Kunstraub für einen Diktator
Die Story spitzt sich mehr und mehr zu: das politische Point-and-Click-Adventure "15 Days"
Das Genre der Point-and-Click-Adventures lebt schon immer von der Story. Nicht zuletzt deswegen, weil es im Kern auf den Text-Adventures der 1970er Jahre basiert. Doch den Aspekt, dass diese Art der Computerspiele in erster Linie eine Geschichte erzählt, scheinen viele Skeptiker zu übersehen; Spieler hätten ja gar kein Interesse daran, sich mit narrativen Strukturen zu beschäftigen, frei nach dem Motto: „Die wollen ja eh nur ballern“. Wer diesen Schwachsinn glaubt, der sollte mal „15 Days“ (PC) durchspielen.
Cedric Duval sollte sich schämen! Da arbeitet der gute Mann seit dreißig Jahren für den Louvre und nur weil eine hübsche Frau vor ihm steht, vergisst er mit einem Mal, welch große Verantwortung er trägt. So ist es für Kunstdiebin Cathryn ein Leichtes, zu erfahren, dass man über die Katakomben in das Museum gelangt. Fragt sich jetzt nur, wann es die Protagonistin mit ihren beiden Kumpanen Bernard und Mike anstellt? Auch hier hilft Monsieur Duval: Am Abend des Nationalfeiertags stellen die Museumsbetreiber den Alarm für wenige Minuten ab, da die Feuerwerksraketen den Boden zu sehr erschüttern…
Sicher sorgt das Vorhaben schon genug für Spannung, doch richtig Tempo bekommt die Geschichte erst durch Jack Stern von der International Police. Der Ermittler wird zufällig auf das Trio aufmerksam, während er versucht, herauszufinden, wie es dazu gekommen ist, dass der britische Außenminister Henston in seinem Büro zusammenbrach und wenig später im Krankenhaus starb – beim Tod eines so wichtigen Mitglieds der Regierung darf man Mord ja keines Falls ausschließen.
Da der Spieler das Geschehen also in Form einer Parallelmontage verfolgt, spitzt sich die Story mehr und mehr zu. Stern begegnet Cathryn und Bernard das erste Mal jedoch rein zufällig, wenige Stunden bevor das Trio ins London Modern einbrechen will, um das Porträt von Winston Churchill zu stehlen. Und der Raub gelingt; mit einer klitzekleinen Ausnahme: Kurz nachdem Cathryn das Original mit einer Fälschung ausgetauscht hat, fällt die Kopie zu Boden und die Alarmsirenen ertönen. Dummerweise hört die auch Stern, weil er sich zu jener Zeit ganz in der Nähe des Museums befindet.
Der Ermittler wird durch den Vorfall einzig auf Mike aufmerksam, denn dank des britischen Kamerasystems CCTV gelingt es Stern, sich ein Bild von Mikes schwarzem Lieferwagen auf seinen PC-Bildschirm zu holen. Zwar stimmt mit dem Kennzeichen etwas nicht, doch da hilft vielleicht auch das Hirn des Spielers. Aber keine Angst, die Rätsel, die allesamt auf technischen Spielereien basieren, stellen zum Glück keine nennenswert großen Hürden dar. Nach einer gewissen Zeit kann der Spieler die Aufgabe sogar überspringen.
Martin Ganteföhr, dem Autor des in Bremen ansässigen Studios House of Tales, das „15 Days“ entwickelt hat, scheint es wichtig zu sein, dass die Geschichte im Fluss bleibt. Daher sollen die Rätsel einen auf keinen Fall zu lange aufhalten. Gewichtung legen die Macher stattdessen auf die Story. Wie ein Rattenfänger legt Ganteföhr Schritt für Schritt neue Fallen, deutlicher gesagt: Der Spieler springt zwar von Fakt zu Fakt, weiß aber überhaupt nicht, wohin die Reise tatsächlich geht. Es gibt einen Moment, an dem man sich ganz sicher ist, dass die Story sich dem Ende neigt. Doch dann kommt plötzlich noch ein weiteres Kapitel.
Cathryn, Bernard und Mike erhalten ihre Aufträge von einem afrikanischen Geschäftsmann namens Odila. Dessen Motiv, wieso er immens hohe Summen für schnöde Porträts ausgibt, ist nicht greifbar. Wenn Odila über die Menschheit philosophiert, hört man ihm zwar gern zu, aufschlussreich sind seine Ansichten aber nur in einem anderen Zusammenhang. Viel wichtiger ist allerdings jener Mann, für den Odila arbeitet. Wie sich am Ende herausstellt, ist er für Raila Elengi tätig, einen Diktator, der sich auf eine Insel zurückgezogen hat, nachdem der Staat Surinawa zusammenbrach. Jetzt sammelt der Machthaber Kunstwerke. Und er mordet weiter, nur eben auf etwas subtilere Weise als bisher...
Auf der inhaltlichen Ebene überzeugt „15 Days“. Vor allem gefällt die weltpolitische Dimension der Geschichte. Jeder Einzelne sollte sich genau darüber bewusst sein, was er tut und für wen er arbeitet, lautet eine Botschaft – eine besonders wichtige, gerade vor dem Hintergrund, dass die Länder mehr und mehr Waren international statt national produzieren und man kaum noch sieht, wer welche Fäden in der Hand hält. Auf der optischen Ebene hätten die Entwickler hingegen die Charaktere etwas besser animieren können, sie wirken oftmals zu steif. Außerdem tragen sie die ganze Zeit dieselben Klamotten – wie gut, dass kein Geruch aus meinem Rechner kommt!