Krieg und Bilder
Die Fernsehbilder vom Mob, der die israelischen Soldaten gestern gelyncht hat, verschaffen Israel einen strategischen Vorteil
So grausam die Bilder waren, auf denen man sah, wie der aufgebrachte Mob von Palästinensern in Ramallah einen der offenbar gefolterten und getöteten jungen israelischen Soldaten aus dem Fenster der Polizeistation warfen und auf dessen Leichnam herumtrampelten, so hat diese Aktion unter den Augen der Medienöffentlichkeit doch den Israelis geholfen.
Zwei oder drei israelische Reservisten waren gestern angeblich vom Weg abgekommen und wurden dann bei einer palästinensischen Straßenblockade von der Polizei festgenommen und auf die Station gebracht. Inzwischen hatte sich eine Menge von etwa 1000 Menschen versammelt. Es scheint das Gerücht aufgekommen zu sein, dass die Soldaten wieder freigelassen werden, dann begannen die Menschen Steine und Flaschen auf die Station zu werfen. Einige Polizisten und andere Menschen sollen versucht haben, die Menge zu beruhigen und sich dazwischen zu stellen. 15 Polizisten sollen dabei verletzt worden sein, während angeblich Polizisten von anderen Revieren sich an dem Mob beteiligt hatten. Schließlich drangen etwa 15 Menschen in die Polizeistation und töteten die zwei israelischen Soldaten. Möglicherweise fiel auch noch dritter Soldat in ihre Hände.
An den Fenstern zeigten sich Menschen, die sich am Lynchen beteiligt hatten, stolz mit blutigen Händen, während die Menge grölte. Gefilmt wurde aber auch von dem Team des italienischen Fernsehsenders TG4, wie der tote Soldat aus dem Fenster geworfen, mit einem Fensterrahmen geschlagen, mit Fäusten und Füßen bearbeitet und durch die Straße geworfen wurde. Anschließend wurden die beiden Leichname offenbar ohne Kommentar den israelischen Behörden übergeben.
Bislang hatte Israel einen großen strategischen Nachteil, denn um die Welt gingen die Bilder von den verletzten und getöteten Palästinensern, vor allem natürlich von den Kindern wie dem 12jährigen Mohammed Aldura, der von den Israelis erschossen wurde. Kriege welcher Art auch immer, das ist schon lange bekannt, werden nicht primär auf den Schlachtfeldern, sondern vor allem in den Medien ausgefochten. Und Bilder sind dabei die mächtigste, aber auch die trügerischste Waffe, weil sie notwendigerweise komplexe Situationen verkürzen und auf eine Szene verdichten. Und wie auch immer die Kommentare, im Fernsehen in aller Regel ebenso verkürzt, ausfallen, so bleiben die Bilder in den Köpfen, zumal dann, wenn die Aufmerksamkeit durch Schreckliches gebannt wird.
In Konflikten muss die medial benachteiligte Partei versuchen, gegen die Bilder der anderen aufzurüsten oder sie abzuwehren. Glücklich ist natürlich die unterlegene Partei, wenn die Gegenbilder nicht von ihr selbst stammen, sondern von "unparteiischen" Beobachtern oder Medien stammen. Während die Regierung mit der Opposition zusammen rutschte und das Militär eine endlich "gerechtfertigte" Gegenattacke führte, hat das Außenministerium eine Pressestelle eingerichtet, um die gemeinsame Informationsattacke der Polizei, des Militärs, des Büros des Premierministers und des Außenministeriums zu bündeln, koordiniert durch Nahman Shai, und die "guten Bilder" als strategische Waffen im Kampf um die Gunst der Weltöffentlichkeit einzusetzen.
Natürlich wurden die Filme, die das italienische Fernsehteam auch dem Außenministerium gab, im israelischen Fernsehen gezeigt. Angehörige des Ministeriums sagten gegenüber der Zeitung Jerusalem Post, dass man im Krieg um die Fernsehbilder bislang stark benachteiligt gewesen sei: "Bilder können einen Kampf entscheiden, jedoch keinen Krieg, und es ist schwer, gegen Bilder nur mit Worten anzukommen." Mit den Bildern wird jetzt in den offiziellen Stellungnahmen auch die nicht eindeutige Situation vereinfacht. Gesagt werden soll im Sinne der Informationsstrategie, dass die palästinensische Polizei das Lynchen zuließ und unterstützte, dass Arafat die Atmosphäre schuf, durch die das möglich wurde, indem er beispielsweise in Haft befindliche Kämpfer von Hamas und Jihad freiließ, und ganz allgemein dafür verantwortlich gemacht wird, den Nahen Osten in einen Krieg zu ziehen. Shai sagte, Arafat hätte auch die palästinensischen Medien benutzen können, um die Situation zu beruhigen. Das habe er aber nicht gemacht, sondern die Medien wurden dafür benutzt, "die Menschen darin zu verstärken, auf die Straßen zu gehen und diese schrecklichen Dinge zu machen."
Die Ha'aretz schreibt, dass ein Angehöriger der palästinensische Autonomiebehörde behauptet, Israel würde im Kampf gegen diese auch zum "Informationsterrorismus" greifen und versuchen, die Websites zu sabotieren und falsche Informationen zu verbreiten, um den Grund für einen Angriff zu legen. Das Lynchen der Soldaten sei gewissermaßen ein gefundenes Fressen, um den schon lange geplanten Angriff durchzuführen. Tatsächlich lassen sich die Seiten www.pna.org und www.pna.net derzeit nicht aufrufen, was aber auch einfach an der Überlastung liegen kann.
Arafat hat nach Angaben des britischen Außenministers Robin Cook, der sich mit ihm getroffen hatte, inzwischen die Festnahme der Menschen angeordnet, die sich an der Tötung der israelischen Soldaten in Ramallah beteiligt hatten.