Kunstakademie als Kaderschmiede für Killerapplikationen
Ausbildung für Mobile Application Design ist auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten
Ab dem kommenden Wintersemester werden an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich Fachkräfte für die Entwicklung von Anwendungen für die dritte Mobilfunkgeneration ausgebildet. Das Nachdiplomstudium Mobile Application Design versteht sich in erster Linie als praxisnaher Ideengeber für die Handybranche.
Spätestens seit den vertrackten Versteigerungen von Lizenzen für die sogenannte dritte Mobilfunkgeneration und den bislang wenig überzeugenden Feldversuchen in Japan, ist die allgemeine Euphorie bezüglich mobiler Breitbandkommunikation deutlich am Abklingen. Von dieser Entwicklung unbeeindruckt, bietet die Züricher Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGKZ ab dem kommenden Herbst ein Nachdiplomstudium für die Entwicklung von Anwendungen im Bereich mobiles Internet an. Der Leiter des Ausbildungsgangs und HGKZ-Prorektor für Forschung und Entwicklung Gerhard Blechinger findet den Zeitpunkt ideal, um eine solche Ausbildung zu lancieren:
Unsere Strategie ist für eine Bildungsinstitution zwar untypisch; wir haben jedoch bewusst die Initiative zu einem frühen Zeitpunkt ergriffen und wollen anders als beim Internet-Boom nun die Nase vorne haben.
Von seiner Ausrichtung her - die Kombination von akademischer Bildung und einer Incubator-Funktion, die es den Absolventen ermöglichen soll, das erworbene Wissen unmittelbar und in engem Kontakt mit der Wirtschaft anzuwenden - ist das Nachdiplomstudium bislang einzigartig. Im Bereich Netzwerkarchitektur für mobile Internetanwendungen gibt es jedoch bereits Kooperationsmodelle zwischen Forschung und Wirtschaft. So etwa das vom kanadischen Telekomanbieter Bell gegründete Chameleon-Project an der Carleton Universität in Ottawa, das die Grundlagen für anpassungsfähige mobile Internetapplikationen entwickelt und deren Integration in die verschiedenen drahtlosen Netzwerke - von UMTS außer Haus, bis LAN im Büro - durchexerziert.
Nähe zur Wirtschaft unproblematisch?
In Zürich wird Ende Oktober ein internationales DozentInnen-Team 17 Schülerinnen und Schüler unterrichten. Von den insgesamt 15 Ausbildungsmodulen ist ein Grossteil auf Aspekte der sogenannten neuen Wirtschaft im allgemeinen, und M-Business im speziellen ausgerichtet - das Funktionieren der Netzwerke wird also bereits vorausgesetzt. Ausbildungsleiter Gerhard Blechinger findet die Nähe zur Wirtschaft grundsätzlich unproblematisch, denn schliesslich gehe es "nicht um einen Selbsterfahrungskurs, sondern um die Entwicklung von marktfähigen Produkten." An den Resultaten der Nachdiplomausbildung Mobile Application Design sind primär die Telekomanbieter interessiert, die ihre Millionenausgaben für die UMTS-Lizenzen mit lukrativen Anwendungen für breitbandige Mobilkommunikation refinanziert sehen wollen. Deshalb hat die Teledanmark-Tochter Sunrise und die HGKZ eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Laut Gerhard Blechinger wäre das neue Nachdiplomstudium ohne einen Kooperationspartner aus der Wirtschaft nicht finanzierbar gewesen. Auch so müssen die StudentInnen für die vier Semester noch umgerechnet 18'000 Mark hinblättern. Aufgrund der Vereinbarung werden Marketingspezialisten und technische Fachkräfte von Sunrise an der Kunsthochschule als Gastdozenten auftreten. Ausserdem wird die Nummer Drei der Schweizer Mobilfunkanbieter auch die Infrastruktur für realitätsnahe Tests zur Verfügung stellen. Neben der Hoffnung auf die Geldsegen versprechende Killerapplikation, ist Sunrise laut Mediensprecherin Maja Mejia auch um das Kerngeschäft der Kunsthochschule besorgt:
Wir erhoffen uns durch diese Zusammenarbeit einen künstlerischen Input. Aus Erfahrung wissen wir, dass ein gutes Applikationsdesign im Mobile-Bereich mehr mit Kunst als mit Wissenschaft zu tun hat.
Mögliche Anwendungen liegen zum Beispiel im Streaming von Sportereignissen auf Handheld-Devices, wie in einer Vorstudie zum neuen Ausbildungsgang gezeigt wurde.
Obwohl die Einführung von UMTS bei verschiedenen europäischen Telekomanbietern in rund einem Jahr bevorsteht, die Verfügbarkeit von entsprechenden Endgeräten aber kaum gewährleistet werden kann, sollen in Zürich auch Entwicklungen für den aktuellen GSM-Standard konzipiert werden. Eine Neuauflage der Killerapplikation SMS, die quasi zufällig als Abfallprodukt der Mobiltelefone entstanden ist und sich zum ultimativen jugendkulturellen Feature und Kassenschlager für die Telekomanbieter entwickelt hat, darf allerdings kaum erwartet werden. Für andere kreative Einfälle sollte aber an einer Kunsthochschule gesorgt sein.