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Persönliche Gespräche mit von ihrer Entscheidung Betroffenen können die politische Meinung von Wählern nachhaltig verändern

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Als einer der Gründe, warum gerade im Osten Deutschlands Ausländerfeindlichkeit Schlagzeilen macht, gilt die Tatsache, dass gerade dort der Ausländer-Anteil niedriger liegt als anderswo. Menschen gebären sich feindselig gegenüber allem, das sie nicht kennen. Entsprechend dieser Theorie müsste ein gegenseitiger Kontakt der betroffenen Gruppen zu einer Verbesserung des Verhältnisses führen - nur ist es oft schwierig, diesen Kontakt in den gegebenen Verhältnissen auch herzustellen.

Dass sich das lohnt, darauf deutet eine Studie hin, die das renommierte Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht hat. Nicht Ausländer, sondern Schwule und Lesben waren hier das Thema.

In Kalifornien hatte es 2008 eine Abstimmung über die Abschaffung der "Homo-Ehe" gegeben. Die Forscher suchten sich nun einen Wahlbezirk aus, dessen Bewohner sich klar gegen die Ehe für Schwule und Lesben ausgesprochen hatten. Die dort registrierten Wähler und ihre Mitbewohner wurden zunächst zu einer Online-Befragung gebeten, bei der ihre allgemeine politische Einstellung geprüft wurde.

Die Versuchsanordnung

Danach wurden die Probanden in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe stellte sich einem Telefongespräch. Dabei unterhielt sich die eine Hälfte mit heterosexuellen, die andere mit schwulen Mitarbeitern über die Homo-Ehe. Die zweite Gruppe erhielt Besuch, und zwar zur Hälfte von einem homosexuellen Gesprächspartner, zur anderen Hälfte von einem heterosexuellen Mitarbeiter.

Die Besucher offenbarten dabei ihre sexuelle Identität und unterhielten sich im Mittel 20 Minuten lang mit den Probanden. Schließlich bildeten die Forscher auch noch eine dritte Gruppe. Diese erhielt von denselben Mitarbeitern Besuch, als Gesprächsthema wählten diese jedoch "Recycling".

Drei Tage später ermittelten die Forscher durch weitere Online-Befragungen, ob und wie sich das Verhältnis der Probanden zur Homo-Ehe gewandelt hatte. Bei denen, die sich nur am Telefon oder über Recycling unterhalten hatte, war keine signifikante Änderung festzustellen. Bei der Gruppe jedoch, die sich im persönlichen Gespräch über das Thema ausgetauscht hatte, stieg die Zustimmung um acht Prozent. Wirklich interessant wurde es jedoch nach dem Ablauf von drei Wochen.

Die Konstanz der Meinungen

Eine erneute Online-Befragung zeigte, dass ein Teil der Probanden zu seiner alten, konservativen Meinung zurückgekehrt war. Dabei handelte es sich um die Hälfte der Probanden, die mit einem heterosexuellen Mitarbeiter gesprochen hatte. Bei denen jedoch, die eine Unterhaltung mit einem homosexuellen Mitarbeiter geführt hatten, blieb die Zustimmung erhalten - und das auch ein ganzes Jahr nach dem Besuch noch.

Interessant war dabei auch, welche Mitarbeiter am überzeugendsten gewirkt hatten. Bei Probanden beiderlei Geschlechts insgesamt waren das schwule Männer, die, wie es die Wissenschaftler formulieren, "heterosexuell wirkten". Speziell bei konservativen Männern überzeugten lesbische Frauen am stärksten, die für diese eine heterosexuelle Ausstrahlung hatten.

Das dürfte daran liegen, meinen die Forscher, dass besonders der Aufbruch eines vorhandenen Stereotyps eine starke Botschaft sende. Beeinflusst wurden von den Besuchen übrigens nicht nur die Probanden selbst, sondern auch deren Lebenspartner, die gar nicht am Gespräch teilgenommen hatten. Eine veränderte Einstellung vererbt sich offenbar auch sozial weiter.