Krieg ist gut fürs Geschäft
Mit Alpha Protocol legt Obsidian Entertainment den wohl schwächsten Titel in der Firmengeschichte vor
Ein Flugzeug startet. Gleichzeitig feuert jemand eine Rakete ab, die schnurstracks in dessen Richtung düst. Näher gekommen öffnet sich die Rakete und aus ihrem kommen mehrere kleinere Geschosse heraus, die mit hohem Tempo gen Flugzeug steuern, sodass dieses explodiert. Sogleich erscheint ein Fernsehbildschirm, der einen Bericht von der Absturzstelle zeigt. Doch es ist nicht das einzige Szenario, das den Spieler auf das globale Chaos hinweist: Ein Mann steht vor einer Wand voller Displays. Kurz darauf öffnet sich im Hintergrund eine Tür, und Agent Michael Thornton betritt den Raum. Er sei für das Dilemma verantwortlich, sagt der Mann…
Mit diesem Intro bleibt man aber erst einmal allein. Die Entwickler, Obsidian Entertainment, rollen die Geschichte nämlich lieber von hinten auf, soll heißen: Bis einem klar ist, dass sich hinter dem Mann Henry Leland, der Chef der Halbech Corporation, versteckt, dauert es eine Weile. Zunächst erwacht Thornton aus einem Betäubungsschlaf und sucht einen Weg aus der Klinik, in der ihn jemand gefangen hält. Hierzu muss Thornton Schaltkreise überbrücken, um verschlossene Türen zu öffnen. Auch einen Computer muss er hacken. Das hält einen viel zu lang auf. Selbiges gilt für das anschließende Schießtraining.
Zum Glück findet Thornton rasch heraus, dass es sich bei dem Ganzen bloß um ein Training handelt. Tatsächlich ist es die Vorbereitung auf einen großen Auftrag: Der Agent soll in Erfahrung bringen, wo die Raketen geblieben sind, die der Halbech Corporation gestohlen wurden. Dazu reist der Agent zunächst nach Saudi-Arabien, da seine Auftraggeber vermuten, ein einflussreicher Scheich namens Shaheed stecke hinter der Sache. Wie für das Agentengenre à la James Bond üblich, bleibt es nicht bei diesem einen Trip. Die Recherchen des Helden führen ihn auch nach Moskau und Taipeh.
Obsidian Entertainment liefern zwar einen ansprechenden Mix aus Action- und Rollenspiel, bewegen sich aber in puncto Spielkonzept auf altbekanntem Niveau. Thornton schleicht sich wie Splinter Cell-Protagonist Sam Fisher an Wachen vorbei oder schafft sie hinterrücks mit Gewalt aus dem Weg. Da die Gegner allerdings bereits im mittleren Schwierigkeitsmodus ziemlich schwer zu überwinden sind, braucht der Spieler einiges an Geduld. Thornton kratzt schnell die Kurve, wenn er zu aggressiv vorgeht. Statt der Holzhammermethode empfiehlt sich daher das vorausschauende, das taktische Agieren.
Während des Gesprächs mit anderen Personen kann Thornton unterschiedlich reagieren, was selbstverständlich Einfluss auf den weiteren Verlauf der Unterhaltung hat und zuweilen zu Überraschungen führt. So weit, so gut. Doch das Dialogsystem kommt ziemlich öde rüber, da man ähnliche Ansätze längst aus etlichen anderen Videospielen kennt. Und angesichts so grandios schöner Titel wie Final Fantasy XIII und Heavy Rain haut einen auch die Grafik von Alpha Protocol nicht vom Hocker; man fühlt sich eher an Produkte aus der späten PlayStation2-Phase erinnert – also vielleicht eher Beta Protocol?
Dass Obsidian Entertainment ein so enttäuschendes Bild zurücklässt, scheint aber kein allzu großes Wunder zu sein, sagt doch Obsidian-Chef Feargus Urquhart in einem von Publisher Sega produzierten Video, viele würden sagen, die Story sei das Wichtigste. Reduziert man dann Alpha Protocol ganz und gar auf die Geschichte, so hat man es durchaus mit einem interessanten Inhalt zu tun. Im Kern vermittelt einem die Entwickler, dass Krieg gut fürs Geschäft ist und Regierungen weniger Macht als Konzerne haben. Ganz ähnliche Botschaften haben aber auch schon etliche Spionagefilme verbreitet. Man denke nur an The International.
Klingt alles viel zu kritisch? Ist ja nur subjektiv, und zudem von einem Betrachter, der lieber einen guten Thriller liest oder spannend inszenierte Filme um Wirtschaftskomplotte sieht. Vor diesem Hintergrund funktioniert Alpha Protocol absolut nicht. Selbst die ausgefallenen Charaktere, denen Thornton während seiner Missionen begegnet, lassen einen kalt. Insofern eignet sich das Game lediglich für jüngere Gelegenheitsspieler. Die sollten dann aber lieber mal Star Wars: Knights of the old Republic 2 oder Neverwinter Nights 2 zocken. Beide Titel stammen nämlich auch von Obsidian Entertainment und sind bei weitem packender.
Alpha Protocol ist für PC, PlayStation3 (Test) und Xbox 360 erschienen.