Lappland im Klima-Wandel
Seite 2: Bergbau bedroht Nationalpark
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Immer mehr Bergbaukonzerne erobern das Land - mit gravierenden Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Samen. Die Kreisstadt Jokkmokk mit ihren rund 5.000 Einwohnern gilt als eines der wenigen Zentren samischer Kultur. Etwa fünfzig Kilometer weiter, in einer Gegend namens Gállok, gibt es riesige Eisenerzvorkommen, die der schwedische Staat für sich beansprucht. Nur wenige Kilometer weiter liegt der Laponia-Nationalpark, der 1996 zum UNESCO-Weltnatur- und Weltkulturerbe erklärt wurde.
Hier ist die Wildnis vom Menschen noch weitgehend unbeeinflusst. Im Sommer 2013 plante der britische Minenkonzern Beowulf Mining Corporation mit Erlaubnis der Regierung Probebohrungen. Dagegen protestierten rund 800 Einheimische. Der Protest weitete sich aus und fand weltweit Beachtung.
500 Arbeitsplätze würde die Mine erschaffen - für mindestens 14 Jahre, behaupteten Vertreter der Bergbau-Industrie. Der einheimische Aktivist Tor Lundberg Tourda sieht das anders. Er glaubt, die Bergbauvorhaben seien die Fortsetzung der Kolonialisierung durch den schwedischen Staat, der das Sami-Land Jahrhunderte lang ausgebeutet hat, um sich an Rohstoffen zu bereichern.
Die Samen denken sieben Generationen im Voraus, um ihre alte Lebensweise zu erhalten, sagt ein Einheimischer im Interview mit Arte (siehe oben). Die Denkweise der Industrie-Vertreter hingegen zielt auf kurzfristige Gewinne. Aber Rentiere fressen kein Geld, sie brauchen Gras. Gingen die Minen von Gállok irgendwann in Betrieb, würden sie die Weidegründe und Wanderwege der Rentierherden zerstören.
Neuer Kolonialismus
Die Klimaerwärmung in Lappland prägt auch den Fischfang: So ist die Seeforelle in den Seen Lapplands ziemlich stark verbreitet. Einem älteren samischen Fischer zufolge werden die Seesaiblinge, die es gerne kalt mögen, immer dann von den Forellen verdrängt, wenn die Wassertemperatur steigt.
Immer weniger Samen gehen heute auf traditionelle Weise fischen, bedauert Áslat Holmberg im Gespräch mit 350.org. Noch dazu sei in Norwegen und Finnland der traditionelle Fischfang der Samen seit Kurzem verboten. Der junge samische Fischer befürchtet eine Art grünen Kolonialismus: riesige Gebiete, von den Samen bewohnt, werden als ungenutztes Land betrachtet und schließlich von Konzernen ausgebeutet. Vor diesem Hintergrund fiele es den Samen immer schwerer, ihre Traditionen und Kultur lebendig zu erhalten.
Den neuen Kolonialismus thematisieren auch die samischen Schauspielerinnen Mio Negga und Sarakka Gaup in ihren Theaterstücken. Dabei geht es ihnen nicht nur um den Verlust der Sprache, des Landes, der Kultur, der Gemeinschaft, sondern auch um Ausbeutung, Suizid, Rassismus, Umweltzerstörung und eben auch um den Klimawandel. Beim Kolonialismus gehe es immer um Geld, erklärt Mio Negga, und in der Natur könne man Geld machen. Die Samen aber leben mit der Natur, nicht gegen sie.
Sie versuchen nicht, die Natur gegen Geld einzutauschen. Anstatt ihnen die Selbstverwaltung und ihre Rechte zurückzugeben, werde ihnen das Fischereirecht entzogen. Es müsse heute darum gehen, zu erhalten, was noch geblieben ist. Noch haben die Aktivistinnen die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Dinge ändern lassen - durch gemeinsame Anstrengungen von Umweltbewegungen und Regierung.
Leben mit und in der Natur
Auch Anne-Maret Blind hat samische Wurzeln. Von ihrem Großvater hat sie viel über die Lebensweise der Samen, ihre Werte und Denkweisen gelernt. Durfte der Mensch früher die Natur nicht verändern, versuchen heute alle, sich so viel wie möglich zu nehmen, klagt die Journalistin.
In der Natur aber hängt alles miteinander zusammen. Wird etwas zerstört, wird alles andere in Mitleidenschaft gezogen. So sind nur noch zwei Prozent der Wälder in Schweden völlig unberührt. Viele der älteren Samen wussten die Zeichen der Natur zu deuten und konnten das Wetter vorhersagen. Mit dem wärmeren Klima sei alles anders geworden: Das Wetter ließe sich nicht mehr vorhersagen. Auch das Eis trage die Menschen und Rentiere nicht mehr.
Bevor die Hochebene zuschneit, bietet der kurze Herbst eine farbenprächtige Wildnis. Heidelbeeren, Preiselbeeren und die nur hier wachsende Moltebeeren sind herangereift. Auch die Kälber der Rentiere sind herangewachsen und kräftiger als im Frühjahr. Fast so unberührt wie früher ist das Land, wenn Ende September die letzten Touristen gegangen sind.
Dann pferchen die Rentierhirten ihre Herden auf der Hochebene ein, um einen Teil der Tiere für die Schlachtung heraus zu fangen. Verarbeitet wird das ganze Tier: Aus dem Blut wird Wurst hergestellt, genutzt werden außerdem Innereien, Fell und Geweih. Im Winter werden die Tiere nochmals zusammengetrieben, um Tiere zur Schlachtung heraus zu fangen. Die samischen Hirten verkaufen ihre Rentierfelle auch in der Stadt. Eine wichtige Einnahmequelle ist zudem die Elchjagd.
Noch trotzen sie allen Bedrohungen durch Industrie, Tourismus und Klimawandel. Denn für die meisten samischen Rentierhirten bedeuten Familie, Natur und Rentiere ein Leben in Freiheit. Diese Freiheit würden sie - zusammen mit ihren Rentierherden - gerne an ihre Kinder weitergeben.