. Denn es ist gar nicht so einfach, unrechtmäßig abgebuchte Beträge von Ebay zurückzubekommen. Scheitert die Abbuchung – zum Beispiel weil die Bank den Dispokredit nicht mal eben so um ein paar Billionen erweitert –, schlägt Ebay eine Bearbeitungsgebühr von acht Euro drauf. In der Vergangenheit konnte man sich über fehlerhafte Rechnungen per Mail beschweren, doch seit geraumer Zeit kommen Beschwerden, die an konto@Ebay.de geschickt wurden, postwendend zurück:
Sehr geehrtes Mitglied,
vielen Dank fuer Ihre Mitteilung.
Sie haben an die E-Mail-Adresse konto@ebay.de geschrieben. Diese E-Mail-Adresse wird nicht mehr verwaltet, daher hat uns Ihr Anliegen leider nicht erreicht.
Unterstuetzen Sie uns in unseren Bemuehungen, den eBay-Kundenservice weiter zu optimieren und nutzen Sie unser neues Kontaktformular: http://www.ebay.de/kontakt
Mit dem Kontaktformular erreichen uns Anfragen und Hinweise themengenau. So ist eine zuegige Bearbeitung Ihrer E-Mail moeglich.
Kaum erfolgreicher waren User, die es brav mit dem Kontaktformular versucht haben, denn häufig blieb die Beschwerde unbeantwortet. Oder erzeugte weitere, unbrauchbare Standardmails. Blieb nur noch der Griff zum Telefon. Eine kostenintensive Alternative, denn ein Anruf bei Ebay kostet pro Minute 59 Cent. Wenn man überhaupt durchkommt; denn für Kunden von Arcor oder Netcologne ist die Hotline von Ebay schlichtweg nicht erreichbar.
Wer sein Geld zurückholt, zahlt 8 Euro
In ihrer Not wandten sich zahlreiche Betroffene an Axel Gronen, den Macher des "von Ebay unabhängigen Info-Portals" Wortfilter. Mehrfach berichtete er über die Unregelmäßigkeiten bei Ebay, doch geändert hat sich nichts: Es kommt weiterhin zu überhöhten Rechnungen, Mails bleiben unbeantwortet, und wer zu Unrecht abgebuchte Beträge zurückbuchen lässt, wird weiterhin mit einer Gebühr von acht Euro bestraft.
Aktuell sind insbesondere Shop-Inhaber betroffen: Die Gebühren für den Ebay-Shop werden zum Teil dutzendfach berechnet. Bislang ist weder in den Systemmitteilungen noch in den Marktplatzmitteilungen ein Hinweis auf die Problematik zu finden. Pressesprecherin Maike Fuest kann auf Anfrage aktuell "leider nichts dazu sagen". Offenbar muss man sich bei Ebay erst noch ein Bild von der Lage machen.
Fehler im System?
In den Userforen wird zum Teil gemutmaßt, dass die aktuellen Probleme mit der Umstellung des Rechnungssystems im Juni zusammenhängen. Tatsächlich hatte Andreas Harm, Geschäftsführer von Esterval's Pipe House am 14. Juni eine Mail von Ebay erhalten, in der sich das Auktionshaus vorab für eventuelle Unannehmlichkeiten und Unregelmäßigkeiten im Zuge der Rechnungsumstellung entschuldigte. Diese Mitteilung erging jedoch nicht an den Rest der Mitglieder. Auch musste der Powerseller "esterval" nicht lange um die Korrektur der fehlerhaften Juli-Rechnung kämpfen: Ein Anruf bei der Hotline für Powerseller, und schon war alles wieder im Lot. Außerdem bekam Andreas Harm eine freundliche Mail von Ebay, in der man sich für das Missgeschick entschuldigte. Den gigantischen Betrag hatte Ebay gar nicht erst abgebucht. Offenbar hatte irgendwer rechtzeitig die Notbremse gezogen.
Von einer solchen Behandlung können Gelegenheitsverkäufer nur träumen. Weit mehr als über die falschen Zahlen ärgern sie sich über unzureichende Kommunikationsmöglichkeiten und die rüde Behandlung im Falle verweigerter Zahlungen. Denn da kennt Ebay kein Pardon und sperrt kurzerhand das Verkäuferkonto. Dabei wäre es ein Leichtes, die Rechnungen automatisch zu korrigieren, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen – und die entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Bislang jedoch werden Rechnungen nur korrigiert, wenn sich der Betroffene meldet. Eine Geschäftspolitik, die sich kein Unternehmen leisten kann. Schon gar nicht auf Dauer.