Kurden äußern Vorbehalte gegenüber russisch-türkischen Deal
Trump feiert ebenso wie die Türkei den Deal, Einzelheiten sind aber umstritten oder ungeklärt
Donald Trump will die Vereinbarung zwischen der Türkei und Russland über Nordsyrien als seinen Erfolg darstellen. Den würde er auch dringend benötigen, weil seine Entscheidung, die Truppen aus Syrien weitgehend abzuziehen und die Kurden, die bislang als amerikanische Bodentruppen oder Söldner dienten, sich selbst zu überlassen bzw. dem Angriff der Türkei auszusetzen, weitgehend auch in den USA auf Kritik stieß. Für ihn betrifft es ein Gebiet, das 7000 Meilen von den USA entfernt ist, womit gemeint war, das der USA egal sein kann. Kreml-Sprecher Peskow kommentierte Trumps peinliches Eigenlob zurückhaltend: "Wir - und Sie auch - wissen doch: Der Verlust ist immer ein Waisenkind, doch der Sieg hat viele Väter."
Wie weit Russland die Assad-Regierung und vor allem die Kurden in die Vereinbarung mit der Türkei einbezogen hat, ist nicht bekannt. Putin hat Erdogan ganz offensichtlich in wesentlichen Fragen blockieren können. Die Türkei kann nur einen kleinen Abschnitt des Grenzgebiets kontrollieren, die Umsiedlung von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei ist kein Thema, das Memorandum beinhaltet auch eine Anerkennung der Assad-Regierung, die nun erstmals seit Beginn der Aufstände wieder den großen Teil der Nordgrenze zur Türkei kontrollieren kann - zusammen mit den Russen und vielleicht auch mit Kurden, wenn die YPG in die syrische Armee eingegliedert wird.
Es erscheint so, als habe Erdogan zurückstecken und dazu auch noch einen Waffenstillstand akzeptieren müssen, während Russland zur entscheidenden Macht aufsteigt, die die Regeln vorgeben und aushandeln kann. Unklar ist freilich, inwieweit Damaskus den Kurden die von diesen weiterhin beanspruchte weitgehende Autonomie gewähren wird und ob die Türkei sich schließlich aus Syrien zurückziehen wird, auch wenn Erdogan die territoriale Integrität anerkannt hat.
Kurden haben Vorbehalte
Offenbar schießen im Augenblick aber die Kurden noch quer. SDF-Kommandeur Mazloum Kobani Abdi sagte gestern, man sei über das Abkommen zwischen Russland und der Türkei nicht konsultiert worden und habe "Vorbehalte". Nach dem Memorandum soll sich die YPG 30 km hinter die Grenze zurückziehen und Manbidsch und Tal Rifat verlassen, die syrischen Truppen übergeben werden. Abdi meint, die russischen Schritte seien schon positiv, "aber wir haben unsere eigenen Vorstellungen über die Inhalte dieses Abkommens".
Man verhandle noch mit den Russen, sei ihnen aber dankbar, sie vor der türkischen Aggression beschützt zu haben, aber man habe das vom Kreml veröffentlichte Abkommen nicht akzeptiert: "Wir haben nur dem Waffenstillstand zugestimmt." Die Frage ist natürlich, ob die Kurden überhaupt Möglichkeiten haben, sich querzulegen. Keiner der Staaten, die in Syrien mitmischen, hat Interesse daran, die kurdische Autonomie oder gar das praktizierte Gesellschaftsmodell in Rojava zu verteidigen. Die Kurden spielen nur eine Rolle als Vehikel für geopolitische Interessen, das mussten auch die Kurden im Irak realisieren. Dazu kommt, dass die Kurden sich nicht einmal in Nordsyrien einig sind und sie von den USA benutzt wurden, um im Kampf gegen den IS Kontrolle über arabische Gebiete in Syrien auszuüben, wo sie aber als Besatzungsmacht gesehen wurden und werden.
Als entscheidend sieht Abdi den Grenzübergang Semalka-Peshkhabour zur Autonomen Kurdenregion im Irak. Den werde man keiner anderen Macht übergeben, das sei der "Sauerstoff" für Rojava, das ansonsten in Landgrenzen abgeschlossen ist: "Niemand kann hier abgesehen von unseren Truppen und der Autonomen Verwaltung NES. Das ist nicht verhandelbar. Das ist eine strategische Grenze und wird es bleiben." Über diesen Grenzpunkt werden wichtige Güter nach Nordsyrien importiert, die über die türkische Grenze nicht kommen können. Das Abkommen mit Damaskus sei nur zur Abwehr der türkischen Invasion geschlossen worden.
Fast alle Parteien in der Türkei befürworten die Invasion
Das EU-Parlament hat eine Resolution beschlossen, die die völkerrechtswidrige türkische Invasion scharf verurteilt und den sofortigen Rückzug fordert. Die Invasion habe zu 300.000 Flüchtlingen geführt, der IS könne wieder erstarken, abgelehnt wird auch die Erpressung Erdogans, Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Gefordert wird die Einrichtung einer von den Vereinten Nationen eingerichtete Sicherheitszone. Das entspricht dem Vorschlag von AKK, ist aber ebenso irreal, wenn nicht eine grundlegende Annäherung an Russland stattfindet und die Regierung in Damaskus anerkannt wird. Dazu ist die Nato zerrissen, schließlich ist die Türkei Nato-Mitglied.
Die Resolution wurde nicht nur von Erdogans AK und der rechtsnationalistischen MHP zurückgewiesen, sondern auch von der CHP und der rechten İyi Parti. Man habe, so die Parteien, bei der Invasion "maximale" Rücksicht auf Zivilisten praktiziert. Das EU-Parlament stelle sich hinter die Terrororganisation PKK, anstatt sich hinter die Türkei im Kampf gegen den Terror zu stellen.