Kumpanei zwischen Autoindustrie und Politik
"Autobauer sind die Gewinner" und "Bundesregierung möchte Autoindustrie schonen" lauten die Schlagzeilen nach dem mit hohen Erwartungen überfrachteten sogenannten Diesel-Gipfel
Zeitweise sah es so aus, als werde im Sommer 2017 der Anfang vom Ende der Autogesellschaft in Deutschland eingeleitet. Die Serie der Skandale und Krisen in der deutschen Autoindustrie wuchs. Und neben den Abgasmanipulationen kommen jetzt auch noch die Vorwürfe der Kartellbildung auf den Tisch.
Doch es war tatsächlich naiv, davon zu sprechen, dass die Autoindustrie vor dem Ende stehe. Schließlich trägt die Inszenierung von immer neuen Skandalen eher zu einer Übersättigung des Publikums bei. Es wird nicht lange dauern und die öffentliche Meinung will von dem Thema nichts mehr hören. Wenn dann auch noch deutlich wird, dass praktisch alle Autofirmen bei den Abgaswerten manipuliert haben, wird dieser Übersättigungstrend noch verstärkt.
Schon bildet sich eine Lobby zur Verteidigung der deutschen Autoindustrie, an der sich neben führenden Konzernen auch die Gewerkschaft IG-Metall beteiligt. Sie erklären schon jetzt, dass es langsam genug mit der Kritik an der Autoindustrie sei, und warnen vor der Gefahr für den Standort Deutschland. Damit kann man zumal in Deutschland noch jede kritische Diskussion beenden, bevor sie richtig angefangen hat. Die Debatte um die Abgaswerte gehört dazu.
Massenhaft Körperverletzung durch Autoimmissionen kein Grund für Empörung
Es gab hierzulande keine relevante Bewegung, die die millionenfache Körperverletzung auch mit Todesfolge durch den Ausstoß der Autoabgase als die konzerngesteuerte Menschenrechtsverletzung angesprochen hat, die sie darstellt. Man muss nur einen Vergleich ziehen zwischen der öffentlichen Empörung über militante Aktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg und der Ignoranz, mit der gesamtgesellschaftlich auf die Tatsache reagiert wird, dass die Autokonzerne permanent höhere Abgaswerte in Kauf nehmen, als gesetzlich vorgeschrieben, und damit für den Tod von Menschen mit verantwortlich sind.
Nun sparen die Grünen und viele Umweltverbände nicht mit Kritik an dem Krisenmanagement von Verkehrsminister Dobrinth. Doch auch sie gehen nicht an die Wurzel, wenn sie Kumpanei zwischen Autoindustrie und Politik monieren. Da hat Dobrinth selber eine sehr realistische Erklärung abgegeben. Es sei absolut unberechtigt, von einer Kumpanei zwischen Politik und der Automobilbranche zu sprechen. Es gebe aber generell eine Partnerschaft zwischen der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Das sei die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft.
Damit hat er eigentlich auf den Punkt gebracht, was hier jetzt so stark kritisiert wird, nämlich das Wesen der sozialen Marktwirtschaft. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann hat das längst begriffen und seine Politik entsprechend ausgerichtet. Alle Parteien, die hierzulande mitregieren wollen, würden es nicht anders machen. Solange sie in der Opposition sind, können sie sich noch etwas kritischer gerieren.
Auch alle wirtschaftsnahen Medien sagen nun ganz deutlich: "Die Grenzen zwischen normaler technischer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Bildung eines verbotenen Kartells sind fließend." Deshalb sind viele dieser aktuellen Skandalisierungen eben auch dem nahen Wahlkampf geschuldet und haben wenig Substanz.
Diskussion über eine andere Kooperation
Zudem ist es auch politisch fraglich, warum genau diese Kooperation und nicht die Kapitalinteressen im Mittelpunkt der Kritik stehen. Gar nicht diskutiert wird eine andere Form der Kooperation, die vor 40 Jahren durchaus eine Rolle spielte.
Es ging darum, dass engagierte Betriebsräte, Gewerkschaftler und Wissenschaftler überlegten, wie sie eine Alternative zum Automobil mit den gleichen Maschinen entwerfen können. Diese Art der Autokonversion wäre heute wichtiger denn je, in einer Zeit, in der so viel über die Endlichkeit der Kraftstoffe geredet wird und die Autoemissionen als permanente Körperverletzung dargestellt werden.
Alternativen zur Autoproduktion wären eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der die Beschäftigten, aber auch Räte des guten Lebens beteiligt sein müssten, damit alle Aspekte in die Diskussion gebracht werden könnten. Doch eine solche Kooperation ist natürlich nur jenseits der kapitalistischen Verwertungsinteressen möglich. Weil in diese Richtung heute kaum mehr gedacht wird, bleibt auch die Debatte über die Bewältigung des Dieselgates so systemimmanent. Die Flut von immer neuen Skandalen verpufft und die Autoindustrie bleibt wieder einmal der Gewinner.