"Kraft Sibiriens" liefert russisches Gas nach China
Am 2. Dezember wird die neue Pipeline von Wladimir Putin und Xi Jinping offiziell in Betrieb genommen
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat via Interfax bekannt gegeben, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping am 2. Dezember in einer Videokonferenz offiziell den 2157 Kilometer langen Hauptteil der neuen Gaspipeline "Sila Sibiri" eröffnen werden. Über diese "Kraft Sibiriens" aus knapp eineinhalb Meter dicken Stahlrohren sollen jährlich 38 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas in das Reich der Mitte geliefert werden. Das ist etwa die Hälfte des Volumens, das Deutschland in einem Jahr verbraucht.
China verbraucht mit etwa 240 Milliarden Kubikmeter nicht nur deutlich mehr als Deutschland, sondern auch etwa ein Drittel mehr, als das Land fördern kann, obwohl es selbst der weltweit sechstgrößte Gasproduzent ist. Deshalb ist die Volksrepublik aktuell auch der weltweit zweitgrößte Flüssigerdgas-Importeur nach Japan.
Auch von strategischer Bedeutung
Der Preis, den die Chinesen für das unverflüssigte russische Erdgas zahlen, ist an den Ölpreis gebunden. Aktuell rechnet man mit 400 Milliarden US-Dollar in 30 Jahren. Von diesem Ölpreis hängt ab, ab wann sich die Pipeline amortisiert. Ein weiter offener Faktor in dieser Rechnung sind die Gesamtkosten des "größten Bauprojekts der Welt", wie es Wladimir Putin 2014 nannte. Anfangs war bei Gazprom von umgerechnet 55 Milliarden Dollar die Rede, dann von über 70.
Allerdings ist die Pipeline auch von strategischem Wert, weil sie den russischen Gazprom-Konzern weniger von Europa abhängig macht, wo er einem Marktanteil von etwa einem Drittel hat und wohin er derzeit mit gut 200 Milliarden Kubikmetern jährlich das meiste Gas liefert. Wahrscheinlich war es deshalb kein Zufall, dass die vorher zehn Jahre lang geführten Verhandlungen zwischen Gazprom und dem chinesischen Energiekonzern CNPC ausgerechnet im Frühjahr 2014 in den Sila-Sibiri-Vertrag mündeten, als sich das Verhältnis zwischen Russland und der EU im Zuge der Ukrainekrise deutlich verschlechterte.
Verflüssigung in Wladiwostok
Das Gas aus Jakutien und Irkutsk, das durch Sila Sibiri fließt, soll über eine Verlängerung nicht nur nach China, sondern auch in die ostsibirische Hafenmetropole Wladiwostok geleitet werden. Dort wird es dann verflüssigt und mit Schiffen exportiert. Das Geschäft mit dem Export von russischem Flüssigerdgas macht aktuell der Nowatek-Konzern. Dieses Energieunternehmen gehört dem 30 Milliarden Euro schweren Oligarchen Leonid Michelson, der im Steuerparadies Luxemburg angemeldeten Volga Group des Oligarchen Gennadi Timtschenko, dem französischen Total-Konzern, der chinesischen CNPC und zu jeweils knapp zehn Prozent Gazprom und dem chinesischen Seidenstraßenfonds.
Mit seinem Gasverflüssigungswerk auf der Samojedenhalbinsel produziert und exportiert er jedes Jahr 16 Millionen Tonnen Flüssigerdgas. 17 Prozent davon gingen 2018 nicht nach Asien, sondern nach Europa, wo die auch auf amerikanischen Druck hin gebauten LNG-Terminals nur wenig ausgelastet sind.
Turkish Stream und Nord Stream 2
Potenziell preisgünstiger ist das russische Erdgas dort aber, wenn es nicht verflüssigt und mit Schiffen transportiert, sondern durch Pipelines wie Turkish Stream und Nord Stream 2 geleitet wird. Turkish Stream soll bis 10. Januar eröffnet werden. Putins Reise zur Eröffnung in der Türkei ist Peskow zufolge schon eingeplant.
Bei der anderen Pipeline, Nord Stream 2, hofft die ukrainische Außenministerin Elena Serkal auf eine Verzögerung durch amerikanische Sanktionen, die die Position ihres Landes bei den Verhandlungen über einen neuen Druschba-Transitvertrag deutlich verbessern würde. Solche Sanktionen hat der US-Senat unlängst in den Entwurf des National Defense Authorization Act (NDAA) aufgenommen.
Ein anderes Hindernis konnte dagegen vor einem Monat aus dem Weg geräumt werden: Mehr als zwei Jahre nach der Antragstellung hat die dänische Energieverwaltungsbehörde Energistyrelsen nämlich einen durch die dänische Ostsee-Interessensphäre führenden Abschnitt der Gaspipeline genehmigt. Dabei handelt es sich weder um die ursprünglich beantragte, noch um eine der beiden nachgereichten Alternativrouten, sondern um eine mit insgesamt 147 Kilometern etwa acht Kilometer längere vierte, die südöstlich an der Insel Bornholm vorbeiläuft. Diese Strecke führt zwar durch die Ausschließliche Wirtschaftszone des skandinavischen Königreichs, hat der Energistyrelsen nach aber geringere Auswirkungen auf den Schiffsverkehr und die Meeresfauna- und flora (vgl. Dänische Energiebehörde genehmigt alternative Nord-Stream-2-Route).
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