Lappland im Klima-Wandel

Nationalpark Stora Sjöfallet, Schweden. Bild: Alexandre Buisse / CC BY-SA 3.0

Lappland gilt als eine der letzten Idyllen der nördlichen Hemisphäre. Doch Energiekonzerne, Tourismus und Klimawandel setzen Natur und Menschen immer mehr unter Druck

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Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Regionen der Erde. So sind die Durchschnittstemperaturen hier seit 1900 um 3,5° Grad ℃ gestiegen. Wissenschaftler sprechen bereits von "arktischen Hitzewellen". Die rasante Erwärmung setzt einen Teufelskreis in Gang: Das aus schmelzenden Gletscher entstandene Wasser lässt noch mehr Eis schmelzen.

Es gibt weniger schneebedeckte Flächen, so dass weniger Sonnenlicht ins All reflektiert wird. Böden, die Jahrhunderte lang gefroren waren, tauen allmählich auf, was wiederum Methan frei setzt. Infolgedessen erhöhen sich die Treibhausgas-Konzentrationen. So war der Sommer des Jahres 2015 in der Arktis bereits zu warm, im darauf folgenden Winter setzte sich die Eisschmelze fort.

Doch was bedeutet der Klimawandel für die Samen, die Ureinwohner der europäischen Arktis? Bruce Forbes von der Universität in Rovaniemi/Finnland beobachtet seit Längerem in der Gegend einen schleichenden Prozess der Klimaerwärmung. Dass das Meer im Herbst nicht mehr zufriert, ist nur eines der sichtbaren Probleme.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind alle Vogel- und Insektenarten immer weiter nach Norden gewandert. So gebe es im Gegensatz zu früher heute ein echtes Problem mit Zecken. Im Winter erschwert der harte Schnee die Fortbewegung der Menschen. Wegen der Temperaturschwankungen sind die Rentiere neuerdings sogar vom Hungertod bedroht.

Rentiere - eine Rotwildart mit hohem Bewegungsdrang - leben in Lappland traditionell in freier Natur. Im Winter ernähren sie sich von Flechten, die sie unter dem Schnee befinden. Wenn es friert und anschließend wieder taut, bilden sich Eisschichten über dem Boden. Dann riechen die Tiere die Flechten nicht mehr, erklärt Jonas Vannar aus dem schwedischen Jokkmokk in einem Interview mit 350.org (Initiative für Klimagerechtigkeit). Sie holen sich dann die Flechten, die von den Bäumen herunter hängen.

Doch wenn die Holzkonzerne die alten Bäume abholzen, stehen auch diese Flechten nicht mehr zur Verfügung. Zwar versprachen ihm die Konzerne zusätzliches Futter, so der samische Rentierhirte, doch könne dies die natürliche Nahrungsaufnahme nicht ersetzen. Aus diesem Grund sind in Nordschweden bereits massenhaft Rentiere verhungert.

Wasserkraft vertreibt Rentierzüchter

Was früher mal ein schönes Tal war, ist heute komplett mit Wasser geflutet: Aus dem Stausee im Zentrum des Nationalparks gewinnt Schweden nahezu ein Drittel seines jährlichen Strombedarfs. Während der See im Frühjahr nur knapp 100 Quadratkilometer groß ist, schwillt er bis zum Spätsommer um das Zweieinhalbfache an.

Zwischen Frühjahr und Herbst variiert der Wasserpegel um bis zu 30 Meter. Der Energiekonzern Vattenfall zog die Mauern des Staudamms immer höher. Niemand kam auf die Idee, die Anwohner zu fragen, ob ihnen das recht ist. Sie mussten mit ihren Hütten hundert Meter weiter nach oben ziehen, wollten sie nicht ersaufen. Und die Rentierzüchter, deren Weidegebiete dramatisch schrumpften, mussten an die Ränder des Stausees ausweichen. Erst Jahre später wurden die Samen für die Enteignungen entschädigt.

Natürlicherweise sind die Flussströmungen im Sommer stärker als im Winter, wenn das Regenwasser als Schnee auf dem Boden landet, erklärt Jonas Vannar im Interview (s. oben). Die Kraftwerke blockieren nicht nur die Wanderrouten der Rentiere, die entlang der Flüsse verlaufen, sondern sie stauen das Wasser im Sommer auf, während es im Winter durch die Turbinen strömt. Dadurch ändert der Fluss sein Verhalten. So mussten, weil die Eisdecke zu dünn geworden war, die Bewohner seines Dorfes alle Wege neu über Land verlegen.

Bis in die 1960er Jahre hinein galten die Samen in Schweden als Menschen zweiter Klasse. Der samische Maler Lars Ison, der diese Zeit noch miterlebte, erinnert in seinen Bildern an die Tradition seines Volkes, an alte Mythen und Bräuche. Vor einigen Jahren bat man ihn, den Vattenfall-Staudamm mit einer samischen Schamanentrommel zu verschönern.

Die meisten dieser Trommeln seien vor langer Zeit von christlichen Missionaren verbrannt worden, erklärt er in einem Interview mit einem Arte-Team. Doch das Kraftwerk habe von Anfang an nicht richtig funktioniert. Vergeblich habe man versucht es zu reparieren. Offensichtlich stört die Trommel den reibungslosen Betrieb, glaubt der Künstler, der von den eigenen Leuten für sein Werk anfangs angefeindet worden war.

Probleme gibt es auch mit den Windkraftanlagen. Die Windkraft-Betreiber haben gemerkt, dass sie sich gegen die wenigen Rentierzüchter leichter durchsetzen können als gegen Stadtbewohner. So werden immer mehr Turbinen auf Weideland gebaut. Die neuen Windparks aber werden von den Rentieren gemieden.