Künstliche Intelligenz und Mensch

Seite 2: Aktuelle Veränderungen des Menschenbildes am Schnittpunkt Humantechnologie-KI-Mensch

Drei aktuelle Stoßrichtungen verdienen an dieser Schnittstelle besondere Beachtung. Man kann sie als Destillat zahlreicher Unter- und Einzelentwicklungen verstehen und zunächst typologisch, das heisst vereinfachend und in ihrem kleinsten gemeinsamen Nenner erfassen:

  1. die Maschinisierung des Menschen (Cyborgisierung);
  2. die Vermenschlichung der Maschine (Anthropogenisierung); und
  3. an ihrem Schnittpunkt und Zusammenfluss – die Entstehung einer Vielzahl von Hybriden, die beide Tendenzen miteinander verbinden. Darunter sind "Intelligenz"-Direktverschaltungen sowohl an der Schnittstelle Biologie-Technologie wie zwischen unterschiedlichen biologischen Trägern, meist mithilfe von KI.

Diese drei Stoßrichtungen wirken seit einiger Zeit zusammen und verstärken sich gegenseitig. Alle drei sind Bestandteil einer größeren Gegenwarts-Entwicklung, die als Zusammenwirken von Anthropozän mit digitaler Transformation verstanden wird. Diese Entwicklung wird oft auch – eher ungenau – unter dem Stichwort "Digitale Transformation für Entwicklung" gefasst. Intelligenz-Technologie soll eine von durch Menschen selbstverursachte Schäden gekennzeichnete Welt heilen oder zumindest zu ihrer progressiven Umformung beitragen.

Eines ist dabei auffällig: Bislang war meist von Künstlicher Intelligenz als Gesellschaftsfaktor, nicht aber als Humanfaktor der Transformation die Rede. Die meisten positiven Analyseansätze interpretierten KI in den vergangenen Jahren in erster Linie als Chance zur Verbindung von "Innovation und nachhaltigem Wachstum" – das heisst als Instrument, um "den nachhaltigen Wandel zu gestalten".

Vor allem Nachhaltigkeit und KI wurden spätestens seit dem 75-Jahr Jubiläum der Vereinten Nationen 2020 bis 2021 immer häufiger zueinander in Beziehung gesetzt – so etwa in Form einer KI, die in den kommenden Jahren entscheidend dazu beitragen soll, den Klimawandel und die Umweltkrise in den Griff zu bekommen, "um die Welt zu retten".

Dazu haben globale Institutionen wie Unesco (in Form der AI for the Planet Initiative) und OECD (in Gestalt des AI Policy Observatory) und führende Universitäten wie Stanford (unter anderem mittels des Zentrums für Human-Centered Artificial Intelligence) in jüngster Zeit eigene Programme gestartet. Diese versuchen, am Schnittpunkt zwischen KI und Nachhaltigkeit gewisse ethisch-humanistische Aspekte einzubeziehen. Ziel ist die Schaffung von Plattformen für die Diskussion um den menschlich sinnvollen und verträglichen Einsatz von KI für Transformation.

Dabei wurde – und wird – jedoch meist die Beziehung zwischen KI und (bisherigem) Mensch im engeren und vertieften Sinn hintangestellt. Oft werden techno-anthropologische und -philosophische Aspekte in aktuellen und vorausschauenden Studien sogar ganz außer Acht gelassen.

Für eine bessere Beachtung dieser Aspekte bestehen aber mittlerweile zahlreiche praktische Anlässe. Diese decken sich mit den drei Stoßrichtungen aktueller Entwicklungen am Mensch-KI-Humantechnologie-Schnittpunkt. Wir wollen diese drei Stoßrichtungen im folgenden kurz durchgehen.