Leicht wie ein Turnschuh: China-Bashing
Olympische Winterspiele: Das erste Gold geht an den Chor der Gerechten
In Bild online befassten sich auf der Homepage am Freitagabend keine Top-Nachrichten mit den Olympischen Winterspielen. Weiter unten gabs dann "oben ohne"-Meldungen: "Bob-Fahrerin lädt zum Baden ein" - Platz eins in der Rubrik meistgeklickte Videos. Die Bronzemedaille ging an den "Skisprung-Star" mit "privatem Nacktprofil".
Die Deutschen interessieren sich allgemein nicht für die Winterspiele in China, die gestern begonnen haben. 80 Prozent der Befragten gaben beim ARD-DeutschlandTrend an, sich weniger oder gar nicht dafür zu interessieren. Zwei Drittel der 1.339 Befragten bezeichnen es rückblickend als falsch, dass diese Winterspiele an Peking vergeben wurden.
Als am 31. Juli 2015 in Kuala Lumpur über den Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2022 entschieden wurde, war Almaty der einzige Konkurrent, der gegen Peking übrig geblieben war. Das IOC entschied sich mit 44 gegen 40 Stimmen für die chinesische Hauptstadt. Wäre Kasachstan die bessere Alternative gewesen?
Spielverderber Westen
"Vor allem die demokratischen Länder des Westens geben den Spielverderber", kommentierte Die Zeit 2013/2014 einen Trend, der sich schon seit vielen Jahren abzeichnete: "Olympia scheint in Demokratien nicht mehr mehrheitsfähig. Finden globale Sport-Events künftig nur in autoritären Staaten statt?"
Noch vor gut zehn Jahren fanden die meisten Olympische Spiele und Weltmeisterschaften in Demokratien statt. Heute sind London und Rio die Ausnahme. Die Partys finden nun in China, Russland und Katar statt, deren Regierungen eher geneigt sind, sich über den Bürgerwillen hinwegzusetzen und den Prestigegedanken zu pflegen. Der Fußballweltverband (Fifa) steht dem IOC hinsichtlich des Umgangs mit Steuergeld in nichts nach.
Die Zeit, "Olympische Spiele, bloß nicht", 2013, aktualisiert 2014
Die teure Party findet jetzt im "neuen Ostblock" statt und die Medien im Westen empören sich über die Gäste. "Die Spiele der Autoritären" lautete der Aufmacher der gedruckten Welt am gestrigen Freitag.
Darin wurden drei Arten von Gästen unterschieden. Die USA, Großbritannien und Kanada, deren politische Vertreter zwar eingeladen waren (Australien gehört auch dazu), die aber die Einladung ablehnten. Dann als zweites Gäste wie Deutschland, die aus "Angst vor wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen" nicht von einem Boykott reden würden.
Drittens der Club der Autoritären und Hörigen, der die Olympischen Spiele nutzen wird, um Peking seine Aufwartung zu machen (der Präsident von Kasachstan, Qassym Schomart Toqajew). Der Club der Hörigen umfasst z.B. Prinz Albert II aus Monaco plus WHO-Chef Tedros Ghebreyesus… Aus dem Club der Autoritären ragt heraus: Waldimir Putin.
Die Welt
Von einem "Stelldichein der autokratischen Führer" war im Rundfunk zu hören. "Wenn wir alle morgen am Fernseher sitzen und die Eröffnungsfeier schauen sollten, muss man sich immer klarmachen, zum selben Zeitpunkt werden dort Menschen gefoltert", sagte die SPD-Politikerin Dagmar Freitag am Donnerstag in der "Welt am Morgen" auf BR 2. Der Moderator der Sendung musste da nicht viel nachfragen.
Gute Freunde
Ob tatsächlich "alle" am Freitag am Fernseher sitzen, wie Dagmar Freitag behauptete, ist nach dem ARD-DeutschlandTrend eher nicht der Fall, auch wenn ARD und ZDF trotz aller Kritik auch bei der Party mitmachen.
Solche Unschärfen gehören zum Nebenfeld der öffentlichen Positionen, schön allgemein bleiben und, was die Fernsehanstalten betrifft, sich bloß nicht auf einer Bahn festlegen lassen. In einem anderen Punkt war die SPD-Politikerin genauer. Sie richtete den Blick auf Amigo-Kreise:
Ich möchte wirklich sehen, mit welchen "best buddies" Thomas Bach auf der Tribüne sitzen wird.
Dagmar Freitag
Dazu lieferte die SZ am Donnerstag einen grandiosen Hintergrund-Bericht zur "Dynastie" des langjährigen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch, zur Turnschuh-CIA des Adi-Dassler-Sohnes Horst und über die vielen Fäden und Netzwerke, die Juan Samaranch, "Sportminister unter Spaniens Junta-Boss Francisco Franco", im Laufe seiner IOC-Regentschaft gesponnen hatte, die bis zu den Winterspielen in Peking reichen. Von seinem Sohn wird berichtet, dass der Junior der "oberste Chefaufseher dieser Winterspiele" ist und geschäftlich eng mit Peking vernetzt.
Es geht vor allem ums Geld, ums Steuergeld. Vielen Regierungen und Bürgern sind die Kosten und Folgekosten zu hoch. Olympia ist ein Business geworden – ein sehr einseitiges. Das IOC nimmt über sein Franchise-System Milliarden ein, trägt aber selbst kaum Risiko. Die Rechnung zahlen am Ende die Steuerzahler.
Die Zeit
Das Stelldichein der Autokraten wurde von westlichen Geschäftsleuten maßgeblich mitorganisiert.
Auch wenn sich das deutsche Publikum nicht sonderlich für die Winterspiele interessiert, international könnte das anders aussehen und damit würde sich eine andere, in den letzten Tagen oft gemachte, Behauptung in ihr Gegenteil verkehren: Dass die olympische Party die Bitternis und die Leiden der Uiguren in China, die ihnen von den autokratischen Behörden zugefügt werden, überspiele und Peking sich ungestört im Image-Glanz der Spiele sonnen könnte.
Bislang ist das Gegenteil der Fall. So viel Aufmerksamkeit für die Uiguren wie in diesen Tagen gab es schon lange nicht mehr. Auch das ist ein Ergebnis der Winterspiele.