Krise aufgeschoben: Kompromiss im US-Haushaltsstreit
Wenige Stunden vor der "finanziellen Apokalypse" gab es doch noch einen Deal
Die "Debt Ceiling Deadline"-Uhren tickten stetig dahin auf CNBC und CNN. Dann, zur Washingtoner Mittagszeit und zehn Stunden vor Ankunft der "finanziellen Apokalypse", wurde der Kompromiss medial groß angekündigt. Es war allerdings zunächst nur eine Einigung auf einen Kompromiss zwischen den alten Politik-Haudegen im Senat Harry Reid und Mitch McConnell. Doch ein paar Stunden später meldete sich auch der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner zu Wort: "We fought the good fight. We just didn't win."
Boehner drängte seine Kollegen im Repräsentantenhaus, für den Kompromiss zu stimmen. Auch Ted Cruz, Tea-Party Wortführer gegen Obamacare in den vergangenen Wochen, hatte versichert, das Prozedere seines Kollegen nicht mehr zu blockieren zu wollen. Nach dem Senat hat damit auch das Repräsentantenhaus das Gesetz mit einer Mehrheit von 288 zu 144 Nein-Stimmen gebilligt. Damit hat die Mehrzahl der republikanischen Abgeordneten das Gesetz abgelehnt und ist Boehner nicht gefolgt, während alle Demokraten zugestimmt haben. US-Präsident Obama beeilte sich nach seinem Sieg, das Gesetz zu unterzeichnen, das damit in letzter Selkunde in Kraft trat.
Der Reid-McConnell-Deal beinhaltet: Die Regierung erhält einen Übergangsetat bis 15. Januar 2014 und darf weiterhin Geld borgen bis 7. Februar. Die Republikaner bekamen ihr Obamacare-Zugeständnis, es muss sich für sie allerdings nahezu wertlos anfühlen und dient eher dazu, dass die Republikaner nicht das Gesicht vor ihrer Wählerschaft verlieren. Statt des am Dienstag kurzerhand vom Repräsentantenhaus in Umlauf gebrachten Vorschlags, der den "Vitter-Zusatz" beinhaltetet, benannt nach Ideengeber Senator David Vitter (R), wonach Zuschüsse zur Krankenversicherung für Mitarbeiter und leitende Angestellte des US-Kongresses gestrichen werden sollten, heißt es nun: striktere Beaufsichtigung bei diesen staatlichen Subventionen. Dazu soll eine parteiübergreifende Kommission bis Mitte Dezember diesen Jahres Empfehlungen für die Bekämpfung des Staatsdefizits machen, wie bei den Sozialausgaben gekürzt werden kann, und einen Vorschlag zur Steuerreform vorlegen.
Über diese Kommission konnte Newt Gingrich im Fernsehen nur milde lächeln. Der Republikaner und Geschichtsprofessor erinnerte sich vermutlich an das letzte so genannte "Super Committee". Ende 2011 wurde es zum gleichen Zweck ernannt, nämlich um einen "Deficit Reduction Deal" zu erarbeiten, ohne Erfolg. Auch diesmal sehen Experten wenige Aussicht auf Besserung, da es schlicht kein Druckmittel gibt für die parteiübergreifende Kommission, bis zum angegeben Datum mit etwas Handgreiflichem dazustehen. Das Reid-McConnell-Abkommen "(is) kicking the can down the road", sagte Gingrich.
Es ist nur eine temporäre Lösung, Anfang des Jahres wird der Streit erneut aufbrechen. Und dann werden nicht nur die Tea-Party-Anhänger die Mid-Term-Wahlen im November im Auge haben. Man müsse endlich etwas Konkretes tun, um das Schuldenproblem in den Griff zu bekommen, prophezeite Gingrichs Parteikollege im Repräsentantenhaus Robert Pittenger.
Gegenwärtig aber wird erst einmal die Freude des Marktes überwiegen, Schlimmeres abgewendet zu haben. Die vergangenen Tage hatten alles andere als Lichtblicke hervorgebracht: Noch am Wochenende hatte der Senat das Verhandlungs-Zepter in die Hand genommen, weil das Repräsentantenhaus und Obama ihre Gespräche kurzerhand abbrachen. Am Dienstag mischte sich das Boehner-Haus dann doch wieder ein, weil einige konservative Republikaner den durchgesickerten Vorschlägen des Senats zuvorkommen wollten und der Meinung waren, sie könnten mit dem Vitter-Zusatz einen "gerechteren" Deal anbieten. Obama drohte sein Veto an und so floss die Verantwortung erneut zurück zum Senat, einen Vorschlag zu machen. Es war also an Reid und McConnell, die parteipolitischen Grabenkämpfe zu überbrücken, das "odd couple" des Senats, wie sie CNN wegen ihres Respekts zueinander trotz unterschiedlicher ideologischer Herkunft einst taufte, erfüllte die Hoffnung.
Dieses wirre Hin-und-her jedoch als "Bestätigung der Regierungsfähigkeit der Vereinten Staaten zu feiern, wie es der ehemalige umweltpolitische Berater Obamas, Van Jones, auf CNN tat, grenzt mehr an beängstigender Verblendung, als an den manchmal durchaus beneidenswerten Optimismus der amerikanischen Bevölkerung, sogar in einer nahezu katastrophalen Situation noch etwas Gutes zu finden.
Und am Ende aller Kompromissverhandlungen gibt es offenbar auch einen eindeutigen Gewinner: die Befürworter eines Bauprojektes im US-Bundesstaat Kentucky. Im Reid-McConnell-Deal ist die massive Finanzerhöhung eines Dammbaus für die Wasserversorgung eingearbeitet, sogar über das geplante Budget hinaus. Ob und wie weit Kentuckys Senator, Mitch McConnell, privat vom "Überschuss"-Geld profitiert, darüber spekuliert bereits eine Lokal-Zeitung.