Lega und M5S dementieren Berichte über 250-Milliarden-Euro-Schuldenerlassforderung
Fünf-Sterne-Senator Emilio Carelli wird als neuer möglicher Ministerpräsident gehandelt
Nachdem die italienische Huffington Post (und nach ihr viele andere Medien bis hin zur deutschen FAZ) berichteten, dass ein Entwurf für ein gemeinsames Programm der beiden voraussichtlichen neuen italienischen Regierungsparteien Lega und M5S einen Erlass von Schulden bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von 250 Milliarden Euro fordert, haben Sprecher der beiden Parteien die Meldung dementiert: Sie sei zwar nicht frei erfunden, stütze sich aber auf einen überholten und nicht mehr aktuellen Verhandlungsstand.
Solch ein Erlass hätte die mit 134,2 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldete drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone um mehr als die Hälfte der von der EZB angekauften italienischen und um zehn Prozentpunkte der gesamten Schulden erleichtert. Die Finanzmärkte hatten auf diese Aussicht negativ reagiert: Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen stieg um 14 Basispunkte, der Euro und die Kurse europäischer Geldinstitute ließen deutlich nach - und an der Mailänder Börse sank der Leitindex FTSE MIB.
Salvini: "Wir fürchten nicht die Spielchen der Finanz"
Lega-Chef Matteo Salvini meinte zu diesen Entwicklungen: "Wir fürchten nicht die Spielchen der Finanz. Wenn jemand denkt, er kann uns einschüchtern, irrt er sich". Sein M5S-Äquivalent Luigi Di Maio verlautbarte: "Gegen uns richten sich die Attacken der Eurokraten, doch wir werden die Regierung bilden."
Die aktuelle Version des Regierungsprogramms soll auf 40 Seiten 22 Vorhaben beschreiben. Offiziell bestätigt ist davon bislang lediglich, dass ein Euro-Austritt nicht dazugehört. Mehrere Verhandler sagten italienischen Medien außerdem unter der Hand, dass die von Brüssel erzwungene Fornero-Rentenreform zurückgenommen wird.
Das von der M5S geforderte "Reddito di Cittadinanza", das "Bürgereinkommen", soll es in Höhe von 780 Euro monatlich für alle Italiener geben, die im Jahr weniger als 9.360 Euro einnehmen - aber nur dann, wenn sie höchstens jede dritte Arbeit ablehnen, die ihnen angetragen wird. Ein Fünftel der dafür geschätzten Kosten in Höhe von 17 Milliarden Euro soll aus dem Europäischen Sozialfonds kommen.
Abschiebungen sollen deutlich erleichtert werden
Unklar ist, ob die in der Huffington-Post-Version des Regierungsprogramms enthaltene Forderung nach einem Ende der für Italien wirtschaftlich besonders belastenden Russlandsanktionen beibehalten wurde oder nicht. Andere Pläne, über die spekuliert wird, sind eine Nachverhandlung des italienischen EU-Beitrags und der Dublin-Asylbewerberzuständigkeitsabkommen, eine Verringerung der Zahl der Abgeordneten im Parlament und eine Änderung des Impfpflichtgesetzes.
Bestätigt wurde von Matteo Salvini, dass er für seine Partei das Innenministerium fordert, um migrationspolitische Wahlversprechen möglichst umfassend umzusetzen und unter anderem Ausschaffungen deutlich zu erleichtern. Als Vorbild nannte er bereits im Wahlkampf die türkis-blaue Regierung in Österreich, der es den gestern veröffentlichten Zahlen nach gelang, die Zahl der Abschiebungen unter anderem durch eine Erhöhung der Zahl der Schubhäftlinge um 90 Prozent deutlich zu steigern.
Kommt der neue Ministerpräsident aus Berlusconis Holding Fininvest?
Die Namen des neuen Ministerpräsidenten und seiner Minister wollen Salvini und Di Maio dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella spätestens am Montag vorlegen. Aktuell konzentrieren sich die Spekulationen italienischer Medien auf den Fernsehjournalisten Emilio Carelli, der für die M5S in den Senat gewählt wurde. Den "Wandel", den die Fünf-Sterne-Bewegung verspricht, würde der Professor für "Theorie und Technik der Online-Information" an der Katholischen Universität Mailand allerdings nur bedingt verkörpern: Er war jahrzehntelang für Fininvest tätig - für die Holding von Silvio Berlusconis Medienimperium.
Der muss sich nach der Aufhebung seines Ämterbesetzungsverbot vorletzte Woche erneut vor Gericht verantworten. Diesmal geht es um Vorwürfe, dass er dem Musiker Mariano Apicella eine Falschaussage im Bunga-Bunga-Prozess mit 157.000 Euro vergütete.
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