Kunstaktion gegen russischen Geheimdienst FSB
Politkünstler Pawlenski setzte die Eingangstür der Geheimdienstzentrale in Moskau in Brand und blamierte den FSB
Der Kreml hat einen unangenehmen Gegner, der ihn wie ein Gespenst verfolgt. Der 29-jährige Pjotr Andrejewitsch Pawlenski aus Sankt Peterburg ist ein Künstler, der mit grotesken Aktionen die russische Regierung und Gesellschaft kritisiert, aber sich damit zugleich selbst in Szene setzt. Er ist wesentlich Einzeltäter, der aber mit seinen Aktionen große Medienöffentlichkeit erreicht, weil die Bilder sich viral verbreiten. Jetzt hat er in der Nacht von Sonntag auf Montag die Eingangstür der Geheimdienstzentrale des FSB, Nachfolger des KGB, in Brand gesetzt.
Bislang am bekanntesten dürfte seine Aktion geworden sein, als er 2013 nackt auf dem Roten Platz seinen Hodensack mit einem Hammer annagelte, um gegen die Apathie und politische Indifferenz zu protestieren. Das war Verwundbarkeit im größten Stil, die jedes Vorgehen der Sicherheitskräfte brandmarken und diese beschämen würde. Zuvor hatte er sich schon im Protest gegen die Festnahme der Mitglieder von Pussy Riot seinen Mund zugenäht. Überhaupt protestiert er so roh gegen die Staatsmacht, wie er Gewalt gegen sich selbst ausübt - um die Gewalt des Staats vorwegzunehmen, der Schwierigkeiten hat, das Opfer noch einmal zum Opfer zu machen? So wickelte er sich schon mal nackt in einen Stacheldraht ein oder schnitt sich selbst ein Ohrläppchen ab.
Der Ermittler Pavel Yasman, der Pawlenski über mehrere Monate hinweg verhörte und mit ihm über die Grenzen der Kunst diskutierte, fand den Performance-Künstler offenbar überzeugend. Er stieg 2014 aus seinem Job bei der Polizei aus und wurde zu einem seiner Unterstützer. Pawlenski sagte, viele Leute fänden ihn zunächst als verrückt, würden aber durch seine Arbeit eine andere Weltsicht erreichen. Irina Klementyeva, die Yasman nachfolgte und Pawlenski in eine Psychiatrie einweisen lassen wollte, zog sich offenbar aus dem Fall zurück, als er sich in einer Aktion sein Ohrläppchen abschnitt. Jetzt sitze, so die Moscow Times, eine Gruppe von sieben Ermittlern an dem Fall.
Sind die Selbstverstümmelungsrituale für die Medien nun Kunst oder politische Kritik? Zwar wurde gegen den Konzeptkünstler ein Verfahren wegen Hooliganismus eingeleitet, aber die russischen Behörden haben bislang gezögert, gegen den Einzelkämpfer wirklich hart vorzugehen, der vor allem sich selbst quält. Er überlegt weiter, wie er den Staat provozieren kann und hat am Wochenende in der Nacht zum Montag die Eingangstür zum Geheimdienst FSB mit einem Benzinkanister in Flammen gesetzt. Um 3 Uhr morgens wurde er festgenommen und abgeführt, mit ihm die Journalisten Vladimir Romensky von Dozhd TV und Nigina Beroeva.
Die Aktion ist provokant, der Geheimdienst, einst der gefürchtete KGB, aus dem auch Präsident Putin stammt, ist ein Symbol der Macht und ein wichtiger Teil des Systems. Dass Pawlenski überhaupt in der Lage war, die Tür am Hauptgebäude anzustecken, ist bereits eine Schlappe für den Geheimdienst. Man muss sich vorstellen, eine ähnliche Attacke würden gegen das Hauptgebäude der NSA oder des BND ausgeführt. In den russischen Medien ist das Video nicht mehr zu sehen, aber auf YouTube über den Channel von Ukraine TV, wo man natürlich daran Gefallen hat. Die Journalisten wurden wieder freigelassen und waren nur als Zeugen mitgenommen worden.
Pawlensky, der gegen den "ewigen Terror" des Geheimdienstes protestierte, wurde wieder einmal wegen Vandalismus und des ordnungsstörenden Verhaltens angeklagt. Dem Richter soll er gesagt haben, so die Website Mediazone, dass er des Terrorismus angeklagt werden wolle: "Ich glaube, das ist die Logik Ihres Systems. Und bis meine Forderungen eingelöst werden, weigere ich mich, irgendeine Ihrer Gerichtsrituale zu erfüllen."