Krankenhaus im Ausverkauf: Ärzte-Manager

Seite 2: Diktat des über allem stehenden Wirtschaftlichkeitsdenkens

Dass sich jedoch die Entscheidungsebene zwischenzeitlich komplett verschoben hat, ist dem Diktat des über allem stehenden Wirtschaftlichkeitsdenkens zuzuschreiben. Die Kliniken sind im Würgegriff von kühl kalkulierenden Krankenhausmanagern. Von Führungskräften privater Klinikkonzerne wird dabei immer wieder beteuert, wie intensiv und gleichsam auf Augenhöhe die berufs- und gesundheitspolitischen Debatten in ihren Kliniken zwischen Geschäftsführung und den ärztlichen Führungskräften stattfinden.

Es wird auffällig oft betont, wie frei und demokratisch Entscheidungsprozesse geführt und dabei in hohem Maße die Expertise und Kompetenz der leitenden Ärzte berücksichtigt werden. Wie aber sieht es in der Realität aus?

Weil es zum Thema Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Führungskräften und Geschäftsleitungen in deutschen Kliniken kaum aussagekräftige empirische Daten gibt, führte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) bereits 2013 eine umfangreiche empirische Studie über diesen Themenkomplex durch (DGIM-Studie Ärzte-Management 2013).

In einer von externen Beratern konzipierten und begleiteten umfangreichen Online-Befragung wurden ärztliche Führungskräfte internistischer Abteilungen in ganz Deutschland, Chefärzte und leitende Oberärzte befragt. Die Befragungsergebnisse wurden anonymisiert, insgesamt wurden 627 Fragebögen ausgewertet. Der Großteil der Befragten arbeitete zu diesem Zeitpunkt in mittelgroßen und großen Krankenhäusern.

Die Auswertung dieser Studie ergab ein differenziertes und ganz anderes Bild als das in den Hochglanzprospekten vieler Kliniken propagierte harmonische Zusammenspiel zwischen Geschäftsführung und leitenden Ärzten. Nicht nur auf die Frage nach typischen Gesprächsthemen zeigte sich eine bemerkenswerte Einseitigkeit: Fast 85 Prozent der befragten Ärzte gaben an, dass die Gespräche zwischen ihnen und der Geschäftsführung überwiegend von Wirtschaftlichkeits- und Einsparungsthemen dominiert sind.

Es sind also vor allem Geld- und Finanzthemen. Die Ergebnisse zeigen, dass es große Defizite bezüglich des interdisziplinären Themenspektrums der gemeinsamen Management-Agenda gibt. Fast 90 Prozent der Befragten rechnen damit, dass der Ökonomisierungsdruck und die Gewinnerwartungen deutlich negative Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis haben.

Über 75 Prozent der ärztlichen Führungskräfte bemängeln, dass ihnen nicht adäquat Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die medizinische Leistungsfähigkeit ihrer Abteilungen auszuschöpfen. Fast 60 Prozent gaben an, dass das ärztliche Personal nicht ausreichend ist, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Die Befragungsergebnisse zeigen außerdem deutlich, dass das ärztliche Führungspersonal mit teilweise fraglichen Methoden dazu gezwungen wird, Leistungs-, Budget- und Umsatzvorgaben zu erfüllen. Ihnen werden regelmäßig wirtschaftliche Leistungsziele vorgegeben.

Ein aus der Industrie und dem Bankenwesen übernommenes und vor allem bei privaten Klinikkonzernen angewandtes Steuerungsinstrument sind die mit der Geschäftsführung jährlich neu zu verhandelnden Zielvereinbarungen, früher Boni genannt. Diese sind Erfolgsbeteiligungen und als sogenannte variable Vergütung oft ein nicht unerheblicher Teil des Jahreseinkommens eines Chefarztes.

Vonseiten der Konzern- und Geschäftsführung werden solche Erfolgsbeteiligungen für ärztliche Führungskräfte als effektiv und zielführend für die wirtschaftliche Steuerung von Krankenhäusern angesehen. Ganz anders schätzen dies die in der Studie befragten Chef- und leitenden Oberärzte ein.

Etwa ein Viertel der Befragten gab an, dass die Erfolgsbeteiligung einen signifikant hohen Anteil gemessen an ihrer Grundvergütung ausmacht. Mehr als die Hälfte der Befragten muss zum Erhalt der Erfolgsbeteiligung betriebswirtschaftliche Zielvorgaben der Geschäftsführung erfüllen. Bei einem weiteren Teil ist es ein Mix aus wirtschaftlichen und medizinischen Zielvorgaben. Nur bei weniger als 7 Prozent werden rein medizinische Themen als Vorgaben vereinbart.

Die Einschätzungen zu den Auswirkungen von Erfolgsbeteiligungen sind aus Sicht der ärztlichen Führungskräfte weitgehend negativ. So befürchten 84 Prozent, dass Erfolgsbeteiligungen ärztliches Entscheidungsverhalten und das ärztliche Selbstverständnis beeinflussen. 70 Prozent empfinden Erfolgsbeteiligungen nicht als wirkliche Wertschätzung des Arbeitgebers für ihren Einsatz, sondern eher als ein Knebelungsinstrument.

Die auch öffentlich geführten intensiven politischen Diskussionen zum Thema Erfolgsbeteiligung haben in den letzten Jahren immerhin zur Folge gehabt, dass auf Druck von Ärzteverbänden und Gewerkschaften die Erfüllung von solchen Zielvereinbarungen nicht an beispielsweise Fall- oder Operationszahlen gekoppelt sein darf. Trotzdem: Auch wenn die Formulierungen in diesen Zielvereinbarungsverträgen in der Zwischenzeit vorsichtiger und abwägender sind, so ist das Ziel unverändert das gleiche geblieben.

Ärztliche Führungskräfte sollen wie in einem Hamsterrad Leistungen erbringen, um betriebswirtschaftliche Vorgaben und Gewinnmargen zu erfüllen. Die Geschichte vom Esel und der verlockenden Aussicht auf die Karotte. Dass Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften sollen, ist aber alles andere als ein Naturgesetz. Es ist eine politische und gesellschaftliche Entscheidung!

Private Klinikbetreiber sehen dies natürlich völlig anders. Sie verweisen, in diesem Fall durchaus zu Recht, darauf, dass sich der Staat in den letzten Jahren zunehmend aus seiner eigentlich gesetzlich festgeschriebenen Verantwortlichkeit herausnimmt. Das in Deutschland für das Krankenhauswesen vereinbarte duale Finanzierungssystem sieht für Personal-, Betriebs- und Managementkosten eine Finanzierung über die Erlöse aus Kranken- und Sozialkassen vor.