Lauert wirklich hinter jeder EXPO-Wolke die Sonne?

Die EXPO-Generalprobe mit den Journalisten

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An zwei Tagen herrschte auf dem Gelände der Weltausstellung noch in anderer Hinsicht hektische Betriebsamkeit. Über 1.500 deutsche und 1.300 internationale Journalisten hatten an diesen Tagen Gelegenheit, ein bisschen EXPO-Luft auf der Baustelle zu schnuppern. Nicht alles war fertig, aber ein erster Eindruck war dennoch zu erhaschen. Es regnete an diesem Morgen und über den Tag verteilt. Deshalb erschien die EXPO im grauen Allerlei des Alltags nur zum Teil als Lichtgestalt und kann die Schattenseiten kaum noch verbergen. Generalkommissarin Birgit Breuel äußerte dazu, dass hinter jeder Wolke die Sonne stehe. Diesen Optimismus muss die EXPO-Führung in diesen Tagen reichlich bemühen.

Themenpark - Planet of Vision

Der Eröffnungstag der EXPO wird wohl deutlich hinter den Besucherprognosen zurückbleiben. War anfangs noch von mindestens 250.000 Besuchern die Sprache, sollen neue Untersuchungen von 150.000 ausgehen. Damit rechnet man auch von offizieller Seite. Frau Breuel ist fest überzeugt, einen "ordentlichen Start hinzulegen". Zugleich soll es der "Start zu einem 153 Tage langen Marathonlauf" sein. Inzwischen sind nach offiziellen Angaben aber nur 20.000 Karten zum Eröffnungstagpreis von 120 DM verkauft worden. Noch ist man in den Äußerungen sehr wage und hält sich mit genauen Zahlen bedeckt. Sie lägen angeblich nicht vor und außerdem glaubt man an den spontanen Entschluss vieler Besucher. Angaben anderer Medien zufolge, z.B. im Nordtext, seien inzwischen 56.000 Karten verkauft worden. Doch auch diese Zahl ist noch weit von den bisherigen Erwartungen und Einschätzungen entfernt.

Um einem möglichen Desaster vorzubeugen, hat man ganz nebenbei alle 28 EXPO-Schulen am Eröffnungstag zum kostenlosen Besuch der Weltausstellung eingeladen. Das könnten auf einen Schlag 30.000 bis 35.000 jugendliche Besucher mit ihren Lehrern sein. Außerdem sind weitere Freikarten verteilt worden: Etwa 5.000 Karten sind anlässlich der Eröffnung des neugestalteten hannoverschen Hauptbahnhofes verschenkt worden, und die 6.000 Bauarbeiter dürfen sich einen Tag länger, also auch am 1. Juni, auf dem Gelände der Weltausstellung aufhalten. Da werden sich die Besucher der regulären teuren Eintrittskarten aber freuen, wenn sie von so viel Publikum umgeben sein werden.

Pünktlich fertig?

Pavillons von Nepal und Venezuela

Eine weitere Kernfrage war, ob auf der EXPO wirklich alles pünktlich fertig wird. Überall wird noch gebaut, Wege müssen gepflastert werden und jede Menge Rollrasen fehlt noch, damit sich die Weltausstellung der Welt auch als EXPO im Grünen präsentieren kann. Auf dem Gelände geht es genauso wuselig zu wie in den letzten Tagen vor der CeBIT oder der Hannover-Messe Industrie. Von dem Logistikkonzept ist nicht mehr viel zu merken, denn jede Menge Baufahrzeuge, LKWs, Gabelstapler und sonstige Firmenfahrzeuge durchkreuzen das Gelände. Dazwischen sind immer wieder Gruppen von Leuten auszumachen, die sich mit dem Gelände vertraut machen müssen. Anders als bei den Messen soll es während der EXPO Scouts geben, die den Besuchern bei der Orientierung helfen sollen.

Japanischer Pavillon

Von den Pavillons und den Hallen stehen zwar in vielen Fällen schon die Fassaden, doch in vielen Bereichen muss noch die Technik installiert werden. Bis auf wenige Ausnahmen sind aber erst wenige Exponate zu sehen gewesen. Lediglich im Deutschen Pavillon sind inzwischen fast alle Ausstellungsstücke eingetroffen. Von einigen Nationen ist bekannt, dass ein Teil ihrer Ausstellung erst im Verlauf des Monats komplett vor Ort sein wird. Ein Container aus einem asiatischen Land wird zum Beispiel erst am 6. Juni beim Zoll erwartet. Das wird der EXPO wohl kaum schaden, denn trotzdem kann man damit rechnen, mit der rechten Hand freundlich begrüßt zu werden, während die linke gerade noch den Schraubenzieher verbirgt und mit dem Fuß schnell noch etwas unter die lange Tischdecke geschoben wird.

Die leidvolle Parkgeschichte

Das Parkkonzept am Gelände der Weltausstellung entwickelt sich langsam zur Farce. Ursprünglich sollten nur Auto-Besucher, die mindestens drei Eintrittskarten besitzen, einen Anspruch auf einen im Vorfeld gebuchten Parkplatz haben. Als sich die Reservierung als Ladenhüter erwies, begründete man dies mit dem starren Buchungssystem, das Kindereintrittskarten nicht als dritte Karte akzeptierte. Daraufhin bot man nun jedermann eine Parkplatzreservierung an. Doch weiterhin verlief der Absatz nur schleppend, obwohl sich in diversen Umfragen ca. die Hälfte der Befragten für die Autoanreise entscheiden würde.

Im Cyclebowl des Dualen Systems

Erwartet werden durchschnittlich 45.000 Fahrzeuge, die das Gelände der Weltausstellung ansteuern. Jetzt hat man das Konzept komplett fallen gelassen und will die Parkplätze wohl für jeden offen halten. Erst wenn sich die Auslastung der 25.000 unmittelbaren EXPO-Parkplätze abzeichnet, wird der Verkehr von der Verkehrsleitzentrale auf die "park & ride"-Plätze im hannoverschen Umland geführt. Mit dieser Entscheidung hat man jegliche Planung in den Wind geschlagen und dem hannoverschen Verkehr eine schallende Ohrfeige verpasst, denn mit dem Buchungssystem wollte man den Anreiseverkehr steuern und ein mögliches Chaos vermeiden. Nun trägt man offensichtlich dazu bei. Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen ist stinksauer, dass man von Seiten der EXPO-Planer jegliche Verkehrslenkung dem Zufall überlässt. Nun werden die Bitten an die Gäste noch eindringlicher, möglichst doch mit der Bahn anzureisen, aber ob sich die Besucher an diese Empfehlungen halten?

Proteste

In der Nähe von Hannover soll ein Gen-Rapsfeld angeblich von EXPO-Gegnern vernichtet worden sein und die Betreiber machen die Zerstörer für einen Millionenschaden verantwortlich, da in großem Umfang auch nicht gentechnisch veränderte Rapssorten und deren Saatzuchtprogramm betroffen seien. Der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung soll nach eigenen Angaben ein Bekennerbrief des "Aktionskreises Birgit Boiler" vorliegen.

Am Wochenende vor der offiziellen Eröffnung der Weltausstellung kam es in der hannoverschen Innenstadt zu ersten fantasievollen Protestaktionen, die bislang friedlich über die Bühne gegangen sind. Die Polizei fühlt sich nach eigenen Angaben ihren Aufgaben gewachsen. In erster Linie will man Präsenz zeigen und die soll inzwischen so weit gegangen sein, dass einige Leute schon Besuch bekommen haben. Dabei wollten sich die Polizisten mit den Anti-EXPO-Gegnern unterhalten, um auf diese Weise im Vorfeld zur Deeskalation beizutragen.

Themenpark - 21. Jahrhundert

Am Mittwochabend wurden 3.000 Beamte aus verschiedenen Bundesländern vom Innenminister, der lokalen Polizeiführung und dem Oberbürgermeister in der Stadt willkommen geheißen. Bei guter Verpflegung, bayrischer Marschmusik und einem weiteren bunten Programm feierte man bis in den frühen Morgen. Am 1. Juni wollen die EXPO-Gegner früh aufstehen, um die Eröffnung der EXPO zu verhindern bzw. massiv zu behindern. In einem Aktionshandbuch werden unterschiedliche Protestformen dargestellt. Das Spektrum reicht von fantasievollen Aktionen wie Minidemonstrationen bis hin zum Auto ohne Benzin. Aber es werden auch handfeste Tipps zu kleineren und größeren Sabotageakten beschrieben. Als Pendant zum Move-Verkehrsleitsystem der EXPO haben die EXPO-Gegner ein SMS-Verkehrsinformationssystem B.SCHEID ins Leben gerufen. Hier kann jeder unter einer Telefonnummer auf Aktionen aufmerksam machen, um diesen zu eine weiteren Verbreitung zu verhelfen.

Globales Medienereignis

Das große Interesse an den Pressepreviewtagen beweist, dass sich die Weltausstellung zum globalen Medienereignis entwickelt. Im Verlauf der 153 Tage dauernden EXPO werden in Hannover ca. 23.000 Journalisten aus Fernsehen, Hörfunk und den Printmedien erwartet. Zum internationalen Pressetag sind Vertreter von China bis Südamerika begrüßt worden. Aus Paris und Brüssel landeten zwei Charterflugzeuge in Hannover und die 100 Niederländer sind extra mit einem Sonderzug angereist. Ebenso waren viele Vertreter internationaler Leitmedien wie die der französischen Nachrichtenagentur AFP oder der New York Times anwesend. Kurioserweise hat erst die Absage der USA das Interesse der amerikanischen Journalisten geweckt. Allein 53 Kamerateams berichteten vorab vom Gelände der Weltausstellung. Viele internationale Journalisten nehmen ihre Arbeit bereits im Vorfeld auf und bleiben schon bis zur Eröffnung in Hannover. Insgesamt soll die Presse positiv über diesen Pressetag berichtet haben. ARD und ZDF sowie der Norddeutsche Rundfunk werden regelmäßig über die Weltausstellung in Hannover berichten. Im Verlauf der EXPO sind diverse Livesendungen geplant, die dadurch auch zum Besuch der Weltausstellung animieren sollen.

Die äußere Länderpräsentation

Obwohl inzwischen einige Länder aus sehr unterschiedlichen Gründen abgesagt haben, haben sich die verbleibenden ca. 170 Nationen und Organisationen eine Menge einfallen lassen. Allein auf dem Gelände Ost und West finden sich über 50 eigens zur Weltausstellung errichtete temporäre Gebäude. Von der Tempelanlage bis zum futuristischen Gebäude sind viele architektonische Stilrichtungen vertreten. In den Hallen des Messegeländes präsentieren sich zahlreiche Nationen. Doch die Pavillons laden nicht nur zum äußeren Bestaunen ein, sie können in der Regel auch betreten werden. Hier erwartet den Besucher eine landestypische Präsentation, die sich mit der EXPO-Thematik "Mensch - Natur - Technik" auseinandersetzen soll.

Kulturprogramm

T-digit Ron Sommer

Nicht nur am Eröffnungstag präsentiert man umfangreiche Veranstaltungen, sondern auch während der gesamten Dauer sind im EXPO-Kultur- und Ereignisprogramm mehr als 10.000 Einzelveranstaltungen verzeichnet, wovon viele im Eintrittspreis enthalten sind. Zum Beispiel finden jede Menge Veranstaltungen im Deutschen Pavillon statt. Hier empfiehlt es sich, im Vorfeld Karten reservieren zu lassen. Für diesen Telefonservice werden lediglich 5 DM Versandkosten in Rechnung gestellt. Internetuser können das Programm aber auch über drei Webcams mitverfolgen. Ganz bestimmt nicht versäumen sollte man das allabendlich stattfindende Flambée - Human Facets am EXPO-See unmittelbar am EXPO-Dach http://www.expodach.de/. Nach Einbruch der Dunkelheit ab 22.30 Uhr wird hier ein multimediales Gesamtkunstwerk aus Wasserfontänen, Licht- und Nebelspielen sowie Flammen- und Wasserwänden inszeniert.

Die Medien

Es gibt einen klaren Unterschied in der Medienberichterstattung, meint zumindest der EXPO-Pressesprecher Michael Sasse. Während sich die deutschen Kollegen um alles Mögliche wie Verkehrsprobleme, Parkplätze, Toiletten oder die pünktliche Fertigstellung Sorgen machen würden, gingen die internationalen Journalisten einfach von der deutschen Tugend aus und beschäftigten sich mit solchen Fragen erst gar nicht. Wer sonst als die Deutschen sollte denn so eine Weltausstellung ordentlich und pünktlich organisieren können? So meinte dann auch die Generalkommissarin Birgit Breuel, dass sicher auch am Eröffnungstag, dem 1. Juni, hier und da noch geschraubt oder ein Blumentopf gerade gerückt werden müsse, aber jeder Besucher würde freundlich von den Ausstellern erwartet. Für die internationalen Journalisten steht eher die Frage im Mittelpunkt, ob die Deutschen so ein Fest wirklich mit Humor veranstalten können. Wenn es nur darum geht, dann ist die Veranstaltung schon gerettet, schließlich ist Deutschland nur Gastgeber und für den Humor werden schon die Teilnehmer aus den anderen Nationen sorgen.

Das Wetter

Generalproben wie so ein Pressetag mit seinen Vorführungen und Erläuterungen müssen zum Teil einfach in die Hose gehen. Zumindest gibt es diesen Glauben in der Theaterwelt, denn dann kann zur Uraufführung nur alles gut gehen. Also musste es an diesem Tag für die nationale Presse auch regnen und ziemlich frisch sein, aber nach den bisherigen Wetterprognosen wird am Eröffnungstag die Sonne über das Geschehen in Hannover scheinen und es soll mit 19 Grad angenehm mild sein. Vielleicht stimmt das die Redakteure auch gnädiger. Und statt am Abend bei ca. acht Grad vor Ort zu sein, kann man auch gemütlich vor dem Fernseher sitzen und staunen, was Oberlehrer Thomas Gottschalk wieder einmal altklug von sich gibt.

Fotos: Gerald Jörns mit Epson 850Z