Kriegsverbrechen: Bundesanwaltschaft geht gegen al-Nusra-Mitglieder in Deutschland vor

Der wütende Scheich al-Muhaysini, al-Qaida-Ideologe mit engsten Verbindungen zur al-Nusra-Front. Foto: Screenshot

Vier syrische Staatsangehörige wurden im Norden festgenommen wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - nicht der einzige Fall in jüngster Zeit

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Die Bundesanwaltschaft hat heute vier syrische Staatsangehörige in Lübeck sowie in Hamburg und Umgebung festnehmen lassen. Einer von ihnen lebte, wie eine Lokalzeitung berichtet, seit knapp zwei Jahren mit seiner Familie in einem kleinen Ort in einem gelbgeklinkerten Zweifamilienhaus mit Garten - allem Anschein nach ein friedliches, behütetes Leben.

Vielleicht haben die Nachbarn Tagesschau geschaut, die Bildzeitung oder den Spiegel gelesen. Dann hätten sie Sultan K. als "Rebellen" bezeichnet. Die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshof sind allerdings auf den Vorwurf der "Mitgliedschaft der ausländischen terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra" ausgestellt, wie die Pressemitteilung des Generalbundesanwalts Bescheid gibt. Die Nachbarn hatten keine Ahnung.

Im Einklag mit Baschar al-Assad

Neben der Tatsache, dass die Bundesanwaltschaft mit ihrer Einordnung der Miliz als "terroristisch" mit Baschar al-Assad im Einklang steht, sind auch die weiter angeführten Beschuldigungen gegen die Brüder Mustafa K., Abdullah K., Sultan K. sowie Ahmed K. beachtenswert. Weil sie politische Bezüge haben, die in der Syrien-Berichterstattung selten Erwähnung fanden, da man nicht Partei mit Assad machen wollte.

Den Männern wird vorgeworfen, dass sie gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen haben und nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen vertrieben und deren Besitz geplündert haben. Ihnen wird im Haftbefehl zudem die Begehung von Kriegsverbrechen zur Last gelegt.

Es geht um Kriegsverbrechen auf syrischem Boden(!). Und im Passus, der die Beschuldigungen erläutert, geht es ziemlich politisch zu:

Die vier Beschuldigten schlossen sich spätestens Anfang November 2012 in Syrien der "Jabhat al-Nusra (JaN)" an. Spätestens seit dieser Zeit war die "JaN" in der nordsyrischen Stadt Ra’s al-‘Ain an bewaffneten Auseinandersetzungen gegen syrische Regierungstruppen beteiligt. Nach der Einnahme des westlichen Teils von Ra’s al-‘Ain entschlossen sich Mustafa K. und Sultan K. gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der "JaN", Angehörige des Assad-Regimes von dort zu vertreiben. Unter anderem nahmen Mustafa K. und Sultan K. gemeinsam mit einer Gruppe von etwa zwanzig weiteren Mitgliedern der "JaN" einen Beamten des Assad-Regimes fest und vertrieben dessen weitere Familie aus der Stadt. Das Anwesen der Familie wurde von ihnen geplündert.

Pressemitteilung des Generalbundesanwalts

Erwähnt wird auch, dass die Brüder Fahrdienste für die Vereinigung leisteten, Wachdienste und, dass bei alledem Waffen mit dabei waren. Zudem wird Sultan K. und Abdullah K. vorgeworfen, dass sie an Gefechten mit den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) teilnahmen.

Rebellen dort, Gefährder hier

Das sind allesamt Anschuldigungen, die sich auf den syrischen Krieg beziehen, nicht auf etwaige Terrorpläne in Deutschland. Dennoch ist dieser Zusammenhang da, wie dies Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) dann auch deutlich machte:

Die heutigen Festnahmen sind ein weiterer wichtiger Schlag gegen islamistische Gefährder.

Boris Pistorius

Im Sommer letzten Jahres wurden die, die in Deutschland heute Gefährder sind, in Syrien noch als "Hoffnung" beschrieben. Vermutlich aus dem einfachen Grund, weil der Gegner al-Assad hieß und vor allem Russland. Das färbt auf die Wahrnehmung ab.

Geht es aber nicht um die Sicherheit Syriens, sondern um die in Deutschland, so wird das Visier offensichtlich genauer eingestellt. Der heutigen Verhaftung gingen andere Festnahmen von Verdächtigen voraus. So Ende Mai die Festnahme des mutmaßlichen al-Nusra-Mitglieds Ahmet A. A.:

(…) Während seiner etwa zweijährigen Mitgliedschaft beteiligte er sich an Kampfhandlungen gegen Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, unter anderem im Sommer des Jahres 2013 in der Stadt Tabka/Syrien. Dabei war er stets mit einem Schnellfeuergewehr des Typs Kalaschnikow bewaffnet.

Bundesanwaltschaft

Ende April teilte die Generalbundesanwaltschaft mit, dass gegen die syrischen Staatsangehörigen Abdul Jawad A. K., Abdoulfatah A., Abdulrahman A. A. und Abdalfatah H. A. vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart Anklage erhoben wurde.

Als Vorwürfe werden genannt, "hinreichend verdächtig, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra beteiligt" zu haben, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Kriegsverbrechen, Mord und die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Ein Auszug aus der Pressemitteilung:

Im März 2013 töteten die Angeschuldigten Abdul Jawad A. K., Abdulrahman A. A. und Abdalfatah H. A. auf einem Müllplatz in der Nähe der syrischen Stadt Tabka insgesamt 36 Mitarbeiter der syrischen Regierung, die zuvor bei der Eroberung der Stadt Rakka gefangen genommen worden waren. Die Hinrichtungen erfolgten in Vollstreckung eines Urteils eines Scharia-Richters der Jabhat al-Nusra.

Bundesanwaltschaft

Proteste der Bevölkerung gegen Al-Qaida in Syrien

Derweil ist es mit der deutschen Berichterstattung über al-Qaida in Syrien noch ruhiger geworden. Der Kampf gegen die IS-Dschihadisten steht auch für die syrische Armee und ihre Verbündeten im Vordergrund. Es geht um die Rückeroberung strategisch bedeutender und ressourcenreicher Gebiete im Osten des Landes, um Palmyra, Sukhna und besonders Deir ez-Zor wie auch um wichtige Grenzübergänge zum Irak.

Doch gibt es nach wie vor eine al-Qaida-Hochburg in Syrien. In Idlib herrscht die al-Nusra-Front, wie dies in diesem Video deutlich zu erkennen ist. Es sei noch einmal erwähnt, dass die Namensänderungen von al-Nusra wie auch die so genannte Trennung von al-Qaida reine Propaganda-Maßnahmen waren, der leider hauptsächlich die größeren Medien und Nachrichtenagenturen aufgesessen sind. Es war ein Ziel der al-Qaida-Taktik, dass der Dschihad in Syrien als "Revolution" oder "Aufstand" erzählt und berichtet werde, der von der Bevölkerung getragen wird.

Dass dies al-Qaida-Kriegs-PR in Reinkultur war, zeigt sich nun auch in Videos aus Idlib, wo al-Nusra-Mitglieder auf Bewohner schießen und Bewohner gegen al-Nusra protestieren und sie als Verbrecher beschimpfen. Auch unter den dschihadistisch-salafistischen Milizen gibt es Spannungen, so zwischen der al-Nusra-Front, die die Herrschaft in Idlib hat, und Ahrar al-Sham. Russland und Syrien halten sich weitgehend heraus. Zuständig wäre laut Astana-Abmachungen die Türkei als Garantiemacht der bewaffneten oppositionellen Gruppen.

Die Frage wird sein, was mit den einigen tausend ausländischen Kämpfern der al-Qaida und von Ahrar al-Sham in Idlib passiert. Werden sie bleiben dürfen, womit eine latente Gefahr einhergeht, oder gehen müssen? Wohin?

Scherzen mit al-Qaida

Zu den von westlichen Medien während des Kampfes um Aleppo zitierten Quellen "der Aufständischen" (siehe z.B. "Das ist unser letztes SOS") gehörte der amerikanische Journalist Bilal Abdul Kareem von On the Ground News (ONG).

In einem aktuellen Video sieht man ihn lachend und munter bei einem gut gelaunten Plauderstündchen mit dem al-Qaida-Rekruteur Scheich al-Muhaysini.