Laptopisierung der Gesellschaft
Im Mobilen liegen die Chancen sinkender Absatzzahlen der Technologie-Branche. Doch muss Mobil-Sein deshalb gleich zum elitären Luxus erklärt werden?
Es könnte gut sein, dass der PC-Turm in fünf Jahren ausgestorben sein wird. Vielleicht auch erst in zehn. Der Laptop wird ihn besiegen, begleitet von allerlei anderen mobilen und digitalen Anwendungen. Denn den Herstellern bleibt keine andere Wahl: Die PC-Verkäufe in den USA und die Produktionszahlen im Hardwarebereich sind rückläufig.
Der Markt ist gesättigt. Er rülpst zaghaft vor sich hin. Nur technologische Innovationen können die verminderten Absatzzahlen der PC- und Halbleiterindustrie wieder nach oben korrigieren. Der Haben-Will-Effekt, mit dem man konsumorientierte Trendsetter hinter ihren digitalen Kameras hervorlockt.
Doch mit dem herkömmlichen PC-Turm ist da nicht mehr viel zu machen. Die Büros sind ausgestattet, die Reihenhäuser erobert. Auch ein weiteres Hochtunen der Arbeitsgeschwindigkeit ist für den normalen Rechner nicht mehr sehr relevant. Für stationäre Arbeitsvorgänge reichen die bisherigen Megahertz meist aus. Das Internet möchte man zwar manchmal ein bisschen anstupsen, aber punkto größerer Bandbreite ist die PC-Industrie machtlos, eine Gefangene des Netzwerks. Und erst wenn die Bandbreite sich erheblich in die Höhe schraubt, brauchen wir auch einen schnelleren Rechner.
Der nächste technologische Schritt muss deshalb die Laptopisierung der Gesellschaft sein. Und wenn Musik, wie der englische Produzent Matthew Herbert behauptet, wirklich als Testfeld die sozialen Veränderungen immer vorwegnimmt, dann hat diese Behauptung von der "Laptopisierung der Gesellschaft" Relevanz. Seit 1999 kann man beobachten, dass der Laptop innerhalb der elektronischen Musik zum wichtigsten Instrument geworden ist. Producer wie Kid Clayton, Sutekh oder Jake Mandell haben das Apple Powerbook als wichtigstes elektronisches Gerät durchgesetzt - auch wenn Apple das so gemeinhin fahrlässig vernachlässigt wie Jägermeister die damals noch wegweisende Technoszene Mitte der Neunziger.
Doch Apple hin oder her: Die Leistungsfähigkeit tragbarer Computer kann mittlerweile achselzuckend mit einem herkömmlichen PC mithalten. Die Eroberung des Raums wird an allen noch offenen Stellen vorangetrieben: die Festplatten werden größer, die Taktfrequenzen schneller und - nicht zu unterschätzender Punkt - die Preise purzeln. Ob ich mir einen PC kaufe oder einen äquivalenten Laptop macht heute noch etwa 1000 DM Unterschied aus. Auf der Seite der Arbeitsfähigkeit und Erschwinglichkeit hat der Laptop den PC-Tum schon seit einiger Zeit erreicht, nur für die verschiedenen Situationen, in die ein Laptop hineingetragen werden kann, da zeigt er sich noch unzureichend vorbereitet.
Der erste Outdoor-PC
Gegen Ostseestrand, Parkgras, Bettfussel oder Fahrradstürze muss man seinen Laptop noch in wasserdichte und wattierte Taschen schieben. Auch wenn Panasonic jetzt einen kleinen tragbaren Outdoor PC entwickelt. Der "ProNote AirFG" mit 300Mhz-Schnarch, 64MB und einer 5 GB Festplatte ist noch leistungsschwach. Bezeichnender Weise soll er als erstes von der Polizei genutzt werden. Mit denen kann man es wohl machen. Immerhin ist der ProNote zukunftsweisend entwickelt. Er übersteht Stöße, Staub und Wasser unbeschadet, wiegt 920 Gramm und kommuniziert mit dem knapp 700 Gramm schweren Touchscreen per Funk.
Auch die Entwicklung von Wireless Local Area Networks für ganze Stadtteile wird in den Testlabors weiter ausgeknobelt und treibt nebenbei die Handy-Industrie zur Verzweifelung. Denn warum sollten die Leute in der Zukunft teures Geld für eine UMTS-Verbindung ausgeben, wenn man prima über eine Local Area Network aus dem Park ins Internet surfen kann? Es könnte in der Tat sein, dass sich UMTS als gigantischer Flopp herausstellt und eine nächste Wirtschaftskrise heraufbeschwört, immerhin haben die Telekoms dieser Welt im letzten Jahr ein Viertel der internationalen Kredite aufgenommen.
Gerade deshalb sind kreative Entwicklungen um das Handy herum eine zentrale Herzensangelegenheit der Telekoms. Auch im Handybereich braucht es dringend eine Innovation auf der Ebene der Anwendung. Unter dem Thema "IT for Mobility" arbeiteten deshalb bereits Kooperationen wie die zwischen Philips und dem Royal Arts College London an Applikationen, die das Funknetz jenseits direkter Telefon-Verbindungen spielerisch nutzen sollen.
Trennung oder Versteck
Mobilität wird zum zentralen Wirtschaftsfaktor des Technologiesektors. Doch um so einen Wirtschaftsfaktor an den Mann zu bringen, muss er emotionalisiert werden. Die Aufladung des mobilen Lebens ist derzeit deshalb heftig im Gange. Da sich ein Laptop bei Verzicht auf die Autotür eines Kleinwagens ungefähr jeder Angestellte leisten kann, braucht es einen neuen Differenzcode: das Reisen, das Gefragt-Sein in aller Welt. Die Statussymbole von heute sind neben Auto, Haus, Boot das Businesshotelwohnen, Flugzeugloungeherumhängen und mit Tri-Band-Handies telefonieren. Gestern Tokio, morgen New York übernächste Woche Paris, und Linz (Linz. Linz? Na gut. Einmal im Jahr sich bei der Ars Electronica gruseln).
Die Mobilität als Differenz also, als Abschottungsprozess. Man könnte es an die Wand projizieren als Eigenschaft, die die Gesellschaft trennen wird: die Mobilität. Der Trend wäre klar: Die zukünftige Elite reist ausgerüstet mit allerlei technologischen Devices immer mobiler durch die Businesshotels von Meeting zu Meeting und erholt sich zwischendurch auf den Honduras oder besser noch, weil es so schön antikapitalistisch ist, auf Kuba. Wer über große Distanzen reisen darf, gehört zu den Privilegierten. Nichtprivilegierte bleiben dagegen in ihrem Balkonien. Und diejenigen ganz ohne Eigentum bewegen sich vom Obdachlosenheim zum Bahnhofsplatz. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Jacques Attali, ein ehemaliger Berater von Francoise Mitterand, entwarf eine solche Trennung in drei Klassen der globalen Verhältnisse. Er beschreibt eine Trennung der Gesellschaft durch Mobilität, die technologisch ge-back-upt durch Internet, Mobiltelefon und Laptop, PDAs und andere Organizer wird.
Und man kann es schon fast vor sich sehen, eine einsetzende Feindlichkeit, die den technischen Geräten die Schuld gibt, und die folgende Abwehr. "Ich brauche keinen Laptop", heißt dann: "Ich gehöre nicht zu dieser blöden Klasse von elitären Puppsnasen." Bravo. Soziale Probleme in Technik verstecken und ganz einfach mal wieder der Technologie die Schuld geben, für die Dinge, die die Gesellschaft versaut hat. Die Gesellschaft, das heißt: Ich, du und dein Chef auch.
Die direkte Demokratie der Technologie
Denn es ist nicht so, dass das Problem der sozialen Elite die Schuld der Technologie wäre. Die Technologie, um die es da geht, Handy, Organizer ja sogar Laptop ist erschwinglicher und deshalb demokratischer denn je. Es geht auch nicht um die Mobilität als solche. Mobil sind heute in Deutschland jene 95 Prozent der Bundesbürger, die sich einen Mallorcaaufenthalt für 600 DM die Woche leisten können. Es ist jedoch keine Mobilität des Urlaubs, die als Statussymbol verhandelt wird. Es ist eine Mobilität des Arbeitens und damit des Benötigt-Werdens von der Welt. Der Manager ist immer noch das ultimative Erfolgssymbol.
Heutzutage muss man, um Erfolg zu haben, es nicht mehr nur am eigenen Arbeitsschreibtisch schaffen, auch New York reicht schon lange nicht mehr. Es geht gleich um die ganze Welt, die Globalisierung - wir haben davon gehört - , die einen benötigt. Da kann man sich natürlich wichtig fühlen, da muss alles Äußere auf einen ausgerichtet sein, angeschlossen über technologische Devices. Dass dieses Bild von der Managerkaste gepflegt wird, wundert einen gar nicht.
Dass dieses Bild aber von stumpfen Werbekonzeptern aufgebauscht wird, um Technologie als begehrenswerte Verlängerung an den Mensch zu bringen, kann man für einen gefährlichen Zirkel des Kapitalismus halten: Gesellschaftliche Spaltung zu Gunsten wirtschaftlichen Umsatzes ist der Grund, warum der Laptop sich nicht als pragmatischer Gegenstand in den Alltag hineinschmuggeln darf. Dein Computer jetzt noch leichter, ein ständiger Begleiter. Stattdessen stülpt man all die sozialen Dynamiken über ihn hinüber. Luxusgut, ein Zeichen des Erfolges, du bist besser als der Rest der Welt. Muss das sein? Wahrscheinlich ist ja deshalb Tibet und sein glatter Pazifismus als Gegenbewegung so ultra hip.
Was, wenn ich zufrieden wäre, einfach so, mit mir selbst? Würde dann die Wirtschaft zusammenkrachen? Dass diese Frage realer als ein hippieskes Gespinst ist und die Konsumenten in der Tat über Macht verfügen, zeigte neulich die Verlegung der Fußballsendung Ran mangels Einschaltquoten. Deshalb: Es lohnt sich, darüber nachzudenken.