Kurz und Hofer besorgt über Pro-Erdoğan-Demonstrationen in Österreich
Deutscher Europaparlamentspräsident Martin Schulz lobt "Rückkehr der Herrschaft des Rechts" in der Türkei
Nachdem der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan in der Nacht vom Freitag auf Samstag dazu aufrief, wegen des Putschversuchs auf die Straßen zu gehen, versammelten sich nicht nur in der Türkei, sondern auch in anderen Ländern zahlreiche seiner Anhänger zu unangemeldeten Kundgebungen - darunter auch in der österreichischen Hauptstadt Wien, wo sich mehrere Tausend Personen vor der türkischen Botschaft versammelten. Auf den Kundgebungen, bei denen auch ein kurdisches Restaurant angegriffen wurde, zeigten Erdoğan-Anhänger der ProSieben.Sat1-Infochefin Corinna Milborn zufolge "Hundertfach den faschistischen Wolfsgruß" und riefen "Allahu Akbar", was auf sie einen "gespenstischen" Eindruck machte.
Inzwischen äußerten sich auch österreichische Politiker zu den Aufmärschen: Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz nannte den Angriff auf die kurdische Gaststätte nicht hinnehmbar und wies in der Kronen-Zeitung darauf hin, dass er bereits im letzten Jahr eine Wahlkampfveranstaltung des türkischen Staatspräsidenten in Wien "massiv kritisiert" hatte.
Der ÖVP-Minister verurteilte den Putschversuch zwar, warnte aber vor "willkürlichen Säuberungsaktionen" und forderte, dass "Europa Erdoğan ganz klare Grenzen aufzeigt" und dass "das künftige Verhalten der Türkei direkte Auswirkungen" auf die "Kooperation" mit der EU hat. Auf das Wohlwollen Ankaras in Sachen Regulierung der Migrationsströme angesprochen, meinte der österreichische Außenminister, man sei hier weniger von der Türkei abhängig als gemeinhin angenommen, weil die entscheidende Maßnahme zur Verringerung des Zustroms das Schließen der Westbalkanroute gewesen sei.
Schulz begrüßt "Rückkehr der Herrschaft des Rechts"
Martin Schulz der deutsche Präsident des Europaparlaments, reagierte auf die Ereignisse vom Wochenende anders als Kurz. Der Sozialdemokrat twitterte am Samstag auf Englisch: "I welcome the return of the Rule of law in Turkey this morning." Etwas weniger deutlich, aber inhaltlich ähnlich äußerte sich später die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Stellungnahme. Kritik kam dagegen von der dritten deutschen Regierungspartei, der CSU: Deren Generalsekretär Andreas Scheuer verlangte auf Twitter einen "sofortigen Stopp der Beitrittsverhandlungen" und der Vorbereitungen für eine Visafreiheit. Sein Parteifreund Hans-Peter Friedrich meinte: "Der Zeitpunkt naht, an dem der sofortige Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu einer Frage der Selbstachtung der EU wird!"
Greuelbilder in Sozialen Medien
Auch der österreichische Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer (der gerade einen einen Prozess gegen den Tiroler SPÖ-Chef gewann, der ihn auf Facebook als "Nazi" beleidigt hatte) meinte, er mache sich wegen der Wiener "Ausschreitungen gegen türkische Kurden" und des Zeigen des Grußes einer "rechtsextreme[n] türkische[n] Bewegung, die für Terrorismus und Mord verantwortlich ist", "Sorgen". Außerdem verlautbarte er, es könne "nicht sein, dass österreichische Staatsbürger, die für den Islamischen Staat in die Schlacht ziehen, wieder ins Land zurückkehren dürfen".
Hofer war nicht der einzige, den Bilder und Schilderungen der Taten von Erdoğan-Anhängern am Wochenende anscheinend an den IS erinnerten: Der ehemalige Hanser-Programmleiter Timo Lokoschat kommentierte beispielsweise: "Sieht nach der IS-Hochburg Rakka aus, ist aber leider Istanbul." Die nach der Entlassung von 2.700 Richtern (darunter zehn Verfassungsrichter) und 8.000 Polizisten "gesäuberten" türkischen Behörden verlautbarten inzwischen, bei den Bildern und Schilderungen handle es sich um "Schwarze Propaganda", deren Urheber und Verbreiter Bürger mit Screenshots melden sollten.
Angesichts dieses Vorgehens ist zu erwarten, dass die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei, die politische Verfolgung geltend machen, deutlich ansteigt. Der New York Times zufolge fragte sogar ein General der Luftwaffenbasis Incirlik um US-Asyl an, wurde aber abgewiesen. In Incirlik sind auch deutsche Soldaten stationiert, deren Besuch durch deutsche Parlamentarier die türkische Regierung unlängst verweigerte.
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