Kraftfahrzeugsteuererhöhung durch die Hintertür?
Finanzminister Schäuble erhofft sich durch eine neue Berechnungsmethode angeblich Mehreinnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro - Österreich verhandelt mit anderen EU-Ländern über eine gemeinsame Mautklage
Dem Handelsblatt zufolge, das sich auf eine geleakte und nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Schätzung aus dem Bundesfinanzministerium beruft, rechnet Wolfgang Schäuble für die nächste Legislaturperiode heimlich mit Kraftfahrzeugsteuermehreinnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Diese Mehreinnahmen sollen sich nicht aus einer offen kommunizierten Steuererhöhung, sondern durch eine neue Berechnungsmethode ergeben, die das Bundeskabinett gestern mit einem Gesetzesentwurf auf den Weg brachte, was Verkehrsminister Alexander Dobrindt dem Bayerischen Rundfunk bestätigte.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Abgasausstoß, nach dem sich die Steuer bemisst, bei Neufahrzeugen künftig "realitätsnäher" (und dadurch höher) angesetzt wird. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) begrüßt die "Umstellung der Messmethode […] auf den realitätsnäheren WLTP-Messzyklus" in einer Stellungnahme dazu grundsätzlich als "richtig und sinnvoll", weil Autokäufer auf diese Weise ein realistischeres Bild davon bekämen, "wie es um die Umweltfreundlichkeit ihres Pkw bestellt ist", fordert aber gleichzeitig die "Einführung eines entsprechenden Anpassungsfaktors in der Steuerberechnungsgrundlage", der die heimliche Steuererhöhung ausgleichen und Schäubles Plan einer milliardenschweren Mehreinnahme durch die Hintertür zunichte machen würde.
Welche Steuerlast auf deutsche Kraftfahrzeughalter künftig zukommt, ist nicht nur wegen der geplanten neuen Berechnungsgrundlage unklar, sondern auch wegen der geplanten PKW-Maut, die von der Steuerschuld abgezogen werden soll. Bei besonders umweltfreundlichen Autos soll sich dadurch teilweise sogar eine Wenigerbelastung ergeben, verspricht das Bundesverkehrsministerium. Ob das tatsächlich zutrifft, werden die Bürger erst mit ihrem Steuerbescheid feststellen - den sie erst nach der Bundestagswahl bekommen.
Österreichischer Verkehrsminister bereitet Sammelklage vor
Obwohl die EU-Kommission nach mehrjährigen Verhandlungen ihr licet zur deutschen PKW-Maut gab, ist aber noch nicht ganz sicher, ob sie wirklich wie geplant in Kraft treten oder aufrecht erhalten wird: Der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried von der SPÖ hat sich nämlich am Mittwoch mit Vertretern Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, Dänemarks, Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Sloweniens und Großbritanniens getroffen, um eine gemeinsame Klage gegen die im letzten deutschen Wahlkampf als "Ausländermaut" angepriesene Maßnahme auf die Beine zu stellen.
Leichtfried argumentiert, dass die Maut auch nach der von der EU-Kommission durchgesetzten größeren Auswahl an Kurzzeitvignetten praktisch nur ausländische Autofahrer benachteiligen werde - und zwar mit geschätzten 520 Millionen Euro im ersten Jahr. Dobrindt kritisierte das mit einer Wortschöpfung, an der österreichische Medien mehr Freude hatten als deutsche: "Mautmaulerei". Außerdem sprach Leichtfried von "Vermutungen", dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Zustimmung der Kommission nur deshalb erteilte, weil die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Druck ausübte. Bei kleineren EU-Ländern, die sich von der deutschen Regierung zunehmend dominiert fühlen, dürfte dieses Argument potenziell gut ankommen. Allerdings gilt der österreichische Sozialdemokrat auch als enger Vertrauter von Merkels Kanzlerkonkurrenten Martin Schulz (den er einen "guten Freund") nennt.
Das nächste Treffen Osterreichs und seiner Mautverbündeten ist für den März angesetzt. Vor einer Klage will Leichtfried abwarten, wie das deutsche Mautgesetz aussieht, wenn es den Gesetzgebungsprozess vollständig durchlaufen hat. Zu diesem Gesetzgebungsprozess gehört auch die Zustimmung des Bundesrats, der deutschen Länderkammer. Dort könnten sich unter anderem deshalb noch Änderungen ergeben, weil die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer einen "mautfreien Korridor […] für die Grenzregion zwischen dem Saarland sowie Frankreich und Luxemburg" fordert.
Teile der CDU wollen Ausnahmen im Grenzgebiet
Der Rheinischen Post sagte die CDU-Politikerin, ihr Bundesland hoffe dabei auf Unterstützung aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, wo man ihrer Ansicht nach ebenfalls "von einer solchen Regelung profitieren" könnte. Das sieht auch Günther Bergmann, der CDU-Vorsitzende des niederrheinischen Landkreises Kleve so. Er hat Angela Merkel einen "Brandbrief" geschrieben, in dem er beklagt, dass Einzelhändler, der Flughafen Weeze und das "Wunderland Kalkar" im Falle einer Mauteinführung gravierende Nachteile durch das Ausbleiben ausländischer Kunden hinnehmen müssten.
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