Krankenhausreform: Kliniken befürchten Kahlschlag und schlechtere Versorgung

Bild: fernando zhiminaicela auf Pixabay

Teuer und realitätsfern – so beschreiben Kritiker Reformpläne für Kliniken in Deutschland. Ein Großteil der Patienten müsste sich umorientieren, werdende Mütter hätten es schwer, einen Kreißsaal zu finden.

Karl Lauterbach (SPD) hat eine Revolution im Krankenhaus versprochen. Als der Bundesgesundheitsminister Anfang Dezember die ersten Eckpunkte seiner Reform vorstellte, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Inzwischen laufen die Kliniken Sturm gegen die Reformpläne.

Vertreter von Caritas und Diakonie in Nordrhein-Westfalen sehen die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten in Gefahr. Das Konzept der von Lauterbach eingesetzten Kommission würde deutlich weitere Fahrwege bedeuten, erklärten sie am Dienstag in Düsseldorf. Zudem würden dann weniger Ausbildungsplätze in Gesundheit und Pflege angeboten.

Am Montag hatten sich bereits Verantwortliche aus Bayern und Schleswig-Holstein kritisch zur geplanten Reform geäußert. Nach Einschätzung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) seien die Vorschläge so kompliziert, dass sie sich nicht umsetzen ließen.

Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) betonte am Montag, alle wüssten, dass eine Strukturreform bei den Krankenhäusern notwendig seien. Aber die Reform dürfte nicht dazu führen, dass gute Strukturen zerschlagen würden. Die Bundesländer müssten weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten haben. Immerhin sei Schleswig-Holstein mit Inseln und Halligen nicht mit anderen Bundesländern zu vergleichen.

Nach den Plänen der Regierungskommission sollen die Kliniken in Deutschland in fünf verschiedene Stufen eingeteilt werden. Je nach Stufe wird bei der Finanzierung unterschieden und auch dabei, welche Leistungen erbracht werden dürfen.

Nach einer Analyse des Forschungsinstituts Institute for Health Care Business (hbc) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) müssten sich viele Patienten neue Behandlungsorte suchen. Das würde rund 52 Prozent aller werdenden Mütter betreffen, 56 Prozent der Patienten in der interventionellen Kardiologie, 47 Prozent in der Urologie und 39 Prozent in der Neurologie.

"Eine Reißbrett-Krankenhausplanung, die mit der Brechstange an gewachsene Strukturen geht, wird weder bei den Ländern noch bei den Bürgerinnen und Bürgern Zustimmung finden", erklärte Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, laut kirchlicher Nachrichtenagentur KNA.

Ein Großteil der Kliniken würde wahrscheinlich nicht überleben. In Nordrhein-Westfalen wären es wahrscheinlich nur 83 von 358 Kliniken, wie die Rheinische Post am Dienstag aus einer Studie zitierte. Herzinfarkte würden dann nur noch in 34 von 136 Häusern behandelt. Geburten wären wahrscheinlich nur noch in 35 von 137 Kliniken möglich.

Ingo Morell, Chef der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, erklärte laut KNA am Dienstag ebenfalls, die Vorschläge der Regierungskommission führten zu rigorosen Einschnitten für die Patienten.

Wichtige medizinische Leistungen müssten bei konsequenter Anwendung des Reformkonzepts auf nur noch 36 Krankenhäuser im Rheinland und in Westfalen-Lippe konzentriert werden. Das bedeute, dass der überwiegende Teil der 337 NRW-Krankenhäuser von elementaren Teilen der Versorgung ausgeschlossen würde.

"Eine solche Krankenhausplanung vom grünen Tisch in Berlin folgt zahlengetriebenen Zielen, die am tatsächlichen Bedarf der Menschen in ihrem Umfeld vorbeigehen", erklärte Morell. Im Mittelpunkt müsse aber eine verlässliche, gut erreichbare und qualitativ hochwertige Versorgung für die Patientinnen und Patienten in den Städten und auf dem Land stehen.

Ähnlich würde es wohl auch in Schleswig-Holstein aussehen. Nach Angaben von Gesundheitsministerin von der Decken würden mit der Reform sechs von 16 Geburtsabteilungen automatisch wegfallen. In Nordfriesland würde es dann gar keine Abteilung für Geburtshilfe geben.

In Bayern machte man dagegen auch auf die enormen Kosten der Reform aufmerksam. Nach Einschätzung der BKG könnte die Reform bis zu 100 Milliarden Euro verschlingen. Die Kommissions-Vorschläge seien für die praktische Umsetzung nicht geeignet, betonte BKG-Vorsitzende Tamara Bischof.

Karl Lauterbach zeigte sich einem Bericht des Handelsblatts zufolge unbeeindruckt von der Kritik. Am Montag habe er von Angstmache gesprochen. Er habe auch gesagt, dass es in einem so frühen Stadium gar nicht möglich sei, die Folgen seiner Reform zu berechnen.

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