Kriegswaffen aus dem Computerladen

Das US-Militär setzt verstärkt auf herkömmliche Computertechnik statt auf Eigenentwicklungen

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Kein Zweifel, was die USA derzeit am persischen Golf an Hightech-Waffen und -Ausrüstung aufbieten, dürfte in der Militärgeschichte einmalig sein. "Bislang gab es in der Menschheitsgeschichte keinen Zeitpunkt, wo Kriegsgegner so klar darüber informiert waren, wo ihre eigenen Leute sind, wo die Feinde sind und wie sie die Situation am Besten in den Griff bekommen", so Loren Thompson, Militärexperte am Lexington Institute in Arlington. Dauerte es im ersten Golfkrieg "Desert Storm" noch mehrere Stunden oder gar Tage, bis das Hauptkommando beispielsweise von der Position einer gegnerischen mobilen Raketenabschussbasis erfuhr und eine entsprechende Gegenmaßnahme einleiten konnte, so können die Militärs heute jedes sich auf dem Land oder in der Luft bewegende Objekt sofort orten und innerhalb weniger Minuten mit einer Rakete zielgenau zerstören.

Predator-Drohne vor dem Einsatz in "Operation Iraqi Freedom". Foto: U.S. Air Force

Zu verdanken hat das ansonsten schwerfällige Militär diese Möglichkeiten dem Fortschritt in der digitalen Computer- und Vernetzungstechnologie und einem Umschwung im Verteidigungsministerium, das seit dem Golf-Krieg 1991 nicht mehr strikt darauf besteht, eigene Geräte speziell für die militärischen Bedürfnisse entwickeln und fertigen zu lassen, sondern sich zunehmend auch mit bereits kommerziell auf dem Markt angebotenem Equipment bedient. "Das hat die Entwicklung von AWACS, Joint Stars oder dem Predator beschleunigt und die Kosten niedrig gehalten", erklärt Glenn Goodmann, Redakteur beim Intelligence Surveillance and Reconnaissance Journal.

So benutzt beispielsweise Boeing zur zielgenauen Lenkung der JDAM-Bomben ein GPS-System, mit dem auch ein Segler seine Position auf dem Meer bestimmt. Und die GPS-Koordinaten werden zur Manövrierung der Raketen in den gleichen Mikroprozessor eingespeist, der bereits 1995 in Apple Macintosh-Computern eingesetzt wurde. Auch Joint Stars konnte durch ein Upgrade auf Server der Firma Hewlett-Packard seine Rechenpower verzehnfachen, während gleichzeitig die Kosten der Computerausstattung von 19,5 auf 4,5 Millionen US-Dollar gesenkt werden konnten. "Wer will, kann sich das Computer-Equipment, das hinter Joint Stars steckt, mit seiner Kreditkarte im Internet kaufen", witzelt Dale Burton vom Technologiezulieferer Northrop.

Die Entscheidung, auch kommerzielle Technologie zuzulassen, war die einzige Möglichkeit für die US-Militärs, ebenfalls an Moore's Gesetz teilzuhaben, nämlich die Rechengeschwindigkeit alle 18 Monate zu verdoppeln, sagt Militärspezialist John Pike von GlobalSecurity.org. "Da gab es einfach eine fundamentale Änderung weg vom Selbermachen hin zum Kaufen." Die ständig fallenden Preise bei zunehmender Stabilität und Alltagstauglichkeit der digitalen Technologien waren ausschlaggebend. Gerade die Computertechnologie galt noch bis vor einigen Jahren auf dem Militärsektor als sehr teuer und anfällig, heute eignet sie sich sogar auf dem Schlachtfeld, und ist billig obendrein.

Und erst damit ist es möglich, Sensoren, Kommunikationsgeräte und Waffen miteinander zu vernetzen und zu bislang ungekannter Effizienz zu führen. Schon vor dem eigentlichen Kriegsbeginn wurden digitale Bilder von Überwachungssatelliten, U2-Flugzeugen oder dem unbemannten Spionageflugzeug Global Hawk in Beziehung gesetzt mit Radar- und Telefonstrahlung von 7.000 Bunkern, Regierungsgebäuden und militärischen Einrichtungen, die für spätere Bombenangriffe ausgesucht wurden. Erst jetzt während der Kriegsphase durchsuchen bemannte und unbemannte Flugzeuge den Boden und den Luftraum und senden die Bilddaten an das Hauptquartier in Katar.

Hierzu gehört auch der mit deutschen Soldaten besetzte AWACS-Aufklärer, eine Boing 707, die in zehn Kilometern Höhe über dem Boden den Luftraum nach Feinden und abgefeuerten Raketen absucht. Daneben scannt Joint Stars, ebenso eine mit einer speziellen Radarantenne modifizierte Boing 707, den Boden nach sich bewegenden Objekten ab. Die in nur fünf Kilometern Höhe fliegenden unbemannten Predator-Drohnen liefern genauere Details über die von Joint Stars erfassten Objekte an die Kommandostation, die dann Kampfjet- und Panzerpiloten online darüber informieren, welche Objekte feindlich sind und welche aus den eigenen Reihen stammen, wo sie sich befinden und anhand der genauen GPS-Koordinaten eine Rakete zielgenau dorthin zu steuern. Dieser Realtime-Zugriff auf aktuelle Daten erlaubt der Besatzung nicht nur schnelles Handeln, sondern schützt auch vor friendly-fire-Unfällen, da die Piloten der Kampfjets und der Panzer bis zur letzten Minute noch korrigierte Informationen bekommen können.