Leben hinterlässt nur kleine Spuren

Ob auf der Erde oder im Weltall: Landschaften sehen überall ähnlich aus

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Zu den vielen Erkenntnissen, die die Erforschung des Mars gebracht hat, gehört auch die, dass seine Oberfläche, je genauer wir sie betrachten können, der Erde immer ähnlicher wird. Und das, obwohl die Erde seit mehreren Milliarden Jahren von komplexen Lebensformen besiedelt wird, während es auf dem Mars höchstens Mikroben gibt.

Das irdische Leben beeinflusst das Klima, Vegetation wirkt sich auf Erosionsprozesse aus – doch lässt sich an der Oberfläche der Erde ablesen, dass sie von Leben besiedelt ist? In einem Review-Artikel im aktuellen Nature (Nature, Vol. 439, No. 7075 vom 26.1.2006) beschäftigt sich ein US-Forscherteam mit dieser Frage.

Signatur des Lebens

Landschaften nehmen Gestalt an, wenn Gestein sich erhebt oder abbricht, wenn Sediment erodiert, transportiert wird und sich ablagert. Die Geologie beschäftigt sich u. a. damit, wie solche Prozesse verlaufen und wie sie sich im Verlauf der Evolution der Erde vollzogen und ausgewirkt haben. Doch obwohl sich unsere gegenwärtigen Landschaften in einer von Leben (ausgenommen bleibt hier immer der Mensch und sein Wirken) besiedelten Welt entwickelt haben, berücksichtigen nur wenige Modelle der Landschaftsevolution den Einfluss der auf ihr lebenden Biota, sprich aller Pflanzen, Tiere, Pilze etc.

Berghänge, deren Erdformation nur von abiotischen Prozessen bestimmt zu sein scheint: a) Berghang in der Atacama Wüste, Chile, b) runder, bewachsener Berghang der Atacama Wüste, Chile, c) die Columbia Hills auf dem Mars, aufgenommen von dem Mars-Rover Spirit. Um die Ähnlichkeit mit Landschaft b) hervorzuheben, wurde der Himmel blau gefärbt, die rote Farbe des Gesteins entfernt. (Bild: Nature, NASA/JPL/Cornell University)

Dabei manifestiert er sich über kurze Zeiträume betrachtet recht deutlich: Steine verwittern, die Stabilität von Abhängen und die Flussdynamik werden direkt von biotischen Prozessen beeinflusst. In geologischen Zeiträumen betrachtet sind die biotischen Effekte weniger augenscheinlich, aber genauso wichtig: Biota beeinflussen das Klima und die klimatischen Bedingungen wiederum diktieren die Erosionsmechanismen, die die topographische Evolution mitbestimmen. Tragen die Landschaften der Erde also so etwas wie eine „Handschrift des Lebens“?

Oder anders gefragt: Was würde passieren, wenn alles Leben plötzlich verschwände und die vom Menschen errichteten Bauwerke nicht gebaut worden wären. Würden Alpen, Anden oder Himalaya anders aussehen? Gibt es eine Landschaftsform, die ohne Leben fehlte? William E. Dietrich und J. Taylor Berron vom Department of Earth and Planetary Science der University of California in Berkeley sind diesen Frage nachgegangen, inspiriert durch die Bilder der Marsoberfläche. Wissenschaftlich abgesicherte Antworten können sie darauf jedoch nicht geben, dazu steht die Forschung nach ihren Ausführungen noch zu weit am Anfang. Anders als bei der Klimaforschung gibt es noch kein Evolutionsmodell für das Entstehen von Landschaftstypen, das das Einwirken der irdischen Lebensformen mit umfasst.

Runde Hügel, mäandernde Flüsse

„Leben überzieht die gesamte Erdoberfläche, es kontrolliert und vermittelt Erosions- und Transportprozesse. Biotische Prozesse beeinflussen die langfristige Landschaftsevolution sogar so weit, dass sie sich auf Höhe, Breite und Symmetrie von Bergketten auswirken. Doch die Antwort auf die Frage: ‚Gibt es eine einzigartige Signatur des Lebens auf der Erde?’ scheint ‚Nein’ zu sein“, schreibt Dietrich. „ (…) Wenn wir über eine unbelebte Erde spazieren würden, würde sie anders aussehen, doch es gäbe keinen Landschaftstypus, der uns fremd wäre, wir würden keine Landschaft finden, die wir aus unserer Erfahrung nicht kennen. (…) Der Unterschied bestünde in der Häufigkeit und der Verteilung bestimmter Landschaftseigenschaften.“

An welchen Landschaftstypen zeigt sich der Einfluss des Lebens am deutlichsten? Wer über eine unbelebte Erde spazierte, würde weniger runde Hügel vorfinden, weniger steile Felsgebirge und weniger mäandernde Flüsse, meinen Dietrich und Perron.

Im Übrigen halten sie an ihrer These von den unverwechselbaren Spuren des Lebens in der Topologie der Erde weiter fest. Und sie gehen davon aus, dass diese auf einer Skala von unter einem Meter zu finden sein werden. Hier sind es die Behausungen, die sich Tiere schaffen, entwurzelte Bäume, die mit ihrem Wurzelwerk kleine Hügel bilden – einzigartige Merkmale, die so nur auf biotische Ursachen zurückgehen können.

Ob diese These langfristig haltbar ist, wird jedoch erst der Vergleich mit der Oberfläche anderer Planeten erweisen. Wie Dietrich schreibt, sind die bisher erfassten Teile der Oberfläche des Mars nur mit einer Auflösung von etwa zwei Meter pro Pixel abgebildet, und das ist nicht exakt genug. Er treibt daher ein Projekt vorwärts, das die Erdoberfläche mittels der LIDAR-Technologie (Light Detection and Ranging) kartographisch genauer darstellen will. Vielleicht findet er dann auch die einzigartigen Spuren des Lebens.