Kreml-Sprecher: Nawalny soll Handlanger der CIA sein

Nawalny beschuldigt weiterhin Putin persönlich, der Kreml soll dem Vorbild Goebbels folgen. Deutschland will den UN-Sicherheitsrat einschalten, der aber steht im Oktober unter russischer Präsidentschaft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Alexei Nawalny legte nach seinem Spiegel-Interview, in dem er Wladimir Putin direkt beschuldigte, den Nervengiftanschlag auf ihn beauftragt zu haben, noch einmal nach. Dabei versuchte er offensichtlich ironisch zu sein. Er sei sich sicher, schrieb er gestern auf seinem Blog, dass Putin "persönlich" hinter dem Mordanschlag steht, und er sei sich auch sicher, dass überall im Kreml Porträts von Goebbels hängen. Alles folgt seinen Regeln." Es würde eine monströse Lüge verbreitet, die Aufmerksamkeit auf sich zieht und den Fokus von dem ablenkt, was versteckt werden soll. Das könnte man auch so verstehen, dass er von dem Giftanschlag spricht.

Aber Nawalny versucht natürlich, Russlands Versuche zu diskreditieren, sich von einer Verantwortung freizusprechen. Da gab es in der Tat mehrere Ansätze, angefangen davon, dass keine Vergiftung nachgewiesen werden konnte, dass es sich um einen Kreislaufzusammenbruch handelte, dass Nawalny die Vergiftung selbst inszeniert habe oder dass hinter allem irgendwie die CIA stecken könnte. Westliche Geheimdienste, vor allem die CIA, sagte der Kreml-Sprecher Peskow, hätten mit Nawalny kooperiert, auch jetzt erhalte er Anweisungen. Es sei nicht so, dass er mit den Geheimdiensten zusammenarbeite, "sondern westliche Geheimdienste arbeiten mit ihm." Das tun sie wahrscheinlich, abwegig ist das keineswegs, dass Geheimdienste Oppositionelle fördern und einspannen. Aber wenn dies von höchster politischer Position als Wissen behauptet wird, müssten Belege vorgelegt werden, um glaubwürdig zu sein.

Moskau verlangt Transparenz und Übermittlung der Beweise für die Beschuldigungen, dass ein Anschlag mit Nowitschok auf Nawalny stattgefunden habe, der nur von Russland ausgehen konnte. Man vermisst allerdings, dass Moskau selbst offenbart, was der Stand der Ermittlungen, Geheimdienstinformationen inklsuive, ist und die entsprechenden Dokumente veröffentlicht. Russland und Deutschland spielen dasselbe Spiel, jeweils dem anderen mangelnde Kooperation vorzuwerfen, anstatt die angeblich vorliegenden Fakten vorzulegen. Da scheinen auf beiden Seiten Interessen zu verhindern, Informationen an die Öffentlichkeit zu geben.

Nawalny will Klage gegen Kreml-Sprecher Peskow einreichen

Die Politik der unbelegten Behauptungen, die derzeit auf beiden Seiten praktiziert wird, selbstverständlich auch von Nawalny, ermöglicht es, Russland, das auf der schwächeren Seite steht, berechtigt Verbreitung von Desinformation vorzuwerfen. Nawalny nutzt das aus, breitet ironisch die Verbindungen von Peskow und seiner Familie in Frankreich und die USA aus und fordert die Vorlage von Beweisen über seine angebliche Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten, das sei zwar Unsinn, wäre aber schließlich eine Frage der staatlichen Sicherheit, sollte es zutreffen. Er wolle Anklage gegen Peskow erheben, gibt er bekannt, und verlangt Beweise und Fakten der Zusammenarbeit mit der CIA, die im Fernsehen gezeigt werden sollten. Diese Offenheit geht nicht so weit, ähnliches von der Bundesregierung zu verlangen.

Nawalny schreibt weiter, er hoffe, dass die russische Botschaft ihn überwachen lasse und genau wisse, was er in Berlin mache, nämlich zwei schockierende Spaziergänge im Park pro Tag zusammen mit einem CIA-Agenten, der ihm sage, er solle die Gymnastikmatte aufrollen und versuchen, mit geschlossenen Augen darauf zu stehen. Das solle wohl bedeuten, die CIA wolle die Operation fortsetzen, Putin zu diskreditieren und sei mit der Simulation der Vergiftung nicht zufrieden.

Man wird annehmen können, dass Nawalny von Russland, soweit dies möglich ist beobachtet wird. Und auch wenn sich Nawalny bemüht, sich darüber lustig zu machen, wäre es naiv zu glauben, dass er nur für die Politik wie für Bundeskanzlerin Merkel zu einer wichtigen Figur in der Auseinandersetzung mit Russland wurde, und nicht auch für den BND und andere Geheimdienste. Zum Spiegel-Interview soll er in Begleitung von vier LKA-Beamten gekommen sein. Entsprechend wird er auch anderswo abgeschirmt werden, nicht aber vor dem BND, dem MAD oder eben vielleicht auch anderen westlichen Geheimdiensten.

Brief an den UN-Generalsekretär und den Sicherheitsrat

Inzwischen wurde Deutschland im Fall Nawalny im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv. In einem Brief an den UN-Generalsekretär Antonio Guterres und Abdou Abarri aus Niger, der im September den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates hatte, den im Oktober der russische UN-Botschafter Vasily Nebenzya übernommen hat, fordern die Ständigen Vertreter von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Estland Russland auf, die Umstände von Nawalnys Vergiftung dringend, vollständig und transparent aufzuklären. Der Sicherheitsrat soll darüber informiert werden. Offenbar war es eilig, man wartete nicht einmal den OPCW-Bericht ab.

Der Brief mit der Standardforderung, der Deutschland seinerseits nicht gerecht wird, wurde am letzten Tag des Vorsitzes von Abdou Abarri abgeschickt. Nebenzya riet Deutschland und den anderen Staaten auf einer Pressekonferenz dazu, "mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten" und nicht schnell noch vor dem Ende der Präsidentschaft Nigers Briefe zu schreiben, um ein Briefing zu verlangen. Auf dem Programm des UN-Sicherheitsrats für Oktober unter russischer Präsidentschaft wird der Fall Nawalny nicht erwähnt.