Kryptografisches Bezahlsystem "Taler" könnte technisch bis Ende des Jahres fertig werden
Rechtliche und betriebliche Fragen noch ungeklärt
"Taler" hat in Deutschland einen guten Klang - nicht zuletzt wegen Erika Fuchs, aber auch wegen des langen internationalen Erfolgs der Münzen, die im Orient bis ins 20. Jahrhundert hinein das einzige allgemein akzeptierte Zahlungsmittel waren und unter anderem als Namensgeber für die heutige Weltwährung US-Dollar fungierten.
"Taler" heißt auch ein kryptografisches Bezahlsystem, das von der Ingolstädter Renewable Freedom Foundation finanziert und vom französischen Institut National de Recherche en Informatique et en Automatique (INRIA), Richard Stallmans GNU-Team und Wissenschaftlern an der TU München entwickelt wird.
Der Taler soll - anders als zum Beispiel Bitcoins - keine eigene Währung sein, sondern bei Geschäften über das Internet existierende Währungen wie Dollar und Euro abbilden. Über das so genannte RESTful-Protocol können Taler via HTTP oder HTTPS in existierende Web-Applikationen integriert werden. An der Integration mit dem bestehenden Bankensystem die über das HBCI- und FinTS- Nachfolgerprotokoll EBICS laufen soll, wird ebenfalls noch gearbeitet.
Der neue Taler soll Verbrauchern Anonymität beim Zahlen gewähren, aber Zahlungen rechtssicher beweisbar machen. Damit er diese Anonymität gewähren kann, muss er Eigenschaften von Bargeld aufweisen. Das führt dazu, dass man Wechselgeld benötigt. Hat ein Kunde, der eine Ware für zwei Euro kaufen will, beispielsweise nur eine Talermünze im Wert von fünf Euro, muss er neue Münzen im Wert von 3 Euro erzeugen. Diese Drei-Euro-Münzen können aber danach nicht mehr mit der ursprünglichen Fünf-Euro-Münze in Verbindung gebracht werden. Auf diese Weise schützt ein Verbraucher sich und seine Daten gegenüber großen und kleinen Unternehmen.
Empfänger von Zahlungen sind dagegen sichtbar, was Behörden grundsätzlich Einsichtnahmen in die Geldflüsse erlaubt, nach denen Umsatz- und Einkommensteuern berechnet und erhoben werden. Anders sieht es bei den Grundlagen für Vermögens- und Erbschaftssteuern aus: Hier kann man einen Rechner mit Talern auf der Festplatte dem Finanzamt verschweigen. Da man das aber mit ererbtem Bargeld ebenfalls machen kann, müssen Staaten vor dem Bezahlsystem (anders als bei Bitcoins) keine Angst vor dem Wegbrechen ihrer Finanzierungsgrundlage haben.
Damit der Taler all das kann, haben sich die Entwickler Protokolle und maschinenlesbare Verträge zwischen drei Interaktionspartnern ausgedacht: Der elektronischen Prägestelle ("Münze" / "Mint"), die das Geld herausgibt, der Geldbörse ("Wallet"), mit der ein Verbraucher zahlt, und dem Händler, der Waren oder Dienstleistungen anbietet. Die Protokolle zwischen Münze und Geldbörse und zwischen Münze und Händler sind weitgehend fertig, das zwischen Händler und Geldbörse noch nicht ganz. Alle Protokolle sind Freie Software und können von jedermann inspiziert und (im Rahmen der GNU-Lizenzen) verwendet werden.
Rein technisch könnte der Taler, von dem es bereits ein offizielle GNU-Paket gibt, Chefentwickler Dr. Christian Grothoff zufolge Ende des Jahres fertig werden. Bei einer Währung, die auch von Behörden akzeptiert werden soll, gibt es aber auch rechtliche und (daraus folgende) betriebliche Hindernisse: Die deutsche Finanzaufsicht verlangt nämlich für solche Geschäfte eine Banklizenz, die nur erteilt wird, wenn man eine Million Euro an Sicherheiten vorlegen kann. Der Taler benötigt also entweder Investoren oder Partner, die bereits im Bankgewerbe tätig sind.
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