Larry King und der Weltuntergang
Journalisten in Hollywood: Eine Geschichte über Helden und Anti-Helden im Film
Von Federico Fellini heißt es, daß er für Sensationsreporter oft deutliche Worte fand. So reagierte er eines Abends äußerst gereizt, als er wieder einmal einen Fotoreporter entdeckte. Außer sich vor Wut, brüllte er in dessen Richtung: "Paparazzo!". Ob der als "lästiges Insekt" Bezeichnete sich daraufhin zurückzog, ist nicht überliefert, aber seitdem hat der Sensationsjournalismus einen neuen Namen. Während bislang vor allem den Boulevardblättern das Blut-und-Tränen-Image anhing, kommen nun allerdings auch zusehends die "seriösen" Medien auf den Hund.
In Amerika haben im letzten Sommer die Levinsky-Affäre und der CNN-Skandal um Giftgaseinsätze im Vietnam-Krieg dafür gesorgt, daß sich Journalisten nun mit Schuhverkäufern und Gebrauchtwagenhändlern auf einer Vertrauensebene wiederfinden. Es fehlt nicht viel, und die Journalisten könnten nach Meinung vieler Amerikaner ruhig zwei Fuß tief unter der Erde verschwinden.
Das Verhältnis der Öffentlichkeit zu den Medien ist im besten Fall ambivalent. Doch während Schuhverkäufern nur äußerst selten der Sprung in die Film- und Fernsehgeschichte gelingt, können sich Journalisten damit trösten, seit vielen Jahre auf eine stabile Karriere in Hollywood zurückblicken zu können. Immer wieder wurden und werden sie als beliebte Helden oder Anti-Helden dargestellt. Kaum eine andere Berufsgruppe wird so häufig porträtiert. Die Geschichte der Journalisten in Hollywood ist nicht zuletzt eine Geschichte, die das ständige Auf und Ab im gesellschaftlichen Ansehen reflektiert.
Vietnam und der Watergate-Skandal haben Robert Redford in der Rolle eines Zeitungsreporters 1976 zum modernen Vorbild schlechthin stilisiert. In "All the President's Men" erwirkte er durch sein unbeugsames Rückgrat den Rücktritt des Präsidenten. Und so wie Sam Waterston einige Jahre später in "The Killing Fields" (1984) war er moralisch über jeden Zweifel erhaben. Selbst James Woods als zynischer Kriegskorrespondent in Oliver Stones Mittelamerika-Thriller "Salvador" (1986) war zwar selten nüchtern, aber ansonsten fehlerfrei. Dem Mythos unkorrumpierbarer Journalisten war schwer beizukommen. Nicht einmal Mel Gibson, dem man ja sonst alles abkauft, leistete sich in Peter Weirs "Year of Living Dangerously" (1983) eine einzige Lüge. Er war der typische Reporter Marke "Wachhund der Demokratie". Alles in allem erscheinen die 70er und 80er Jahre rückblickend als eine Zeit, als sich seriöse Journalisten noch ernst nahmen und auch von der Öffentlichkeit ernst genommen wurden.
In den frühen Hollywood-Jahren waren ehrenhafte Schreiberlinge eher die große Ausnahme. Sie gingen unter in der Masse von Klatschreportern, die auf Jahrzehnte hinaus das Image des rastlosen Reporters prägten. Ständig in Bewegung und auf der Suche nach der nächsten Sensation, kletterten sie über Zäune und schreckten vor keiner List zurück. In den 30er und 40er Jahren verkörperte das niemand besser als der damalige Hollywoodstar James Cagney. In "Johnny come Lately" (1943) log er, daß sich die Balken bogen, hatte keine Moral und kannte keinen Gott. Aber seine Enthüllungen waren beim Publikum stets beliebt. Weitere Beispiele in dieser Reihe: Barbara Stanwyck ("Meet John Doe", 1941), Edward G. Robinson ("Five Star Final", 1931), oder Pat O'Brien ("The Front Page", 1931).
Journalisten hatten damals vor allem zwei Merkmale: Sie waren weiß und kamen unverkennbar aus der Arbeiterklasse. Durchtrieben, aber durchaus mit Humor wußten sie, wie die Welt funktionierte. Sie verkörperten einen Berufsstamm, prädestiniert für rasante Komödien und starke Sprüche. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Und die Zuschauer konnten sich auch sozial mit ihnen identifizieren. Nur selten, und dann auch nur Sympathieträger wie Katharine Hepburn ("Woman of the Year", 1942) oder Rosalind Russel ("His Girl Friday", 1940), kamen die Reporter aus dem Upper-Class-Bereich. Für eine gute Story gingen sie jedoch gleichermaßen über Leichen.
Ausnahmen von der Regel waren selten. Nur vereinzelt fühlte sich ein Zeitungsverleger (gespielt von Humphrey Bogart) etwa in "Deadline U.S.A." (1952) der Wahrheit verpflichtet. Und natürlich der "Nur-Gut-Mensch" James Stewart, der konnte und wollte keiner Fliege was zu Leide tun. In "Call Northside 777" (1948) glaubte er allen Unkenrufen zum Trotz an die Unschuld eines zum Tode Verurteilten. Aber diese Beispiele gingen im allgemeinen Trend unter.
Schon eher lieferten Journalisten das Kanonenfutter für das konservative Lager. In Zeiten der Kommunistenverfolgung und der Beschneidung persönlicher Freiheitsrechte lieferte ausgerechnet Billy Wilder mit "Ace in the Hole" (1951) scharfzüngigen Politikern Munition. In seinem Film nutzt ein nur auf den eigenen Vorteil bedachter Kirk Douglas eine Tragödie für seine Karriere aus. "Ace in the Hole" setzte eine Tradition medienkritischer Filme in Bewegung, in die auch noch fast fünfzig Jahre später "Mad City" (1997) gehört, der einige offene und viele versteckte Anleihen an diesen Film nimmt. So wie auch "Absence of Malice" (1983).
Während sich Kriegskorrespondenten in anderen Filmen noch zur gleichen Zeit für die gute Sache schlugen, erzählt Sydney Pollacks Streifen die Geschichte einer von allen guten Geistern verlassenen Reporterin (Sally Field), die einen ehrenhaften Unternehmer (Paul Newman) diskreditiert. Und zwar mit dem Schutzschild der Pressefreiheit. "Absence of Malice" ist die konservative Antwort auf den progressiven "All the President's Men". Manchen scheint damals der Einfluß der vierten Macht im Staate schon zu weit gegangen zu sein. Das Ziel dieser Filme ist immer dasselbe: Die Macht der Medien, wenn schon nicht offen politisch, so zumindest moralisch zu untergraben.
Spätestens mit dem Ende der 80er Jahre waren die ehrgeizigen Enthüllungsjournalisten dann endgültig out. Ausgerechnet Durchschnittsware wie "Die Hard" (1988) kündigte einen Wandel an. Als die ahnungslose Familie von Bruce Willis hier von einem aufdringlichen TV-Redakteur heimgesucht wird, gehört der wohlplazierte Faustschlag der Ehefrau zu den umjubelten Höhepunkten des Films. Und die Journalisten waren nun auf einmal, wofür früher Russen, Kommunisten oder beides herhalten mußten.
Zwar waren und sind die Medien als Thema weiterhin sehr stark präsent. Kein Wunder, nehmen sie doch auch im täglichen Leben einen immer größeren Raum ein. Aber große Rollen spielen Journalisten nur noch selten. Stattdessen verkommen sie zu bloßen Randfiguren, vor denen die Menschen besser auf der Hut sein sollten ("Natural Born Killers", 1992, "Pret-à-Porter", 1994, "In & Out", 1997, und viele andere). Auffällig ist noch etwas anderes: Damals wie heute gibt es kaum schwarze Journalisten. Ihren ersten Auftritt hatten sie erst 1965 in James B. Harris' "The Bedford Incident" mit Sidney Poitier. Dann lange nichts, nur hin und wieder einige Ausnahmen. Und Alan J. Pakulas "The Pelican Brief" (1993) sticht nur so deutlich hervor, weil er eben eine Ausnahme ist.
Ganz anders ist die Repräsentation von Frauen. Angefangen von Katharine Hepburn über Sally Field bis hin zu Nicole Kidman ("To die For", 1995) oder Michelle Pfeiffer ("Up Close And Personal, 1996), sind sie eher überdurchschnittlich vertreten. Doch wen wundert das? Das Klischee knallharter Karrierefrauen paßt einfach zu gut ins Reporterinnendasein. Und als Biester, die männliche Unschuldslämmer hintergehen, sind Frauen sowieso immer gefragt.
Der Trend in den letzten Jahren geht zu einer Vermischung von Wirklichkeit und Fiktion. Konkurrenzdruck, Eigentümerkonzentration und das Profitstreben der Anteilseigner haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, daß die Grenzen von seriöser Berichterstattung und Boulevardthemen fließend werden. Jahrzehntelang gepflegte Standards gehen dabei über den Jordan. Ob Hollywood oder White House, die Differenz von Wirklichkeit und Fiktion verschwimmt. Und das nicht erst seitdem der Schwanz mit dem Hund wedelt (Wag the Dog, 1998).
Diese Entwicklung wurde auch nicht zuletzt unterstützt durch mittlerweile regelmäßige Auftritte von CNN-Stars in Actionfilmen. So sind zwar Larry Kings Versuche im Spielfilm ganz pfiffige Cross-Promotion-Ideen, doch für die Glaubwürdigkeit letztendlich verheerend. Nachrichtenberichterstattung verkommt hier zum Showbusineß. Allein Larry King spielte in den vergangenen Jahren in dreizehn (!) Filmen mit, darunter "Mit aller Macht" (1997), Bulworth (1998), Mad City (1997) und "Contact" (1997). Mit der gleichen Betroffenheits-Gestik berichtet er über den Kosovo-Konflikt wie über den drohenden Weltuntergang durch einen Asteroiden-Einschlag. Die Krise der seriösen Berichterstattung wird dadurch sicher nicht behoben. Denn was ist nun: Ahmt das Leben nun die Kunst nach oder umgekehrt?